Meine wunderbare Reise von Shu, nach Ha und Ri

In der asiatischen Kampfkunst gibt einen interessanten Weg, der vom Einsteiger zum Meister führt. Das Konzept dafür heißt „ShuHaRi“.

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Zu Beginn befindet sich der Neuling im Shu: Wir verstehen noch nicht die Hintergründe, versuchen uns einen ersten Überblick zu verschaffen und die anfängliche Motivation schmilzt schnell dahin, wenn sich die ersten Erfolge nicht einstellen. Shu heißt: Verstehe die Regeln und folge ihnen, übe sie.

Wenn Du lange genug durchhältst, dann kommst Du an einen Punkt, an dem Du die Regeln so verinnerlicht hast, dass Du sie an manchen Stellen auch bewusst brechen kannst. Weil Du die Wirkweise und das Warum dahinter begriffen hast. Du bist im „Ha“ angekommen. Viele hören an dieser Stelle auf. Denn die nächste Stufe, das „Ri“ schafft zunächst nur Verwirrung. Im Ri „bist“ Du die Regel. Du lebst die Regel, sie ist Fleisch und Blut übergangen, Du musst nicht mehr darüber nachdenken. Auch kannst Du kannst nicht mehr so richtig erklären, warum und wie es funktioniert. Doch das ist nicht mehr wichtig, Du setzt Deine Fähigkeiten unterbewusst ein, ganz automatisch, weil Du es beherrschst.

Für viele Menschen ist die lange Reise nun zu Ende. Sie verstehen sich als Meister. Im Ri sind Komplexität und auch die Fähigkeit hoch. Doch es geht weiter. Folgend geht es um die Essenz, um das Reduzieren der Komplexität, um das Schärfen der Werkzeuge. Aber nicht aller Werkzeuge, sondern nur um um eine exquisite Auswahl, der Essenz. Der Endzustand dieser Reduktion auf das absolut Wesentliche und das absolute Beherrschen nennt man in der asiatischen Kampfkunst „Kokoro“.

Wir befinden uns in verschiedenen Lebenslagen im Shu, Ha, Ri, vielleicht sogar auch schon kurz vor dem Kokoro. Auf meinem vorherigen Karriereweg war ich irgendwo zwischen Ha und Ri, würde ich sagen. Meine kürzlich getroffene Entscheidung zu „Agil“ und zum Scrum Master haben mich auf Shu zurückkatapultiert. Aber ich habe das Gefühl, dass ich in kurzer Zeit zu Ri komme und bin dann bereit für den langen Weg zu Kokoro.

Ich vergleiche das mit einer Leiter, die wir beruflich immer weiter nach oben klettern. Das muss keine Karriereleiter, die Leiter kann auch einfach eine berufliche (und persönliche) Entwicklung sein. Wir steigen immer höher und merken irgendwann, dass die Leiter bald zu Ende ist. Was tun, einfach ganz oben verharren? Oder heruntersteigen, eine andere, potenziell längere Leiter suchen und dort bis Kokoro hochklettern? Ich habe mich für den zweiten Weg entschieden.

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Der Abstieg ist nicht einfach, geht aber schnell. Es fühlt sich so an wie ein Absturz. Das ist schmerzhaft und fordert das Ego auf das Äußerste heraus. Aber daraus lernt man. Ich denke, dass ich nun endlich unten angekommen bin, denn ich erklimme bereits die Stufen auf meiner neuen Leiter. Ich bin zuversichtlich, dass ich nun ein lange Zeit auf dieser Leiter unterwegs bin. Von Shu, nach Ha, Ri, hinauf zum Kokoro. Die Reise lohnt sich, auf zu neuen Höhen.