Wenn der Rasenmäher raucht und der Vermieter drei Mal klingelt
Vor ein paar Nächten wachte ich mitten in der Nacht schweißgebadet auf. Ich hatte geträumt, der Vermieter hätte uns gekündigt; wir stünden auf der Straße, mit den vielen Sachen aus Deutschland, die immer noch originalverpackt in der Garage stehen.
Zwei Tage später ruft unser Vermieter an. Er möchte etwas mit uns besprechen, am liebsten in ein paar Stunden. Ich renne in den Vorgarten, um den Rasen zu mähen. „Keeping up appearances“, den Schein wahrend. Nach ein paar Runden qualmt der Motor und der Rasenmäher schlägt Funken. Der Stecker des Stromkabels ist durchgeschmort. Aber ich bin glücklich, dass es bei den Funken bleibt. Denn ein Feuer im Vorgarten kommt hier im buschfeuergeplagten Australien gar nicht gut an. Und schon gar nicht bei unserem überaus spießigen Nachbarn, der uns sowieso immer so argwöhnisch beobachtet.
Der Alptraum, der Rasenmäher – ein Zeichen? Vielleicht ein gutes Omen? So wie wenn man von weichen Zähnen träumt und das dann ein Zeichen für den bevorstehenden Reichtum ist (oder ich habe da etwas verwechselt?). Meine Frau sagt, dass sich unser Vermieter am Telefon etwas reserviert anhörte. Vielleicht ist er krank und muss deswegen verkaufen? Wir werden es bald wissen, sind angeregt aufgeregt.
Nachmittags kommt der Vermieter, fragt nach einem Bier und erzählt uns von seinen finanziellen Plänen und Renditen, die er mit seinen verschiedenen Häusern erreicht. Angeber. Als er seine Frau kennenlernte, sagten sie bei der Hochzeit nicht nur „Ja“, sondern auch „… und wir wollen gemeinsam unseren Reichtum vermehren“. Wie unanständig. Zumindest unangenehm.
Er hatte eine gute Anstellung bei der Stadt Lake Macquarie und er ist mit 55 in die Frührente. Schön für ihn. Bin ich neidisch? Irgendwie schon. Ich schaue zu meiner Frau herüber. Sie versucht das Gespräch locker flockig in Gang zu halten. Doch auch ihre Beine sind wie meine unter dem Tisch eng übereinander geschlagen. Wir fühlen uns nicht wohl auf unserer eigenen Terrasse. Vielleicht, weil wir merken, dass uns die Terrasse nicht gehört. Und wir schon bald nicht mehr hier sitzen werden.
Wir wollen jetzt wissen, warum er da ist. Und wir ahnen schon, was gleich kommt.
Unser Haus erreicht nur 4 Prozent Rendite, rechnet er vor. Und das ist nicht genug. Deswegen hat er das Haus schätzen lassen. Er kann sieben Prozent erreichen. Deswegen muss er nun handeln. Kurzum: Wir müssen raus, haben 90 Tage Zeit, um das Haus zu verlassen. Bumm. Trouble in Paradise. „Keeping up appearances“ fällt echt schwer, wenn gerade ein Déjà-vu mit einem auf der Straße sitzenden Vater samt Familie vorprescht.
Moment mal, wir suchen ja gerade recht verzweifelt ein Haus in diesem überhitzten Markt. Will er es nicht uns verkaufen? Keine Chance. Wir können ja ausziehen, abwarten, bis er es etwas hergerichtet hat und dann mitbieten. Danke. Ihm geht es um die Zahlen, um seinen ROI, nicht um Schicksale. Und es hilft auch nicht, wenn er sagt, dass es eine gute Nachricht für ihn, aber nicht so richtig für uns ist.
Und es wird auch nicht besser, wenn er es mehrmals wiederholt: „Wie gesagt, gut für mich und nicht so gut für Euch. Aber manchmal ist das auch gut. Vielleicht auch für Euch. Aber ich weiß schon, eher gut für mich als für Euch.“ Ach, hör schon auf. Gegen meine Fontanelle pressen sich dicke geschwollene Adern, durch die das Blut mit Hochdruck durchströmen. Ich habe genug gehört, habe fertig.
Doch er bleibt, redet weiter über seine Pläne. Er wird nicht viel verändern im Haus, ein paar Wände streichen, neue Böden. Das sollte reichen, um einen Rekordpreis für die Nachbarschaft zu erreichen. Ich versuche gar nicht erst zu handeln. Er wird nicht an uns verkaufen.
Wir müssen raus, die Zeit tickt. Kaufen, mieten oder auf die Straße. Alles sehr schwierig. Komische Zeiten gerade. Der Traum, der Rasenmäher. Heute Nacht schon gibt es eine neue Gelegenheit für einen süßeren Traum und der kaputte Rasenmäher ist auch schon entsorgt. Weiter, einfach weiter.