Spracherkennung - Ich habe eine Andere (Abschiedsbrief an den alten Drachen)


Mein lieber kleiner Drache: Ich habe viel Zeit mit Dir verbracht. Sicherlich zehn Jahre oder länger. Ich habe mir sehr viel Mühe gegeben, Dich liebevoll behandelt. Ich habe Dir viel beigebracht. Aber du warst manchmal auch sehr bockig. Nicht immer hast du das gemacht, was ich von dir wollte. Oft bin ich an Dir verzweifelt und habe Dich verteufelt. Aber es gab einfach keine Alternative zu Dir.

Ich habe viel Geld in dich hinein gesteckt. Deine Eltern versprachen mir neue Versionen von dir, damit Du mir noch besser zuhörst und meinen Anweisungen folgst. Das waren einige Hundert Euros. Leere Versprechen. Du bist immer wieder abgestürzt. Doch das ist nun zu Ende.

Denn: Ich habe nun eine Andere.

Ich war schon einige Zeit auf der Suche nach einer Anderen. Denn vieles störte mich an Dir: Du warst störrisch, Ich musste Dich trainieren, aber selbst nach jahrelangem Training kannst du meinen Vornamen noch immer nicht richtig schreiben. Damit Du es weißt: Mein Vorname ist Reiner – und zwar mit “ei” und nicht mit “ai”. Du wolltest nichts davon wissen.

Deine Eltern haben mir mit Dragon Anywhere eine kleine Schwester angeboten. Aber auch die kostete einiges, ohne viel Freude zu bringen. Dragon Anywhere konnte ich nicht offline benutzen. Dabei war mir gerade diese Funktion so ans Herz gewachsen.

Ich probierte noch andere Lösungen aus: Philipps Speechlive (viel zu teuer) und Amazon Transcribe (geht nur in englischer Sprache). Ich entwickelte mit Dir, lieber Drache, eine schmerzhafte Hassliebe.

Also was nun? Den Drachen weiter füttern? Nein.

Siri von Apple hatte ich immer ausgeschlossen. Denn ich konnte nur ein paar Worte diktieren und dann wollte SIRI nicht mehr zuhören. Da ich mich daran gewohnt hatte, auch mal eine Stunde durch den Wald zu laufen und durchgehend zu diktieren, kann das nie infrage. SIRI wollte nicht die ganze Zeit in meiner Hosentasche zuhören.

Ich war verzweifelt. Ich hasste den Drachen. Und dann kamst Du mit einem großen Versprechen: Just Press Record.

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Just Press Record ist nicht besonders auffällig. Und das ist gut so. Ich mag schlichte Apps, die einfach nur das tun, was sie sollen. Ich schließe meinen Kopfhörer mit Mikro ans Handy an, klicke auf einen roten Knopf in der App und diktiere. Anders als bei SIRI kann ich auch mehrere Minuten ruhig vor mich hinlaufen und nachdenken. Denn die Transkription der Audiodatei beginnt erst, wenn ich den Stopp-Knopf gedrückt habe. Vorher wird einfach nur der Ton aufgenommen - also genau so, wie ich es bisher in meinem alten Workflow gewohnt war.

Sobald ich also auf den Stopknopf gedrückt habe, transkribiert Just Press Record los. Dazu benutzt es SIRI. Besonders schnell sind die Transkriptionen jedoch nicht: Eine 20 minütige Audiodatei braucht dann auch knapp 20 Minuten. Im Gegensatz zur bisherigen Lösung ist das nicht unbedingt langsamer: Schließlich muss ich ja die Datei zunächst erst in Dragon Dictate einlesen und dann dauert es auch eine Weile. Und: ich kann in der Zeit ja auch etwas anderes tun.

Ich benutze Just Press Record nun seit zwei Wochen täglich und für mich gibt es kaum einen Unterschied zu Dragon Dictate. Es benutzt SIRI, aber soweit ich weiß, setzt Apple mit SIRI sowieso auf Nuance-Technologie (also auch in Dragon Dictate).

Es gibt allerdings noch ein paar Verbesserungsmöglichkeiten: Ich kann beispielsweise nicht genau sehen, ob Just Press Record auch wirklich aufnimmt. Ich sehe nämlich nur eine kleine Lichwellen-Animation, aber keine tatsächlichen Tonauspegelungen. Doch gerade bei längeren Diktaten gibt es nichts schlimmeres als eine Aufnahme, die nicht aufgenommen wurde. Für meinen inneren Seelenfrieden hätte ich gerne eine Echttonpegelausgabe.

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Die Benutzeroberfläche ist unaufdringlich. Es geht einfach nur darum, schnell Texte einzusprechen.

Ich mag nicht, dass meine Stimme auf einen Server irgendwo in die USA gesendet und dort verarbeitet wird, Das ist aber bei Dragon Dictate nicht anders. Wer also die Annehmlichkeiten des Diktierens ausnutzen kann, muss das in Kauf nehmen. Auch sollten Sie aufpassen, dass die Datenmenge, die mobil zum Server geschickt wird, nicht zu hoch wird. In den Einstellungen lässt sich festlegen, ob Dikatate sofort oder nur manuell per Knopfdruck transkribiert werden sollen. Hier wäre es schön, wenn Texte automatisch transkribiert werden, wenn man sich in einem bekannten WLAN befindet.

Eine weitere Frage ist, wie lange mein iPhone im Diktatmodus durchhält. In der Regel diktiere ich pro Tag etwa eine halbe bis volle Stunde. Manchmal bin ich aber auch unterwegs auf längeren Diktatgängen. Da können dann schon mehrere Stunden Audiomaterial zusammenkommen. Ich werde berichten, ob sich die Lösung auch für längere Diktatgänge bewährt.

Der Drache war gestern! Just Press Record füllt eine wichtige Lücke in meinem Workflow. Ich kann nun überall lange und kurze Texte diktieren. Die Audiodateien und Transkripte werden auf Wunsch auch in die iCloud gelegt, so dass ich dann sofort mit meinem iPad Zugrif darauf habe. Auf diese Weise komme ich meinem Ziel näher, so wenig Zeit wie möglich am Schreibtisch vor meinem “großen Computer” Zeit zu verbringen.

Schade, lieber Drache. Mit einer anderen Update- und Upgrade-Strategie wäre ich Dir hold geblieben. Aber Du hast mich abgezockt, immer wieder. Dein Kundenservice war mies und nun sage ich nur noch “Just Press Record”. Servus - “Streich das”.