Scrum für Autoren – geht das?
Ich fräse mich gerade tief in das Scrum-Framework. Dabei geht es um ein agiles Arbeiten, das sich von Sprint zu Sprint hangelt und die ganze Zeit „Inkremente“ erzeugt. Ein Inkrement ist nichts Ekliges, sondern ein Puzzlestück, das letztlich das komplette Bild ergibt. Doch im Gegensatz zu den herkömmlichen Arbeitsweisen, dessen Ergebnisse erst am Ende nach einer kräftezehrenden letzten Phase sichtbar werden, geht es bei Scrum um vorzeigbare, „fertige“ Teilergebnisse.
Ursprünglich kommt Scrum aus der Software-Entwicklung. Ein Inkrement ist hier ein Stück Software, das als „Minimal Viable Product“ (MVP) vielleicht sogar schon für sich stehen könnte. Das muss es aber nicht. Das Team konzentriert sich also auf die Teile, die den meisten Wert schaffen und die Produktidee am effizientesten weiterbringen. Ist das Inkrement geschafft – so ein Sprint dauert höchstens ein Monat, plant das Team die nächsten Schritte. Diese können ganz anders aussehen, als alle vorher dachten. Auf diese Weise robbt sich das Team zu besseren Produkten in kürzerer Zeit.
Über Scrum gibt es noch viel mehr zu schreiben. Momentan finde ich es besonders interessant, Scrum aus dem IT-Umfeld zu heben. Wie könnte beispielsweise Scrum für Autoren aussehen?
Planst Du noch – oder schreibst Du schon?
Bisher war es doch oft so: Du willst ein Buch schreiben, überlegst Dir die Handlung, sammelst alle wichtigen Elemente und dann hast Du irgendwann mal eine Outline und fängst an. Danach ist es ein einziger schwarzer Tunnel, aus dem viele nach kurzer Zeit wieder die Seiten aufreißen und ans Licht wollen. Viele geben auf, weil das Leben eines Autors nicht besonders glamourös und die Arbeit hart ist. Das ist die traditionelle Art, ein Buch zu schreiben.
Wie könnte das anders laufen, wenn Du ein Buch von Sprint zu Sprint schreiben würdest und daraus Inkremente entstünden, die einzeln für sich stehen und letztlich das Buch ergäben?
Vom Tweet zum Buch
Der Trick ist eine gute Planung und Mut zur Veränderung. Klar ist, dass Dein Buch wird letztlich anders aussehen wird als Du es Dir zu Beginn vorgestellt hat. Aber das war ja immer schon so. Wie wäre es, wenn Du mit einem Tweet startest (den Du nie abschicken solltest).
1. Tweet – Deine Story in 120 Zeichen: Wenn Du in der Lage bist, Deine Buchidee in 120 Zeichen oder weniger zu erzählen, dann bist Du einen guten Schritt weiter. Das könnte Dein erstes Inkrement Deiner Arbeit sein.
2. Blog-Posts – Recherche-Ergebnisse schriftlich verdauen: Jetzt kommt es natürlich darauf an, ob Du Fiction- oder Non-Fiction schreibst. Solltest Musst Du viel recherchieren, dann kannst Du Deine Ergebnisse in kurzen Blog-Posts (oder Podcasts) verdauen. Teile nur die Essenz, Du gehst ja später im Buch genauer darauf ein. Die Blog-Posts sind letztlich schon kleine Mini-Kapitel oder detaillierte Outlines in Deinem Buch.
3. Kurzgeschichten – die Geschichte abklopfen: Wenn Du einen Roman schreiben willst, dann versuche doch schon einmal eine Kurzgeschichte zu schreiben. Du musst das nicht unbedingt veröffentlichen, aber Du bekommst dann schon einmal ein besseres Gefühl, ob Deine Buchidee auch für ein längeres Buch taugt. Möglich, dass Dir während des Schreibens eine viel bessere Idee einfällt. Genau das ist ja agiles Arbeiten. Um hier recht schnell weiterzukommen, kannst Du Deine Kurzgeschichte auch einfach diktieren. Wahrscheinlich reicht es, wenn Du nur eine erste Rohversion schreibst. Du merkst rasch, was passt, was anders sein muss und wo Du anbauen musst.
4. Das Buch – von kurz zu lang: Hier arbeitet ja jeder anders. Im Non-Fiction-Bereich kannst Du agil vorgehen, indem Du Dich jetzt nicht von Kapitel zu Kapitel hangelst, sondern die wichtigsten „Herz“-Kapitel zuerst schreibst. Bei vielen Non-Fiction-Büchern kommen die AutorInnen oft erst ab der Hälfte zum Punkt. Welche drei Kapitel sind die wichtigsten Kapitel, in denen Du wirklich etwas Neues beitragen kannst? Arbeite an diesen als Erstes. Vielleicht brauchst Du den Rest dann gar nicht mehr? Bei Fiction-Büchern ist es natürlich sinnvoll von Kapitel zu Kapitel zu schreiben.
Im Scrum geht es immer um „Timeboxing“. Das heißt, Du nimmst Dir vielleicht ein Kapitel in einem Monat vor. Angenommen, Du hast das Kapitel schon nach drei Wochen fertig. Was nun? Wenn Du einen Monat sprinten willst, dann bleib auch dabei. Nutze lieber die restliche Woche, um an dem Kapitel zu feilen. Im Scrum gibt es die „Definition of Done“. Überlege Dir also, wann ein Kapitel für Dich wirklich fertig ist. Nach dem Kapitel kannst Du Dir dann genau überlegen, wie es im Buch weitergehen sollen. Möglicherweise entwickelt sich das Buch ganz anders als geplant und das solltest Du auch zulassen.
Auch diese Notiz ist ein „Inkrement“. Ich habe mir eine halbe Stunde gegeben, um das hier zu schreiben. Diese Notiz ist dann die Grundlage für eine längere Notiz, die vielleicht in ein verkaufbares kleines E-Book mündet. Ich weiß noch nicht, wie lange die Sprints werden, aber ich will in „Sprint Reviews“ jeweils meinen Vorschritt dokumentieren. Bin gespannt.