So lösen Sie Schreibblockaden
Waschmaschine ausräumen, spülen, staubsaugen oder den Garten umgraben: Das alles macht mir wenig Spaß. Aber wenn es sein muss, dann raffe ich mich dazu auf und schaffe das. Beim Schreiben — immerhin meine Hauptaufgabe — ist das anders: Wie jetzt, zum Beispiel: Ich will etwas schreiben, das ich morgen abgeben muss. Aber ich bin wie paralysiert. Ich fange nicht an, sondern verzettle mich mit anderen Dingen: Spiegel Online lesen, den Tag zum x-ten Mal planen, Kaffee kochen und nochmal Spiegel Online lesen, Aufgaben sortieren, Schokolade.
In meinem Kopf dröhnt es unangenehm. Das Gedankenchaos überdeckt die kreative Stille. Kopfschmerzen. Irgendetwas hält mich vom Schreiben ab. Ich bin zu schwach, komme nicht dagegen an.
Wieder keine neuen Nachrichten bei Spiegel Online. Noch nicht mal das.
Nicht jeder ist eine menschliche „Schreibmaschine"
Schreibblockaden nerven. Aber sie gehören einfach dazu. Zumindest für mich. Ich bewundere die menschlichen „Schreibmaschinen", die allzeit und in jeder Situation etwas Druckreifes schreiben, superproduktiv sind. Mir gelingt das nur selten. Bei mir müssen Ideen im Kopf noch ein wenig nachreifen, bevor sie wohlgeordnet in Worte und Absätze passen.
Ich muss heute für meinen Kunden einen Text schreiben, der ihm wichtig ist. Aber ich denke nur: Das braucht eigentlich kein Mensch. Ist das ungerecht, naiv, überheblich? Warum sollte ich mich damit beschäftigen? Die vordergründige Antwort ist: Weil ich damit Geld verdiene und meine Familie ernähre. Das sollte doch als Motivation genügen, oder? Sollte. Heute reicht es nur für zwei kurze Absätze. Dann ist die Luft wieder raus. Warum verspanne ich mich so?
Verdrehtes Erwartungsmanagement bremst aus
Irgendetwas lähmt mich. Und tief drinnen weiß ich es: Mein Anspruchsdenken hat sich mit der Wirklichkeit verheddert. Ich will immer Texte schreiben, die besonders, überraschend und außergewöhnlich sind; spannende Texte, die berühren. Das ist natürlich Quatsch und eine dumme Ausrede. Ich sollte jetzt den verdammten Text schreiben. Mein Kunde will keinen Pulitzerpreis gewinnen. Der will es pünktlich haben. Also los. Aber es geht immer noch nicht.
Schreiben ist halt doch etwas anderes als den Müll rauszutragen. Müllraustrageblockaden lassen sich schnell lösen. Da muss man einfach die Füße hochnehmen und losgehen. Warum klappt das nicht beim Schreiben?
Alles Kopfsache. Erklären Sie das mal jemandem, der nicht professionell schreibt. Null Verständnis, Künstlerallüren halt. Wer nicht schreibt, denkt: Beiss Dich endlich durch, mein Freund mit den feinen Tastaturhändchen! (Und ganz ehrlich: Sie haben ja recht.)
Meine erprobten Schreibblockadenlöser
Zum Glück habe ich mit Schreibblockaden viel seltener zu kämpfen als früher. Doch es passiert immer wieder mal. Meistens reicht ein ernster Appell an die Ehre, ein herzhaftes „Reiß Dich zusammen“ und ein kurzes Nachdenken über die Vergänglichkeit aller gefühlt schweren Dinge. Wenn das alles nicht fruchtet, dann klappt es vielleicht mit den folgenden Schreibblockadelösern:
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Nicht gegen die Blockade ankämpfen und am nächsten Tag ganz früh starten: Manchmal erwischt man einfach einen gebrauchten Tag. Dann muss man akzeptieren, dass nichts geht. Statt nun auf dem Sofa zu sitzen und Chips zu essen, sollten Sie etwas nützliches tun: zum Beispiel den Schreibtisch aufräumen, Rechnungen schreiben und sortieren, meditieren, einen Handstand machen, einen Mensch oder Tier streicheln, raus gehen. Haken Sie den Tag ab, aber fühlen Sie sich nicht als Verlierer. Das muss man üben.
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Das Medium und den Raum wechseln: Wenn ich am Computer nicht mehr weiterkomme, dann wechsele ich gern zum Papier. Ich setze mich bewusst in ein anderes Zimmer und nehme den Druck raus, indem ich ziellos auf Papier kritzele. Ich stelle mir vor, ich muss einem guten Freund beschreiben, worüber ich gerade schreibe; worum es geht und was das Spannende dabei ist. Oft reicht mir eine halbe Stunde zum Aufpumpen. Dann renne ich wieder hoch in mein Büro und schreibe den Text als wäre nichts gewesen. Alternativ gehe ich in ein Café. Wichtig ist es hier, raus aus der gewohnten Umgebung zu kommen. Die Muße braucht Abwechslung (und kein Alkohol).
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Raus gehen, diktieren: Ich diktiere gerne meine Texte. Also stöpsle ein Mikrofon an mein Handy, gehe raus und diktiere meinen Text. Naja, die ersten Minuten beschimpfe ich mich, füttere meinen inneren Schweinehund und lasse mein “Monkey Mind” kreisen. Nach etwa 10 Minuten kommen die ersten, verwertbaren Gedanken. Daraus entsteht noch kein druckreifer Text, aber mit den transkribierten Versatzstücken kann ich schon etwas anfangen.
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Schlafen: Das war früher mein Geheimrezept. Musste ich abends noch etwas fertig bekommen, habe ich mich nachmittags für eine halbe Stunde hingelegt. Klingt kontraproduktiv? Für mich war das ein lohnender Bruch. Danach ging meistens alles ganz schnell. In meiner Großfamilie kann ich das jetzt nicht mehr bringen. Es wäre komisch, wenn Papa im Büro die Schlafbrille aus dem Flugzeug anlegt und ein kleines Nickerchen hält, während die Kinder tobend durch das Haus ziehen. Ich würde mich wie ein Betrüger fühlen. Und auch im Großraumbüro ist dieser Ansatz wohl für die Kollegen etwas gewöhnungsbedürftig. Stellen Sie sich vor: Alle stehen unter Druck, Sie müssen etwas in einer Stunde abgeben und legen sich erst einmal gemütlich aufs Ohr — dafür hat nicht jeder Verständnis.
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Etwas anderes schreiben: Diesen Löser wende ich gerade an. Ich schreibe über etwas, das näher an meinem Herzen liegt; etwas, das mehr Energie trägt, weil es „von mir“ und nicht „für jemanden" ist. In der Regel veröffentliche ich solche Schreibübungen nicht (das ist hier eine absolute Ausnahme). Das Ziel ist, ein beschwingtes Gefühl des „Es geht doch“ zu erzeugen. Oft schafft eine solche Schreibübung genug Vortrieb, der auch für die kommerziellen „Brot- und Buttertexte" reicht. Auf diesen Vortrieb hoffe ich übrigens auch heute.
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Zeitlimits setzen: Nehmen Sie Druck heraus, indem Sie sich ein Ziel setzen, dass Sie auch schaffen können. Mir hilft es, wenn ich mich nur 10 Minuten mit einer klaren Aufgabe beschäftige. Ich schreibe nur eine Überschrift und einen Einstieg. Oft habe ich dann eine emotionale Bindung zum Inhalt aufgebaut und schaffe doch noch eine erste grobe Version, ein FSD (“First Shitty Draft”). Manchmal hilft es auch, eine Viertelstunde mit der Struktur des Textes zu verbringen. Was soll wo rein, was sind die Kernbotschaften? Ich starte mit einzelnen Stichworten, Aussagen, Sätzen und wenn ich nicht aufpasse, entstehen daraus längere Absätze und vielleicht sogar ein Text.
Lernen Sie das Loslassen
Was auffällt: Alle Varianten haben etwas mit „Loslassen" zu tun. Das widerspricht den üblichen Ratschlägen („Zieh durch, was Du angefangen hast"). Dazu gehört auch, dass man Blockaden einfach akzeptieren muss. Schreiben ist Kopf- und Knochenarbeit. Beides muss passen.
Je mehr wir uns stressen, desto größer werden die Hürden. Blockaden lösen sich im Kopf schneller auf, wenn wir sie nicht bekämpfen. Laden Sie die Schreibblockade doch freundlich in Ihren Kopf ein. Und dann lassen Sie sie links liegen. Der Blockade wird es schnell langweilig, wenn Sie nichts mit ihr machen. Sie wird sich beleidigt verziehen.
Nehmen Sie sich und Ihre Texte nicht zu ernst
Nehmen Sie das Schreiben und vor allem das Zwischenergebnis nicht so wichtig. Wenn wir unbeschwert anfangen und einfach weiterschreiben, dann können wir es später ändern und bis zur Perfektion feilen. Und denken Sie daran: Das passiert auch anderen. Sie sind nicht allein damit. Sie haben keinen Knall und auch wenn es mal im Hirn klemmt sind Sie ein wertvoller Mensch.
Ich habe nun genug von meiner Schreibblockade und den Beobachtungen auf der Meta-Ebene. Ich gehe nun hoch in mein Büro und erledige, was wirklich drängt. Vielleicht sollten Sie das jetzt auch tun.
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