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Persönliche Notizen aus Digitalien.

Reiner Gärtner - Newcastle, Australien

Warum Gas in Australien unnötig teuer ist

Es ist schon eine skurrile Situation: Während in Europa die Gaspreise in den Himmel schießen, weil zu wenig davon da ist, explodieren auch in Australien die Gaspreise, obwohl Australien zu den weltweit größten Gasexporter gehört und gerade riesige LNG-Transportschiffe unterwegs nach Europa sind. Und doch erwartet die australische Regierung bis Mitte des nächsten Jahres Energiekostensteigerungen von über 50 Prozent – wie kann das sein?

Gas ist hier in Hülle und Fülle vorhanden. Australien diktiert die Preise. Und Australien braucht eigentlich keine Weltmarktpreise für das eigene Gas zu zahlen. Warum ist Gas also so teuer? Das Problem ist hausgemacht und ein typisches Beispiel für den australischen Kampf West gegen Ost.

Buchnotiz: 'The Art & Science of Facilitation: How to Lead Effective Collaboration with Agile Teams' von Marsha Acker

Es gibt englische Worte, die lassen sich kaum in die deutsche Sprache bringen. „Facilitation“ ist so eins. In der deutschen Sprache kommt wohl „Moderation“ am nächsten. Aber eben nicht ganz. Vielleicht stößt sich aber auch nur mein sprachlicher Geschmackssinn daran. Denn wenn ich an einen „Moderator“ denke, dann sehe ich vor meinem geistigen Auge einen Journalisten, der eine Politikerrunde zu Themen befragt und mehr oder weniger gelungene Übergänge zum neuen Thema findet. Vielleicht schneidet er Politikern mit besonders langen und nervigen Wortbeiträgen das Wort ab; oft haben Moderatoren eine eigene Meinung, die sie auch publikumswirksam kundtun.

TREO und die seltenen Erden

In einer anderen Notiz hatte ich schon über Lithium geschrieben. Davon gibt es bekanntlich viel zu wenig und die Preise ziehen an. Also ideal für die australischen Bergbauunternehmen, die „Miner“. Die Energiebranche in Australien ist ein großer Gewinner der derzeitigen Makrosituation: Rohstoffe aus Russland fallen bekanntlich aus, die USA und Europa bauen ihre Supply Chains um und niemand will mehr so komplett abhängig von China sein. Perfekt für Australien, insbesondere im Bereich der „seltenen Erden“. Bisher dominiert China den Markt der seltenen Erden, die primär für die Magnete benötigt werden, ohne die eine Elektrifizierung und der Ausbau der erneuerbaren Energien (vornehmlich Windkraft) nicht funktioniert.

Buchnotiz: 'The Human Element' von Loran Nordgren und David Schonthal

Es gibt Bücher, die man nicht einfach so von Anfang bis zum Ende liest wie einen spannenden Roman. So geht es mir mit dem Buch „The Human Element“ von Loran Nordgren und David Schonthal. Das Buch habe ich vor einem knappen Jahr schon einmal überflogen und erste Erkenntnisse daraus in einem Artikel für einen Kunden in die Praxis umgesetzt. Dann waren andere Sachen wichtiger, aber wie so oft, komme ich immer wieder zurück zu den guten, den wichtigen, essenziellen Sachen.

Hard Rock oder Sole? Hauptsache Lithium

Alle reden gerade von der Elektrifizierung, von Ab- und Unabhängigkeiten und von „Zero-Emission“. Das ist schön und gut. Aber niemand spricht darüber, dass dafür eine Menge Ressourcen abgebaut werden müssen. Im Batteriebereich sind das primär Lithium, Grafit, Kobalt, Mangan und Nickel und die seltenen Erden. Dazu kommen noch andere EV-Ressourcen, wie vor allem Kupfer.

Da ich in Australien lebe, verfolge ich die Entwicklungen aus dem „Upstream“-Blick. Wenn Australien den Weg von der Kohle und den Eisenerzen für China hin zum Hauptlieferanten von EV-Ressourcen für Unternehmen aus den USA, Europa, Japan und Südkorea schafft, dann sind die Zeiten rosig. Reden wir hier mal nicht über die ESG-Aspekte vom EV-Mining.

Jetzt nicht unterbrechen

Wie würde sich das anfühlen, wenn du einfach weiterreden könntest? Wenn du alle schon so oft hin- und hergeworfenen, komplett zerkauten Gedanken rauslässt und dann plötzlich Licht und Aufmerksamkeit für neue, spannende und weiterführende Gedanken entstünden? Einfach so, weil da jemand vor oder neben dir sitzt; dir zuhört, nichts sagt und dich nicht unterbricht.

Wie wäre das, wenn du dich darauf verlassen könntest, dass du nicht unterbrochen wirst, bis du mit deinem eigenen Denken fertig bist? Und wenn du dann keine Ratschläge, Tipps, mitfühlendes Geschwafel oder sonstige Kommentare bekommen würdest, sondern höchsten nur eine kurze Frage gestellt bekämst: „Was denkst oder fühlst du sonst noch gerade?“, ganz ohne eigene Agenda.

Buchnotiz: '4000 Weeks' von Oliver Burkeman

Vielleicht habe ich das Buch von Oliver Burkeman „4.000 Weeks“ so verschlungen, weil ich einen ähnlichen Weg gegangen bin wie er: Burkeman war früher ein Produktivitätsguru, der die ganze Zeit Listen abhakte, Workflow-Hacks ausheckte und die ganze Zeit auf die Uhr schaute, um noch mehr Zeit zu sparen, für Dinge, die ihm scheinbar wichtig waren.

Doch mit dem Alter ändern sich die Gedanken und man merkt, dass man die Zeit nicht aufhalten, nicht „sparen“ kann, sondern möglichst lange hinziehen sollte, denn schon bald kann es vorbei sein. Eines Tages kommt ein Punkt im Leben, an dem man sich mit der Endlichkeit von allem, zumindest vom eigenen Leben beschäftigt. Auch Burkeman ging es so. Und er fand dazu eine Zahl, die bewusst aufrütteln soll: 4000 Wochen.

Scotty from Marketing vs. It-won't-be-easy-with-Albanese

Hier in Australien sind am 21. Mai Parlamentswahlen. Zur Wahl stehen zwei ältere Herren: einer, den niemand mag und traut und ein anderer, den niemand kennt und der für nichts steht. Was beide vereint, ist das Vermeiden von wirklich heiklen Themen wie Klimawandel oder das gespannte politische und finanzielle Verhältnis zu China.

Der auch körperlich alles überragende Platzhirsch ist Scott Morrison von der Liberal Party (so eine Art CDU), den man gerne „Scotty from Marketing“ nennt. Sein Herausforderer ist Anthony Albanese von der Labour Party (in etwa eine SPD in den 90er-Jahren).

Was bleibt hängen?

Du lernst die ganze Zeit. Du willst alles besser machen, saugst alles auf, was du brauchen kannst. Du bist ein lebenslanger Lerner. Du schaufelst das Wissen nur so in dich hinein. Denn vielleicht morgen schon kannst du es einsetzen. Vielleicht.

Viel hilft viel. Oder nicht?

Was bleibt davon hängen, was setzt du wirklich um?

Versteckst du dich hinter deinem Lernen? Verbringst du deine kostbare Lebenszeit damit, etwas zu lernen, was du niemals anwenden wirst (und du weißt es jetzt schon)?

Buchnotiz: ‘Nachruf auf mich selbst: Die Kultur des Aufhörens‘ von Harald Welzer

Kürzlich habe ich ein Dokument gefunden, das ich vor sechs Jahren geschrieben habe: einen Nachruf auf mich selbst. Ich kann mich noch genau daran erinnern, denn ich habe den Nachruf nicht geschrieben, sondern auf einem langen Spaziergang durch das „Buch“, einer grünen Oase in Wangen, diktiert. Gestern habe ich es einem meiner Söhne vorgelesen. Er meinte, es würde zu 95 Prozent stimmen. Er wollte mir nicht genau sagen, welche fünf Prozent fehlen, aber nun gut.

Schlanker umziehen

Ich habe seit einer Weile nichts mehr berichtet. Dabei ist so viel passiert. Wir sind letzte Woche in ein anderes Haus in der Nachbarschaft umgezogen. Das neue Haus ist viel kleiner als das Haus, in dem wir vorher lebten. Und so mussten wir uns von vielen Sachen verabschieden. Aber nicht nur das. In unserer Doppelgarage warteten ja noch die vielen Kisten und Pakete aus unserem Haus in Deutschland. Wir haben viel Zeit damit verbracht, um die Sachen von zwei Haushalten miteinander zu verbinden und dann den Materialbestand um ein Drittel zu reduzieren. Marie Kondo hat uns streng über die Schultern geschaut und uns immer wieder auf die Hand geklopft, wenn wir zauderten und uns der Mut zum Weggeben und Wegwerfen verließ.

Meine Lehren auf dem Weg zur nächsten Scrum-Meisterschaft

In den letzten Monaten durfte ich ein lokales Startup als Scrum Master begleiten. Der CEO wollte sein Unternehmen (nur er, seine Tochter, ein weiterer Mitarbeiter und ein paar studentische Aushilfskräfte) agiler ausrichten.

Aber was bedeutet schon „agil“? In einem ersten Video-Call führte ich ihn von der alten, starren Welt, in der stoisch Pläne abgearbeitet und Deadlines eingehalten werden, um dann am Ende zu spät, zu teuer und ein Produkt am Kunden vorbei ensteht, hin in eine agile Welt, in der etwas produziert wird, was die Stakeholder wirklich brauchen und was auch Wert hat. Das hat dann natürlich große Konsequenzen auf die Zusammenarbeit und auch auf die Priorisierung der Arbeit.

Wenn der Rasenmäher raucht und der Vermieter drei Mal klingelt

Vor ein paar Nächten wachte ich mitten in der Nacht schweißgebadet auf. Ich hatte geträumt, der Vermieter hätte uns gekündigt; wir stünden auf der Straße, mit den vielen Sachen aus Deutschland, die immer noch originalverpackt in der Garage stehen.

Zwei Tage später ruft unser Vermieter an. Er möchte etwas mit uns besprechen, am liebsten in ein paar Stunden. Ich renne in den Vorgarten, um den Rasen zu mähen. „Keeping up appearances“, den Schein wahrend. Nach ein paar Runden qualmt der Motor und der Rasenmäher schlägt Funken. Der Stecker des Stromkabels ist durchgeschmort. Aber ich bin glücklich, dass es bei den Funken bleibt. Denn ein Feuer im Vorgarten kommt hier im buschfeuergeplagten Australien gar nicht gut an. Und schon gar nicht bei unserem überaus spießigen Nachbarn, der uns sowieso immer so argwöhnisch beobachtet.

Warten, denken, fasten

Momentan lese ich mich gerade eifrig durch die Gutenberg-Sammlung. Zufällig stieß ich auf „Siddhartha” von Hermann Hesse. Das Buch hatte ich vor einigen Jahrzehnten gelesen und obwohl Hesse ja gerne von jungen Menschen gelesen wird, lohnt sich das Nochmallesen.

Aber eigentlich wollte ich hier nicht über Hermann Hesse oder Stefan Zweig (durch dessen Kanon auf Gutenberg ich mich gerade ebenfalls durchlese, ein Genuss), sondern über Krypto. Und die Verbindung liegt ausgerechnet bei Siddhartha, der in seinen mittleren Jahren anheuert, nicht besonders viel kann, aber mit seinem Mantra „Ich kann denken, warten und fasten“ überaus erfolgreich ist.

Vom Agilsen, Nutz- und Wertlosen (als Verb)

In einer anderen Notiz hatte ich schon erklärt, warum „agil“ nicht immer „flexibel“ ist. Und, machen wir uns doch nichts vor, oft versteckt sich im Spielerischen der agilen Methoden viel Druck und Stress. Denn es geht ja letzlich immer um die Maximierung des Wertes für die Stakeholder, also für die Käufer, Nutzer, Investoren und Sponsoren. Wenn kein nachvollziehbarer Nutzen und messbarer Wert erkennbar ist, ist es schnell vorbei mit dem agilen Experiment. Auch kann das agile Arbeitsleben ganz schön stressig sein, denn es gibt keine Atempause zwischen den Sprints. Dieses „Agilsen“, ich führe das mal als Verb ein, verspricht kurzfristig eine neue Art des Arbeitens, bei der sich alle nach dem tatsächlichen Ergebnis und der Wertschöpfung orientieren (also in der Theorie nur das bearbeiten, was wirklichen Wert und damit Fortschritt bringt). Wer nicht auf den Wert achtet, produziert nur Innovationen, die momentan noch recht nutzlos sind, aber für die Zukunft wie ein indischer Wahrsager viel Wert versprechen. Anderes Thema.

Im Krypto-Fieber

Momentan beschäftige ich mich intensiv mit Kryptowährungen. In nächster Zeit werden daraus sicherlich einige Notizen entstehen. Denn ich finde es sehr spannend, was sich in diesem Bereich bewegt.

In meinem Leben gab es viele Gelegenheiten von den Entwicklungen auch finanziell zu profitieren, weil ich vorne dabei war. Aber ich habe mich nie getraut. 1993 wollte ich mit einem Arbeitskollegen einen Dienst aufbauen, über den man elektronische Bücher und Papierbücher lesen und bestellen können. Wir waren zu früh, wussten nicht, ob das klappt und ließen ist. Dann kam Amazon. Ich habe mir beim IPO von Google vor über 20 Jahren gedacht, dass die Aktie völlig überbewertet ist. Mal abgsehen, dass ich sowieso nie das Geld zum Spekulieren hatte und selbst wenn, als Journalist nie so etwas Anstößiges gemacht hätte. Ein Herz aus Gold, aber bettelarm.

Visa Fran Utanmyra!

Kurz vor dem Abendessen summt meine Frau ein Lied. Ein freundliches, leicht getragenes Stück; klassisch, aber irgendwie auch jazzig. Das habe ich doch schon mal gehört. Aber wo. Und wann?

Ich denke lange nach, das Essen wird kalt. Ich krame in meinem Gedächtnis, in dem Musik mit einem Ort, einem Gefühl und einer Zeit verknüpft ist. Wenn die Kombination aus Zeit, Ort und Gefühlen übereinstimmt mit der richtigen Musik, dann kann ich selbst Musik von vor 40 Jahren recht exakt mit einem Ort und einem Jahr verbinden. Aber wo kam dieses gesummte Lied her?

Bist du wieder im Fluss oder längelst du noch?

Heute habe ich ein neues englisches Wort gelernt: „languishing“. Deepl gibt dafür als Übersetzung „schmachtend“ aus. Im Zusammenhang mit der Coronazeit passt jedoch ein Vorschlag aus der zweiten Reihe besser: „dahinwelkend“. Das Wort habe ich von Adam Grant gelernt, der darüber einen sehr lesenswerten Arrtikel in der New York Times geschrieben hat.

Languishing, das langsame Mäandern im Niemandsland, ohne ein großes Ziel, zäh und dickflüssig, langsam wegschmelzend, spürt man nur, wenn man genau hinfühlt. Ansonsten arbeitet es unbemerkt im Hintergrund, frisst beharrlich Zeit und Nerven.

Denkst du noch oder fühlst du schon?

„Ich fühle, dass das hier in die falsche Richtung geht.“

„Ich fühle, dass das hier ganz toll ist.“

Fühlst du das wirklich? Oder denkst du nur, dass du es fühlst?

Als ich vor knapp 25 Jahren nach San Francisco zog, lernte ich dort etwas bis dahin recht Unbekanntes kennen: das Fühlen. Emotionen. „Express yourself“, hieß es damals. Ich war jung, fühlte mich angezogen von den Hippies im Lower Haight. Ich lernte mich zu öffnen und tauchte tief in die „touchy feely“-Sprache ein. Seitdem spreche ich mehr über das Fühlen. Das dachte ich jedenfalls die ganzen Jahre.

Buchnotiz: Dead Letters von Michael Brissenden

Seit ich in Australien lebe, lese ich vorwiegend australische Literatur. Ich will so viel wie möglich über die australische Kultur lernen. Dabei bin ich auf ein Genre gestoßen, um das ich normalerweise einen weiten Bogen mache: um Krimis, Thriller. Da ich mir aber vorgenommen habe, mehr Geschichten in mein Leben zu lassen, lese ich nun vergnügt australische Krimiautoren.

Meine Lieblingsautoren sind derzeit Gary Disher, Chris Hammer – und ab sofort auch Michael Brissenden, der mit „Dead Letters“ ein spannendes Buch geschrieben hat, das die politische Korruption in Australien aufs Korn nimmt.