Buchnotiz - Indistractible von Nir Eyal

Es gibt Bücher, die neue Themenfelder erschließen, die sich nur in kurzen Leseetappen erobern lassen, weil alles neu und zunächst unfassbar ist. Und dann gibt es Bücher, die wie freundliche Bekannte daherkommen. Diese Bücher erinnern uns daran, was wir schon immer wussten, was uns interessiert, aber auch immer wieder nach hinten schieben. Nichts blieb kleben, und deswegen müssen wir solche Bücher manchmal erneut lesen, obwohl bereits alles bekannt ist.. Ein Beispiel dafür ist “Indestructible” von Nir Eyal.

Die Kernaussage dieses Buches ist ziemlich klar: “Lass dich nicht stören und verteidige deine Ruhe, egal was kommt.” Eyal glaubt, dass es in der Zukunft nur zwei Arten von Menschen geben wird: diejenigen, die sich ablenken lassen, und diejenigen, die „unstörbar" sind.

Wir müssen dabei gar nicht über die Zukunft sprechen, denn die Zukunft ist bereits jetzt Realität. Wenn ich mich umsehe, gibt es kaum noch unstörbare Menschen. Ständig gibt es Störungen, sei es durch ein Signal vom Handy oder von jemandem, der sofort etwas von einem möchte. Selbst wenn ich mir vornehme, konzentriert zu arbeiten, tauchen immer vermeintlich wichtige Dinge dazwischen auf, wie beispielsweise eine Kaffeepause.

Ich denke, dass diese “always on”-Menschen, von denen es in meinem beruflichen Umfeld viele gibt, schon jetzt verloren sind. Sie würden dieses Buch auch nicht lesen, weil sie das Gefühl starker Konzentration oftmals nicht mehr kennen. Zerstreuung gehört einfach zu ihrem Lebensbild. Und wenn man einmal ordentlich zerstreut ist, kann man sich kaum noch an tiefe Konzentration erinnern. Für diejenigen, die es noch kennen, sich ordentlich zu konzentrieren und länger an einem Platz zu sitzen, ist dieses Buch von Bedeutung. Wie schafft man es also, unstörbar zu sein?

Eyal stellt in seinem Buch Strategien und Werkzeuge zur Verfügung. Dabei geht es fast immer darum, dass Unstörbarkeit nur mit starker Planung und konsequentem Zeitblockieren („Time-Boxing") funktionieren kann. Für ihn bedeutet Zeitmanagement gleichzeitig auch Schmerzmanagement. Denn er glaubt, dass wir die Ablenkung so mögen, weil sie uns betäubt und wir uns unseren Schmerzen und Ängsten nicht stellen müssen. Er erwähnt die hedonische Anpassung, also die Tendenz, immer auf eine gewisse Ebene der Zufriedenheit zurückzukehren, egal was uns passiert.

Wichtig ist auch, dass wir unsere Selbstzweifel mit positiven Selbstgesprächen ausräumen. Er rät, dass wir uns immer wieder positiv coachen und uns selbst sagen sollten: “Du bist auf dem Weg.” Diese Traktion bringt uns voran. Es scheint wichtig zu sein, Zeit für das Vorankommen einzuplanen. Dabei sollten wir nur kontrollieren, wie viel Zeit wir mit einer Aufgabe verbringen wollen, ohne ständig auf das Ergebnis zu schielen. Er ist überzeugt, dass wir auf diese Weise wieder mehr Vertrauen in uns selbst gewinnen können.

Ein weiterer bedeutender Punkt ist die Planung von Zeit für Freundschaften. Also rein damit in den Kalender. Überhaupt,. Immer wieder kehrt er zum Thema Kalender zurück. Nur wenn man den Kalender genau plant, kann es funktionieren. Interessant finde ich seine Bewertung von Gruppenchats, wie beispielsweise in Slack. Er sieht diese Chats als Tagesmeetings mit zusammengewürfelten Teilnehmern ohne Agenda. Daher sagt er, dass Gruppenchats wie eine Sauna sind; man sollte nicht zu viel Zeit darin verbringen.

In meiner Arbeit habe ich verschiedene Kanäle, und vor allem in Slack, mit seinen zahlreichen Kanälen und Diskussionen, wird erwartet, dass man sofort antwortet. Wir kommunizieren nicht mehr über E-Mails, sondern alles läuft über verschiedene Kanäle in Slack. Gleichzeitig organisiere ich meine Aufgaben in Asana. Nach der Lektüre von Eyal’s Buch bin ich dazu übergegangen, meine Konversationen so wenig wie möglich in Slack zu führen. Stattdessen kommentiere ich meine Aufgabenkarten und bringe dabei meine Kollegen zusammen, damit sie den richtigen Kontext für ihre Fragen haben und an der passenden Stelle zurückkommentieren können.

Welche weiteren Werkzeuge empfiehlt er? Natürlich sollte man auf dem iPhone alle unnötigen Störungen entfernen. Alles, was aufploppt und plingt, lässt sich einfach abstellen. Außerdem gibt es verschiedene andere Beispiele und Möglichkeiten, wie man sich von störenden Einflüssen abschotten und klarer sowie länger konzentriert an tiefgehenden Arbeiten arbeiten kann.

In diesem Buch habe ich nicht mehr so viel Neues gefunden, aber für mich war es ein großer Impuls, unstörbar zu werden. Vielleicht ist es einfach dieses Wort, das ich noch nie gehört habe und das möglicherweise in der deutschen Sprache noch nicht bekannt oder im Umlauf ist. Das Buch ist für alle, die noch an das tiefe Arbeiten glauben und langfristig etwas schaffen möchten. Ich kann es uneingeschränkt empfehlen.