Die innere Stimme

Du willst einfach nur da sein. Präsent. Hier im Moment leben, alles aufsaugen und nichts verändern, es so sein lassen wie es ist. Doch dann ist da diese Stimme in deinem Kopf. Und die will etwas anderes. Sie will kommentieren, werten, alles schlecht machen, keine Hoffnung geben, sondern zerquetschen und pulverisieren. Du spürst es, kannst sie aber nicht leiser stellen.

Nach Außen wirkst du gleichgültig, interessiert, offen. Aber deine Fragen, dein Ton, selbst deine Augen verletzen, als hättest du in deinen Worten einen Schraubenzieher versteckt, mit dem du nun in die Ohren und in die Seele des anderen Menschen bohrst. Und du merkst es nicht einmal.

Woher kommt diese Stimme? Sie kommt von unserem Umfeld, von unserer Erziehung, wie wir mit Erfolgen und Misserfolgen umgegangen sind, wie uns andere aufgebaut oder niedergemacht haben; welche Geschichten wir immer wieder hören, weil es ältere Menschen sagen, die es auch nicht besser wissen und es auch nicht besser wussten.

Diese Stimmen sitzen nun in uns. Sie sind festgewachsen. Und sie werden gerade dann lauter, wenn wir nicht gebrauchen können; dann, wenn wir es leise wollen, weil es gerade wichtig ist und wir eigene, klare Gedanken fassen wollen.

Die Stimme ist in deinem Kopf. Aber du bist nicht die Stimme. Und du brauchst nicht darauf zu hören. Du kannst sie nicht wegdrücken, nicht ausblenden. Sie wird immer da sein. Aber du musst nicht alles machen, was diese Stimme sagt. „Du kannst das nicht, es lohnt nicht. Du bist zu jung/alt/klein/groß/dumm/wasauchimmer“: Wenn du das hörst, dann kannst du stundenlang darüber nachdenken, dass du nichts wert bist. Doch wer bewertet hier?

Du kannst aber einfach auch aufhören. Mit dem nächsten Atemzug. Einfach so. Oder du hörst deinem inneren Monolog wie einem Podcast zu und schaltest nach einer Weile ab, weil sich alles ständig wiederholt und einfach nichts Neues kommt.

Hast du Kinder? Was trichterst du ihnen ein? Redest du so wie deine Stimme mit dir redet? Sie fallen vom Fahrrad und du rennst hin, kümmerst dich um sie, hebst sie auf, umarmst und tröstest sie und dann ermutigst du sie es noch einmal zu probieren. Warum machst du das nicht auch für dich?

Du fällst vom Fahrrad und anstatt deine Wunden zu lecken, ärgerst du dich. Wie konnte das passieren, bin ich zu alt/unsportlich/unkonzentriert/wasauchimmer? Und dann urteilt die innere Stimme ungnädig, dass du zu alt/dumm/schwach zum Fahrradfahren bist. Sie zischt, dass du damit nun aufhören musst, weil du es nicht mehr kannst und es auch nicht mehr willst.

Aber es geht auch anders. Wie wäre es, wenn du auf dem Bürgersteig hockst und belustigt fragst,  was jetzt passiert ist? Kein Vorwurf, kann passieren. Und du freust dich, dass die Arme und Beine nicht im schiefen Winkel abhängen.

Warum hörst du dir nicht mehr zu, wenn du mit Menschen sprichst, die dir wichtig sind? Warum redest du nicht so mit dir? Beim nächsten Mal: Wenn deine innere Stimme wieder so laut und schneidend ist, dann erinnere dich (sobald du merkst) daran, dass du eine Wahl hast und jederzeit damit aufhören kannst. Mit dem nächsten Atemzug schon.

Was würdest du deinem besten Freund, deiner besten Freundin, deinen Kindern in dieser Situation sagen? Warum sollte das nicht auch bei dir wirken?