Magischer Feinstaun
Ooooh, aaaah, boooaaaahhhh: Das sind Geräusche, die kommen tief aus dem Bauch. Es sind ausgesprochene Gefühle der Verwunderung, des Staunens. Gerade jetzt in der Weihnachtszeit verbindet man Staunen mit Kindern. Staunend kommen sie ins Wohnzimmer und freuen sich über die Bescherung. Wie konnte es das Christkind schaffen, das alles unter den Weihnachtsbaum zu legen?
Dabei wird das Staunen auch gerne unterschätzt. Kinder staunen. Und zynische Erwachsene sagen, dass die Kids halt staunen, weil sie es einfach noch nicht besser wissen. Das ist natürlich total ungerecht, denn die Kinder lieben es zu staunen. Sie wollen überrascht werden. Die kindliche Freude ist etwas Gutes. Und auch uns Erwachsenen würde das gut tun.
Vor etlichen Jahren schrieb ich in einer Kolumne über die „Stauner“, die mit offenen Mund durch das Silicon Valley laufen und alles toll finden. Diese „Stauner“, so schrieb ich damals, wüssten nichts und gerade deswegen ließen sie sich blenden von Dingen, die erstens nicht wirklich neu und zweitens nicht wichtig wären. Unausgesprochen markierte ich mich als „Nicht-Stauner“, also als jemanden, der schon alles kennt. Mit zeitlichem Abstand sehe ich das anders.
Je älter wir werden, desto mehr wissen wir, dass wir nichts wissen. Gleichzeitig staunen wir immer weniger. Wann hast Du zuletzt gestaunt, so richtig aus dem Bauch heraus? Doch wenn wir uns bewusst sind, dass wir immer weniger wissen, dann sollten wir uns doch wieder auch für das Staunen öffnen. Dabei ist das Wort „öffnen“ wichtig. Man muss sich für das Staunen öffnen, und nicht nur darüber stolpern, sondern sich auch gezielt in Staunersituationen bringen.
Als wir letztes Jahr nach Australien zogen, da gelang das Staunen einfach. Der Sprung auf einen anderen Kontinent in ein anderes Leben. Ungewohnte Gerüche, andere Sprache und Gewohnheiten. Ich bin staunend durch die Stadt gelaufen. Alles neu, alles spannend. Ich schaute Menschen beim Schlangestehen zu, beobachtete Kakadus in den Bäumen und saß sprachlos in einem kleinen Restaurant in Chinatown. Alles war neu und staunenswert. Mit dem täglichen Leben gewöhnt man sich an alles. Insofern ist die Gewohnheit der Gegenspieler des Staunens. Wer nicht mehr schaut, sondern nur noch seine eigenen Bahnen zieht, wird nichts mehr sehen.
Staunen wagen. Dazu muss man Zeit und Gelegenheiten finden. Aktiv suchen. Und es reicht nicht, irgendwo kurz stehenzubleiben und zu sagen: Das ist aber mal interessant. Staunen ist persönlich und intim. Manchmal steht auch der Stolz davor. Als erwachsener Mensch staunt man doch nicht mehr. oder? Schließlich steht man mit beiden Füßen auf dem Boden. Wer staunt, zeigt ja auch an, dass er sich schnell beeindrucken lässt, oder etwa nicht?
Vielleicht erfordert es zu Beginn Mut und Offenheit. Doch wer das Staunen zulässt, bereichert sein Leben und das Leben aller Menschen um uns herum. Gerade die kleinen, alltäglichen Dinge im Leben regen zum Staunen an, wenn man stehenbleibt und genau hinschaut.
Sei offen und staune. Und kümmere Dich nicht darum, was andere Menschen sagen, die schon lange verlernt haben die Welt mit wachen Augen zu sehen. Komme zurück zum aaaaahhhhh, oooooohhhhhh und booooooaaaaahhhhhhhhh. Es gibt jetzt keine bessere Zeit dafür.