Warum Gas in Australien unnötig teuer ist

Es ist schon eine skurrile Situation: Während in Europa die Gaspreise in den Himmel schießen, weil zu wenig davon da ist, explodieren auch in Australien die Gaspreise, obwohl Australien zu den weltweit größten Gasexporter gehört und gerade riesige LNG-Transportschiffe unterwegs nach Europa sind. Und doch erwartet die australische Regierung bis Mitte des nächsten Jahres Energiekostensteigerungen von über 50 Prozent – wie kann das sein?

Gas ist hier in Hülle und Fülle vorhanden. Australien diktiert die Preise. Und Australien braucht eigentlich keine Weltmarktpreise für das eigene Gas zu zahlen. Warum ist Gas also so teuer? Das Problem ist hausgemacht und ein typisches Beispiel für den australischen Kampf West gegen Ost.

Was der Westen und der Osten Australiens mit den Gaspreisen zu tun hat

Ich dachte immer, es gibt nur ein Australien, mit der Hauptstadt in Canberra und dann eine Handvoll größerer Städte an den Küsten: Sydney, Melbourne, Brisbane, Perth, dann noch die kleineren, aber auch noch wichtigen Städte Adelaide und Darwin, weil sie die Hauptstädte von South Australia und Northern Territories sind.

Doch um die hohen Gaspreise zu verstehen, muss man eine historische Gegebenheit verstehen. Zunächst gab es in Australien nur ein Osten – auf alten Landkarten ist die rechte, also die östliche Seite mit „New South Wales“ eingezeichnet, mehr nicht. Die linke, die westliche Seite war einfach nur weiß straffiert, noch unerforscht, hatte noch nicht einmal einen Namen. Viele Jahrzehnte später wurde South Wales immer kleiner, weil die Bundesländer Victoria und South Australia im Süden und Queensland im Nordosten und die Northern Territories hinzukamen. Noch später zeigte man sich sehr kreativ und nannte die gesamte linke Hälfte Australiens „Western Australia“ (WA).

Im schrulligen Westen ticken die Uhren anders

In WA gab es sehr lange nichts anderes als Busch, Wüste, Hitze, roten Sand, Hasen, Esel, Kamele,Schlangen und Spinnen. Eigentlich ist das immer noch so. Bis die wenigen Siedler die unglaublich großen Rohstoffe unter der Erde entdeckten: Gold, Kohle, Zink, Kupfer und seit Kurzem auch sehr viel Lithium.

Die Bundeshauptstadt Perth wurde immer reicher, aber auch schrulliger. Schließlich ist es von Perth näher nach Bali als nach Sydney, das sechs Flugstunden von Sydney entfernt ist.

Es liegt aber nicht nur an der geografischen Distanz, dass es immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten zwischen WA und dem Rest Australiens gibt. Hier in unserem reichen WA leben wir so, wie wir das wollen, denken viele im Westen. Man liebt die Freiheit, eine praktizierte Autonomie (siehe die weltweit längsten Covid-Lockdowns), mit dem Selbstverständnis, dass der Reichtum Australiens eng verbunden ist mit den Rohstoffexporten in die weite Welt.

Gas für die Welt - und der Osten Australiens darf auch Weltmarktpreise zahlen

Und jetzt kommen wir endlich zum Gas: 95 Prozent des in Australien produzierten Gases wird exportiert. 2006 entschied die Regierung in Perth, dass 15 Prozent der Gasproduktion für WA reserviert sein muss. Deswegen kostet Gas in WA nur ein Fünftel des Preises im Osten des Landes.

Auch im Osten wird Gas produziert, aber fast alles davon wird zu höchsten Preisen exportiert. Es gibt zwar eine Verein­barung mit der Regierung, dass die Gasunternehmen von den Australiern nicht mehr für ihr LNG-Gas verlangen dürfen als für australische Kunden, aber das bringt natürlich gerade nichts. Und weil die Unternehmen ja keine Non-Profits sind, knöpfen sie den Australiern jetzt an der Ostküste eine Menge Geld für Gas ab. Lokales Premium-Gas für Premiumkunden.

Australien ist nicht Venezuela

Da sich die Gasunternehmen im Westen nur verpflichtet sehen, im Westen – und da gibt es nur die Einmillionenstadt Perth – günstiges Gas zu „mates raten“ abzugeben, verkaufen sie ihr restliches „domestic gas“ ebenfalls zu Halsabschneiderpreisen in den Osten. Aber halt: Da müsste doch der Staat einsteigen, oder?

In Australien haben die Bundesregierungen erstaunlicherweise ganz schön viel mitzureden. Es wird also interessant zu sehen, ob die Bundesregierungen in NSW und Queensland es schaffen, sollten sie es überhaupt wollen, ebenfalls eine Eigenversorgungsquote auszuhandeln. Die Chancen dafür stehen aber nicht gut. Die Unternehmen und die Gaslobby scheinen zu mächtig. Und da Australien (zum Glück) nicht Venezuela ist, lässt sich das politisch auch von oberster Stelle scheinbar nicht durchdrücken. Wer in WA lebt, kann sich freuen. Zumindest dort scheinen die Energiekosten stabil zu bleiben, während im Rest Australiens wie in Europa die Gaspreise in den Himmel schießen. Verrückte Welt gerade, auch in Downunder.