Zum letzten Mal über KI (Kajak-Edition)
Ich sitze gerade auf meinem Kajak auf dem Lake Macquarie. Das ist der größte Salzwassersee in Australien. Eigentlich ist das gar kein richtiger See, eher eine Lagune. Denn der Lake Macquarie ist mit dem Meer verbunden. Was hat aber jetzt meine Kajakfahrt mit künstlicher Intelligenz zu tun, wie ich es in der Überschrift verspreche?
Auf dem Kajak diktiere ich in meine Apple Watch. Ihr müsst wissen, dass ich ein großer Fan von der Spracheingabe und Transkription bin. Vor ungefähr vier Jahren habe ich ein gesamtes Buch auf einer 25 Kilometer langen Wanderung von Wangen nach Isny diktiert. Danach benötigte ich allerdings ein knappes Jahr, um den Text – eine endlos lange Wurst aus Worten – zu redigieren. Daraus ist dann ein kleines Büchlein entstanden.
Damals habe ich alle Texte mit Punkt und Komma diktiert, aber die Transkription war letztlich nicht gut genug, zu ungenau, ich musste zu viel Arbeit hereinstecken. Und so diktierte ich immer weniger. Doch das hat sich endlich geändert. Denn im Rahmen meiner Recherchen zu ChatGPT und Co. habe ich mich auch mit verschiedenen anderen Diensten und Services von OpenAI befasst. Dabei bin ich auf das Whisper gestoßen. Hier geht es um künstliche Intelligenz von Sprache, genauer gesagt um die intelligente Umwandlung von Sprache in Text. Ich war natürlich sehr interessiert, das auszuprobieren, fand aber keinen öffentlichen Service dazu – bis ich auf die Software MacWhisper stieß. Der niederländische App-Entwickler packte das öffentlich verfügbare Whisper-Sprachpaket, das momentan über dreieinhalb Gigabyte Daten aus etwa 100 Sprachen umfasst, in eine Mac App.
Das Tolle daran ist, dass ich dafür keinen Online-Service brauche. MacWhisper läuft einfach auf meinem Mac. Das heißt auch, dass die Sprachaufnahmen, die ich transkribiere, nicht an einen anderen Server geschickt werden müssen, wie das beispielsweise bei Dragon Dictate der Fall war. So, was hat das denn jetzt mit dem ursprünglichen Thema der künstlichen Intelligenz zu tun? Wie ich schon an verschiedenen Stellen geschrieben hatte, ist für mich der Einsatz von künstlicher Intelligenz nicht dazu da, um schneller etwas zu bewältigen, sondern um etwas besser zu machen. Nur darum kann es gehen.
Ich kann KI benutzen, um Impulse zu bekommen, um etwas zu recherchieren oder zu verfeinern. Klar, künstliche Intelligenz denkt genauer, exakter, weiß mehr. Na und? Meine Gedanken werden beeinflusst von meiner Erziehung und meinen Erlebnissen. Nur so kann ich die Welt einschätzen. Und das ist mein Wert, denn im Gegensatz zur künstlichen Intelligenz, die sich einfach alles zusammensucht und, das ist auch faszinierend, alles zusammensetzt und es ohne Quellenangabe als allwissendes Ergebnis präsentiert, habe ich nur einen begrenzten Wissenskegel zur Verfügung. Das muss aber kein Nachteil sein, denn nur wenn ich es in der eigenen Sprache und mit meinen eigenen Farben und Emotionen versetze, wird daraus etwas Anregendes.
Mehr Zeit und Ruhe zum Denken
Wenn ich also auf meinem Kajak sitzen und in Ruhe Texte diktiere, die ich dann später mit MacWhisper innerhalb kurzer Zeit transkribieren und weiterbearbeiten kann, dann ist das für mich ein großer Meilenstein. Denn das Ergebnis der Transkription ist nun richtig gut. Da wäre es geradezu fahrlässig, es nicht zu benutzen. In Kombination mit anderen KI-Tools entstehen dadurch bessere Texte. Hoffentlich. Jetzt muss man natürlich aufpassen, dass die Texte nicht unendlich lange werden, weil man ja jetzt die Möglichkeit hat, so schnell Texte einzusprechen. Also: „Kill your darlings“.
Gerade hört ihr, nein, ihr lest meine Stimme. So würdest Du mich auch am Küchentisch hören. Das hier sind alles meine Gehirnwendungen und darunter oder darüber steht mein Name. Natürlich könnt ihr namenlose und quellenlose, allwissende Texte veröffentlichen. Ihr könnt aber auch eure eigenen Vignetten anbieten, die voller Emotionen, Leidenschaft, Liebe, Trauer, Sorgen, Spaß und was weiß ich nicht noch sind. Also Texte, die Menschen bewegen. Alles andere ist nett, informativ, gut zu wissen, aber auch eine Zeitverschwendung. ChatGPT kann Dir eine 1-2-3-Liste ausgeben, aber ich würde noch immer die 1-2-3-Liste eines erfahrenen Menschen mit Gesicht und Geschichte folgen als einem Amalgam von Best-of Informationen.
Wundertüte ChatGPT Wie „alt“ und erfahren ist das Wissen?
Früher war mir die Autoren und deren Alter nicht so wichtig. Mir ging es immer nur um den Inhalt. Lebenserfahrung? Überbewertet. Mit 30 dachte ich, alles schon zu wissen. Jetzt, über 20 Jahre später, sehe ich das anders. Ich weiß, was ich nicht weiß. Und das ist eine Menge. Deswegen bin ich nun skeptisch, wenn mir ein Influencer Anfang 20 große Lebensweisheitstipps geben will. Vielleicht interessieren mich gerade eher Bücher von älteren (oder längst verstorbenen) Menschen. Was konnten die noch herausfinden? Meine Befürchtung ist, dass ChatGPT nur das Wissen der jungen Menschen bewertet, denn viel der älteren, erfahrenen Menschen, teilen ihre Weisheiten nicht so viel online. Ich höre lieber einem mit allen Wassern gewaschenen Fachexperten zu, der schon alles erlebt hat, Zusammenhänge versteht und jede Neuerung einschätzen kann. Modell Peter Scholl-Latour.
Das Gegenprogramm zu ChatGPT ist daher für mich: Finde die alten, die erfahrenen Menschen und arbeite weiter daran, selbst zu denken. Schräges Denken und Denkfehler gehören dazu. Meine Notizen werden weiterhin Notizen mit unfertigen Zwischenständen, mit Fragen, Zweifeln und viel Staunen enthalten. Denn das macht uns Menschen aus.
Ich saß nun etwa 25 Minuten fast regungslos auf diesem Kajak, die Strömung hat mich ziemlich weit herausgetrieben. Vor mir ist gerade ein riesiger Fisch aus dem Wasser gesprungen und unter mir segelte ein kleiner Hai (ein bull shark). Das sind Erlebnisse, die mir eine Maschine nicht bringt, die mein Leben bereichern. Und deswegen werde ich weiter menschliche Notizen schreiben und nicht mehr über ChatGPT und Künstliche Intelligenz schreiben. Na ja, mal sehen. Vielleicht doch.