Kolumnen von 1999 bis 2007

In meinen monatlichen Kolumnen für das Fachmagazin “Internet Professionell” habe ich die Geschichte des Internets live mitgeschrieben. Insgesamt sind es genau 99 Kolumnen geworden, bis der Verlag und damit das Magazin 2007 pleite gegangen sind - sicherlich nicht wegen mir.

Von 1999 bis 2002 kamen die Kolumnen aus San Francisco, dann Portland. 2002 bis 2003 aus Vancouver und die letzten Jahre aus München. Leider ist dieses Werk nicht komplett, einige Kolumnen konnte ich nicht mehr finden.

Zur Einordnung habe ich mir die Mühe gemacht in kursiv eine Orientierung zu geben. Denn nicht jeder weiß mehr, wer Netscape oder CompuServe war - eine Schande! Die Einordnungen haben ich 2015 geschrieben, aber sie sind noch ziemlich relevant.

Geschichten aus einer anderen Zeit - Enjoy!

Meine erste Kolumne für die Internet Professionell aus dem Jahr 1999 – gleich mit einer krassen Fehleinschätzung: eBay wird es nie schaffen, behauptete ich. Damals bekam man auf Wunsch die kompletten persönlichen Daten des Verkäufers per E-Mail geschickt. Das konnte ja nicht gut gehen, oder? Das hat dann wohl auch eBay gemerkt und wurde trotzdem erfolgreich. Anfang 1999 war eBay ein Startup unter vielen jungen Unternehmen und es gab Konkurrenten, deren Namen heute niemand mehr kennt.

Online-Auktionen sind angesagt, wohlwollende Propheten nicken aufmunternd mit dem Kopf, Marktforschungsuntemehmen strecken begeistert zwei Daumen in die Lüfte. Ganz besonders gefragt sind Auktionen, bei denen nicht nur Unternehmen, sondern auch Privatpersonen Waren zur Versteigerung anbieten dürfen. Immerhin lässt sich so ohne großen Werbe- und Publishingaufwand weltweit Ecommerce betreiben.

Dementsprechend glänzend geht es dem Investorenliebling eBay: Pro Tag werden etwa 1,2 Millionen Auktionen geschaltet, 70.000 kommen täglich hinzu. Nirgendwo findet man so viel Plunder, Nippesfiguren, altbackene Software und verranzte Computer zu Schleuderpreisen. Doch verbreitet sich in den Online-Auktionshäusern zunehmend ein unangenehmer Duft von Fisch, Waffenpulver und verschwitzten Kistenschiebern: Nirgendwo findet man gesammelt so viele harte Pornos, illegale Waffen und Raubkopien. Zur Auswahl stehen allein bei eBay etwa 7.000 in den USA indizierte Videos, Bücher, Magazine und Erwachsenenspielzeuge, viele davon mit einer netten Farbabbildung.

Ziemlich blauäugig und völlig überfordert verweisen die eBay-Auktionäre auf das ,„Prinzip Vertrauen“; ganz in der Hoffnung, dass sich Streitigkeiten wie von selbst in Luft auflösen. Sogar innerhalb der einstmalig verschworenen eBay-Community gibt es nun zunehmend Unstimmigkeiten: Die versprochene BeanyBaby-Spezialkollektion stellt sich als lahme Plastikente heraus, die versprochenen Kondome aus Schweinehaut halten nichts aus; Käufer wiederum verweigern die fällige Zahlung für ersteigerte Micky-Mouse-Türschilder. Es fehlt eben doch der warme Augenkontakt, das Grummeln im Bauch, die fiesen Zähne des Verkäufers oder die lustigen Lachfalten, die uns beim OfflineBasar zum Kauf oder Abwinken animiert hätten.

Da eBay nicht für die Leichtgläubigkeit und Meinungsverschiedenheiten seiner Auktionare haften will, sollen alle Mitglieder so viel wie möglich voneinander wissen: Alle Mitglieder müssen bei der Registrierung erst einmal die Hosen herunter lassen, das heißt die vollständige Adresse und ein umfangreiches Profil eingeben und bei Benutzung einer anonymen Web-Email wie Hotmail oder Yahoo auch gleich gültige Kreditkarterinformationen beifügen.

Gut gemeint, dennoch das Gegenteil von “Gut”: Um herauszufinden, mit wem man es bei den Versteigerungen zu tun hat, kann man per Email persönliche Daten des Verkäufers anfordern. Darin enthalten ist dann neben der Emailadresse auch der Wohnort und die Telefonnummer – eine Goldgrube für Adressenhaie! Um die so Ausspionierten zu schützen, bekommen diese ebenfalls eine Email mit den persönlichen Daten der Bittsteller. Sich gegen derartige Adressenverteilung zu wehren ist unmöglich.

Trotz aktueller Sicherheitsverschärfungen Mitte Januar lässt sich noch immer ein Fake-Account mit falscher Adresse und Telefonnummer installieren. Warum sollen das andere nicht auch können? Wenn eBay schon keine Haftung übernehmen will, was versteigert wird, warum sammelt das Unternehmen dann fleißig Kreditkarteninformationen? Das erscheint mir alles recht scheinheilig. Stellen Sie sich vor, der Türsteher einer Münchner Kneipe würde zunächst Ihre Kreditkartennummer notieren, wenn er ihr Gesicht nicht kennt. Wahrscheinlich lässt er sie trotzdem nicht herein.

Gewinner in Zeiten zunehmender Unsicherheit sind die sogenannten Escrow-Untemehmen, die nun überall aus dem Boden schiessen. Escrow-Services wie zum Beispiel iEscrow, TradeDirect oder TradeSafe verstehen sich als Anlaufstelle für Käufer und Verkäufer. Der Idealfall: Per Kreditkarte zahlt der Käufer die vereinbarte Summe, der Verkäufer wird daraufhin vom Escrow-Service benachrichtigt und schickt die Ware an den Käufer.

Erst wenn der ersteigerte Artikel beim Käufer wie vereinbart angekommen ist, bekommt der Verkäufer sein Geld vom Escrow-Service. Etwa 20.000 Kunden benutzen allein iEscrow, jeden Monat kommt die doppelte Anzahl hinzu. Natürlich kostet dieser Service den Käufer etwas, in der Regel 5 Dollar Mindestgebühr oder etwa fünf bis acht Prozent der vereinbarten Gesamtsumme. Sehr hilfreich ist die im Service enthaltene Kreditkartenabwicklung. Damit sind auch deutsche Auktionäre auf der sicheren Seite, können Schwarzwald-Kuckucksuhren zur Versteigerung anbieten und per Kreditkarte zahlen lassen. Amerikaner und Japaner zahlen dafür ja bekanntlich Höchstsummen!

In meinen Kolumnen bewege ich mich immer weiter in eine Beobachterrolle. Zu verrückt sind die Ideen, die ich täglich aufsauge. In diesem Stück präsentiere ich Geschäftsideen, die eigentlich als Parodie gelesen werden sollen, aber ein paar davon wären doch spannend umzusetzen, oder?

Verlieren Sie bloß nicht Ihren Glauben an absurden Internet-Geschäftsideen – das Medium bietet viel Platz für Querdenker, die das Undenkbare in die Tat umsetzen. Schließen Sie Ihre Augen und kaspern Sie sich einen E-Mailtext aus. Der wird dann über ein kleines Hörgerät direkt von Ihrem Gehirn ins Netz gesendet. Unmöglich? Vielleicht. Das Startup-Unternehmen Tidalwave (www.thinkyourmail.com) in San Francisco arbeitet bereits an einem solchen Gerät. Wirklich! Was kommt sonst noch auf uns zu? Wir haben mit einer kleinen Miniaturkamera in einer Nacht- und Nebelaktion ein paar Geschäftsvorschläge von noch unbekannten E-Commerce-Startups abfotografieren können. Die Unternehmen sind noch so geheim, alle URLs führen ins Leere ;-):

  • www.findemich.com: “Findemich.com revolutioniert die E-Commerce-Branche: Statt online nach einem Gegenstand zu suchen oder diesen zu ersteigern, finden die Gegenstände Sie! Das funktioniert ganz einfach: Angenommen, Sie haben für den einzelnen blauen Strumpf keine Verwendung mehr – irgendwo auf der Welt wird genau so einer gesucht! Schicken Sie unseren neuartigen Java-Shoppingagenten los, der für Sie innerhalb weniger Sekunden den idealen Kaufpartner findet. Wir haben die weltweit größte Datenbank. Unsere Trefferquote ist so hoch, daß der Käufer gar nicht erst gefragt werden muß, er bekommt den Gegenstand sofort zugeschickt. Abgerechnet wird automatisch per Kreditkarte, der Kaufpreis wird aus einer Formel ermittelt, die sämtliche Parameter wie Alter, Gebrauchs-, Liebhaberwert und aktuelle Kontostände einbezieht.”

  • www.babe-magnets.com: “Singles, wer braucht noch Freunde zum Verkuppeln? Kommen Sie endlich auf den Hund! Vergessen Sie Cyberchats, gehen Sie nach draußen! Hunde sind von Natur aus ideale Verkuppler und Eisbrecher, ziehen sowohl Frauen als auch Männer magisch an – eben “Babe-Magnets!”. Unser ausgereiftes Internet-Matchmakingsystem findet den Hund, der für Sie Ihre Traumfrau oder Traummann im Park ausschnüffelt. Beantworten Sie online Ihre Vorlieben und beschreiben Sie Ihren Traumpartner. Alle Hunde sind mit GPS-Empfänger ausgestattet. Geben Sie lediglich Ihre Postleitzahl ein und schon finden wir für Sie die geeigneten Parks in der Nähe. Nicht überall ist man mit einem Schäferhund willkommen. (Für potentielle Investoren —Wir sehen drei Einnahmequellen: Mitgliedsgebühren der Singles, Gassigebühren der Hundebesitzer, Werbebanner von verschiedenen Hundefuttermarken).”

  • www.kartonshier.de: “Nerven Sie auch die vielen Kartons? Wohin damit? ‘Kartonshier’ arbeitet mit allen großen Versandunternehmen wie der Post, UPS und FedEx zusammen, wir überwachen sämtliche Lieferungen. Haben sich zuviele Kartons angesammelt, schicken wir Ihnen automatisch eine große Kiste, in die alle anderen Kisten reinpassen. Ist alles verstaut, schicken Sie uns eine E-Mail. Unser zertifizierter ‘Kartonhier’-Experte transportiert den Karton in Ihren Garten und vernichtet den lästigen Ballast diskret mit einem Flammenwerfer. Für Recycling-Freunde nimmt unser Mitarbeiter die Kiste mit und verbrennt sie auf igendeinem Feld in Südfrankreich. Zahlen Sie keine Zusatzgebühr!”

  • www.beschwerde.org: “Ärger beim TÜV gehabt? Ihr Chef hat miese Laune? Sie fühlen sich vom Finanzamt betrogen? Beschweren Sie sich! Wir haben uns darauf spezialisiert, für Sie Beschwerden wirkungsvoll auszuführen – online und offline! Surfen Sie unsere Seite an, geben Sie an, bei wem wir uns für Sie beschweren sollen. Wählen Sie interaktiv Ihre Beschwerdevertreter. Zur Auswahl stehen hartnäckige Zeitungsdrücker, penetrante Oberstufenlehrer, schmierige Anzeigenverkäufer oder erfahrene Schlägertrupps aus vier verschiedenen deutschen Großstädten. Beschwerden werden wirkungsvoll ausgeführt. Wir halten Sie per SMS-Mail immer auf dem Laufenden. Der Auftrag ist erst beendet, wenn Sie die Entschuldigung per E-Mail mit Signatur bekommen. Gleichzeitig werden sämtliche Beschwerden über schwierige Personen in Unternehmen und Behörden auf unserem Web-Server gesammelt. Wer drei Beschwerden kassiert, muß mit einer E-Mailbombe rechnen. Unser Motto: Freundlichkeit muß sich wieder lohnen!”

  • www.e-duscho.com: “Vermissen Sie deutschen Kaffee in Ihrem Urlaubsort? Wir sind der erste Online-Kaffee-Bringdienst – wir liefern weltweit, egal wohin. Geben Sie einfach online ein, wohin geliefert werden soll. FedEx hat mit uns zusammen den patentierten Schaumstoff-Umschlag erfunden, der zuverlässig das Aroma und die Temperatur hält. Wir sind so von unserem System überzeugt, daß wir Ihnen eine 24-Stunden-Zustellungsgarantie geben. Für unser Angebot brauchen Sie nur einen Java kompatiblen Browser.”

Dann kam der Wachmann und schlug mir die Kamera aus der Hand. Ich konnte mir gerade noch den Startup-Namen “e-Goldesel.com” merken.

Kleine weiße Mäuse locken den fetten Kater mit Leichtigkeit von der Fensterbank. Wer glaubt, die Amazons, CD NOWs oder Yahoos sind das Ende der Fahnenstange im E-Commerce, wird sich in der nächsten Zeit noch umgucken. In der Phase 2 werden Unternehmen Erfolge feiern, die nicht nur “bekannte” Konzepte auf dem neue Medium umsetzen, sondern völlig neue Konzepte für das interaktive Medium zuschneiden. Nischen gibt es genug, hoffentlich noch mehr Querköpfe.

Immer noch aktuell: Wie gehe ich mit dem Online-Medium um? Da gab es doch mal so ein Manifest. Ja, Cluetrain! Kennen Sie nicht? Vieles davon ist heute noch erschreckend relevant

Nach all den Fanfaren, Lobgesängen und Goldklimpern war es längst überfällig, daß die sonst so erfolgsverwöhnten Unternehmen im Web mal gehörig eins auf die Nase bekommen und auf den Boden der Realität zurückgeholt werden. Ende März publizierten vier anerkannte Silicon Valley-Experten unter www.cluetrain.com einen virtuellen blauen Brief, der in 95 Thesen auflistet, warum die Unternehmen im Web das Klassenziel mit fliegenden Fahnen verpasst haben.

Die Botschaft des Manifests: “Unternehmen, wenn Ihr mit dem Netz — also mit uns — Geschäfte machen wollt, dann solltet Ihr uns auch gefälligst ernst nehmen. Sonst fressen wir Euch lebendig”. Recht so. Denn hinter der “Zielgruppe”, dem “riesigen Marktpotential”, steht keine gesichtslose Masse, sondern Benutzer aus Fleisch und Blut — und die wollen keine dumpfen Markting-Phrasen um die Ohren geschleudert, keinen lustlosen Kundendienst geboten, sondern ehrliche Informationen bekommen.

“Öffentlichkeitsarbeit” bedeutet scheinbar noch immer, daß Journalisten-Emails mit besonderer Priorität beantwortet werden, die Email des “kleinen Kunden” auch mal verschlabbert oder erst in ein paar Wochen beantwortet werden können. Oftmals kommt dann nur eine lieblos heruntergerotzte Standard-Email vom Kundendienst. Sind sich die Unternehmen eigentlich bewusst, dass sie es hier nicht mit fiktiven Emailabsendern, sondern lebenden Individuen zu tun haben? Vorsicht: Im Gegensatz zu den Offlinemedien sind die neuen Internetmärkte — also wir — miteinander vernetzt und ziemlich transparent.

Im Web spricht sich sehr schnell herum, welche Unternehmen einen guten Service anbieten und wer seine Kunden mit Füßen treten. Nichts läßt sich vertuschen. Erst von der negativen Presse aufgeweckte Unternehmen beobachten mit Besorgnis und leicht paranoiden Anfällen, dass im Web auf einmal von der PR-Abteilung unauthorisierte Geschichten über die Erfahrungen mit Produkten und Dienstleistungen für jedermann zugänglich sind. Viele Unternehmen sind dann auch noch beleidigt und ziehen sich in ihren Elfenbeinturm zurück.

Wenn die Unternehmen nicht zuhören, sondern lieber selber sprechen wollen, dann sucht man sich eben woanders Hilfe – und kommt auch nicht mehr wieder. Erlebnisberichte und Ratschläge von “Leidensgenossen” stehen deswegen hoch im Kurs – die meistens recht einseitigen Informationsbroschüren auf den Webseiten der Unternehmen tragen immer weniger zum Entscheidungsprozess bei. Wo ist der viel gepriesene “Mehrwertnutzen”? Vielmehr ändert sich das Kaufverhalten im Web: User fragen zunehmend nach Rat. Nicht das Unternehmen, den Nachbarn oder den Frisör, sondern Gleichgesinnte in der Onlinegemeinde, vor allem im Usenet oder in spezifischen Communities.

Es wird sowieso immer schwieriger, loyale Kunden zu gewinnen. Gab es in den letzten Jahren kaum Auswahl, knubbelt sich nun die Konkurrenz. Wer sich über den Preis von den Konkurrenten unterscheiden will, startet einen möglicherweise selbstzerstörerischen Preiskrieg. In Zeiten von Preisvergleichsmaschinen ist das kaum die richtige Strategie. Um Kunden zu halten, pflanzen Unternehmen daher künstliche Communities auf die Website und hoffen auf eine “starke Gemeinschaft”. Deren Erfolg steht in den Sternen: Bei Amazon.com sind anscheinend fast nur “Jubler” unterwegs, die jedes Buch mit vier oder fünf Sternen bewerten und alles hoch in den Himmel loben.

Klar, Amazon will natürlich keine Zitronen verkaufen. Werden wir Websurfer schon wieder für dumm verkauft? Am liebsten würden die Unternehmen alle Communities eingemeinden. So hätte man auch eine bessere Kontrolle. Doch umgekehrt wird erst ein Schuh daraus: Unternehmen sollten eher zu organisch gewachsenen Communities gehören, nicht umgekehrt.

“Hört auf, Eure besten Leute hinter der Firewall zu verstecken, wir wollen mit Leuten reden, die unsere Sprache sprechen,” fordert Cluetrain. Werden die Unternehmen es schaffen, eine “offene, menschliche Kommunikation” mit den Usern einzugehen? Ich glaube, die Unternehmen haben keine andere Wahl. Nur wer seinen Kunden auch zuhört und sich selbst nicht zu ernst nimmt, kann optimale Angebote bauen. Dagegen spricht die Angst der Unternehmen, die Konkurrenz könne die tolle Geschäftsidee ausspionieren und kopieren. Keine Sorge, das macht sie sowieso.

Währenddessen bekommen die noch staunenden Websurfer ein Gefühl dafür, wer hier eigentlich wen braucht. Aus dem “Oh, das geht ja auch!” wird sehr schnell “Ich will optimale Betreuung von Euch, sonst gehe ich zu x, y, oder z.”. Seien Sie sich Ihrer Machtposition bewusst: Kaufen Sie im Web nur dort ein, wo Sie sich vernünftig und fair angesprochen fühlen, ignorieren Sie den Rest. Vielleicht klappts ja diesmal: “Let’s make this world a better place”.

Wer im Internet das große Geschäft machen will, rasiert sich besser und zieht einen guten Anzug an. Denn die Geschäftswelt übernimmt das Internet, die Visionäre von gestern spielen lieber Golf. Networking ist ein Muss. In meiner Kolumne geht es um die Zeit mitten in der Blase und die Auswirkungen. Reich wurden viele, aber sehr viel mehr Leute in San Francisco blieben bettelarm.

”Du brauchst einen vernünftigen Anzug, farbige Visitenkarten, ein gewinnendes Lächeln, und ein ansprechendes ”Hair-Do” – schneide endlich das Vogelnest aus Deinen Haaren!”. Ach, hätte ich doch bloß nicht auf die Ratschläge von Jason gehört. Dann wäre ich jetzt nicht in dem Schlamassel.

Jason nennt sich ”Networker”. Von IP6 hat er noch nie was gehört. Braucht er auch gar nicht. Denn seine kleine Welt wird erst abends mit künstlichem Licht beleuchtet. Offline. In Kneipen, Clubs, in von Unternehmen und Organisationen angemieteten Internet-Cafes, bei Macromedia im Erdgeschoß. “Networking-Parties” sind sein Revier. Hier in San Francisco und im SiliValley gibt es jeden Abend gleich mehrere dieser Parties, wo sich die “YUMPS” (Young Urban Multimedia Professionals) und “Netniks” treffen, um Visitenkarten, Gerüchte und auch Jobs auszutauschen.

Jason ist fast jeden Abend auf der Piste. Er gehört zu den unwiderstehlichen Eisbrechern. Niemand ist vor ihm sicher. ”Hey, wie geht’s, was machst Du?”. Ein präziser Blick auf den Sticker mit Namen und Unternehmen entscheidet, ob das Gespräch länger dauert oder ob er sich umdreht. “Hey!”. “Typen in Hawaiihemden haben schon verloren,” meint er. Jetzt fällt es mir auch auf: Alle geben sich plötzlich auffallend seriös.

Noch vor zwei Jahren traf man auf den Parties viel mehr Freaks und Geeks, in Jeans, Polohemden, einfache T-Shirtträger. Die scheinen sich nicht mehr rauszutrauen, absolvieren den Erste-Hilfe-Kurs im Marketing für das anstehende “e-Business-Erdbeben”. Berechnende Geschäftsleute übernehmen zusehends, kein Platz mehr für Erfinder mit spielerischen Kinderaugen und erfrischend naivem Pioniergeist.

Heute redet nur noch jeder vom nächsten IPO, dem gewinnbringenden Börsengang, der schnellen Kasse. Täuschen, tarnen und verschwinden: ”Wer länger als ein Jahr bei einem Unternehmen bleibt, muss dafür beim nächsten Job-Interview schon gute Gründe vorbringen,” trällert Jody, die flotte Web-Produktmanagerin von Macromedia. Ich treffe Tim, der mir partout nicht verraten will, was sein Startup iTixs.com macht. Niemand weiß es, die Jungs sind sehr geheimnisvoll. Deren Website ist zum Totlachen. Bei den Venture Capitalisten kommt sowas anscheinend an: iTixs hat bereits 3 Millionen Dollar eingesammelt.

Genervt von den Heimlichkeiten schleiche ich zur Toilette, reiße mein Namensschild ab, drehe es um und schreibe ”The-Next-Big-Thing.com” drauf. Drehen wir den Spieß doch einfach mal um, denke ich mir trotzig. Jason schaut verwundert. Ich schlage mich tapfer, erzähle von der ”globalen e-Revolution”, der heißen ”E-Commerce-Initiative”, gegen die eBay und Yahoo wie zwei schwergewichtige Sumo-Ringer auf Schildkröten aussehen werden.

Der zunehmende Alkoholpegel der Zuhörer berauscht auch mich, ich schwinge mich zu neuen Höhen auf, fordere die 6 Meter: ”Wir suchen uns die Venture Capitalisten selber aus, tragt Euch hier auf der Liste ein. Kugelschreiber? Dürft Ihr behalten”. Jason zupft energisch an meinem Ärmel, schiebt mich wie ein Schneepflug nach draußen. Hysterisch schreie ich ihn an: ”Lass mich los, wir machen das große Geschäft!”

Der Wind pfeift uns eiskalt um die Ohren. Jason schaut nachdenklich zu mir herüber und fragt: ”Was wirst Du den VCs morgen erzählen?”. An der Bushaltestelle sitzt eine zu leicht bekleidete, ältere Frau und weint erbärmlich. Ein Mann im verranzten Wintermantel baut sich ein Nest in einem Einkaufswagen.. Ich schüttele den Kopf, werfe die gesammelten Visitenkarten und Broschüren in den Mülleimer und denke: Das nächste große Ding ist der Sommer.

Deep Linking ist auch kein neues Thema. In dieser Kolumne aus dem Jahr 1999 berichte ich darüber.

Kennen Sie ”Buzzwort-Bullshit-Bingo”? Auf einen Zettel schreibt man 15 oder mehr Internet-Buzzwörter – na, Sie wissen schon: Synergien, Revenue Sharing, Bandbreitenoptimierung, Quality of Service und so weiter. Damit es Spaß macht, braucht man mindestens drei Leute, eine langweilige Konferenz und eine staubtrockene, angespannte Atmosphäre. Sie werden erstaunt sein wie konzentriert Sie zuhören. Schließlich gilt es ja, möglichst schnell alle Worte abzustreichen. Wer es als erster schafft, springt auf den Tisch, reißt die Arme in die Luft und schreit frenetisch ”Bullshit!”. Soweit die Regeln.

Ein Wort sollte auf Ihrer kleinen Bingo-Liste auf keinen Fall fehlen: ”deep linking”, also das ”tiefe Verknüpfen”. Wo wären wir im Web, wenn wir nicht Inhalte und Angebote miteinander verknüpfen würden? Wahrscheinlich schon längst durchgefallen. Früher wurde das fleißige Verknüpfen auch von jedem als Segen empfunden: Es ging um Verkehr, um Klicks, da war es doch prima, daß ein Inhaltsanbieter dem anderen Kunden per Hyperlink zuschusterte. Yahoo oder andere Portale machen ja auch nichts anderes als Surfer weiterzuleiten.

Unter ”deep linking” wird die Verknüpfung mit einer anderen Webpage verstanden, die eben nicht die Homepage, sondern irgendwo in einer tieferen Verzeichnisstruktur gespeichert ist. Was für die Surfer Servicecharakter hat, schmeckt den Unternehmen überhaupt nicht. Schließlich versuchen viele Umsätze aus Werbeeinnahmen zu generieren. Werbetreibenden zahlen halt mehr, wenn der Klick auf das Banner von der Homepage kommt. Das basiert auf einem altmodischen, klassischen Konzept, ist aber halt nun mal so.

Schon Ende 1997 platzte dem Startup Ticketmaster.com der Kragen als der Microsoft-Städteführer ”Sidewalk” Benutzer ganz frech an Ticketmaster weiter leitetete. Dass Ticketmaster auf diese Art mehr Tickets verkaufte, stand aussen vor. Über die Art und Weise mokierten sich die Sensibelchen: Wer sich bei Sidewalk beispielsweise nach Opernterminen in San Francisco erkundigte, wurde automatisch mit der entsprechende Ticketmaster-Seite verbunden, um dort das Ticket online zu bestellen. Mit Microsoft einigte man sich noch aussergerichtlich, doch vor knapp zwei Monaten zettelte Ticketmaster eine weitere Rauferei an, die möglicherweise zur Massenkeilerei ausartet. Diesmal wurde der Konkurrent Tickets.com angezeigt, weil dieser ebenfalls auf Inhalte von Ticketmaster verweisen würde – klarer Fall von deep linking.

In einem Statement Mitte Oktober erklärt Ticketmaster, dass sie nichts gegen tiefe Verknüpfungen mit Partnern oder Portalen hätten, es aber direkten Konkurrenten bitteschön nicht gestattet werden dürfe, systematisch zielgenau zu verknüpfen. Schließlich hätte das Unternehmen ja schon seit 20 Jahren die wichtigen Kontakte mit den jeweiligen Veranstaltern gepflegt und solche Machenschaften würden das Geschäft schädigen. Auch das sogenannte “Spidering” – na, schon Bingo? – wäre eine ganz große Frechheit, motzt Ticketmaster. Demnach würde Tickets.com automatisierte Suchrobots vorbei schicken, die das Angebot nach neuen Inhalten abgrasen. So gemein. Ticketmaster scheint sich anscheinend nicht zu freuen, erstens mehr Traffic und zweitens mehr Umsatz durch den Ticketverkauf einzufahren. Kann sich ein Unternehmen so was leisten?

Wie auch immer diese Streitigkeiten ausgehen, sind sie doch nur ein weiteres Zeichen der veränderten Stimmung im Web. Es geht nur um wirtschaftliche Interessen, sogar solide “Win-Win-Situationen” werden plötzlich in Frage gestellt und ausgehebelt. Die Verlierer dabei sind wieder mal Surfer, die von “deep linking” profitieren. Es gibt allerdings auch einen besseren Weg, den zum Beispiel Amazon.com eingeschlagen hat: Wer per ”fair linking” zu Amazon Umsätze durch Buch- oder CD-Verkauf generiert, bekommt wenigstens Provision – also eine Art “Bonus-Linking”. Na, springen Sie schon auf…

Die Geschichte der Portale wendet sich dem Ende zu. Im Web gibt es einfach zu viele Inhalte, um diese zu katalogisieren. Diese Kolumne beschreibt erste Anzeichen des Untergangs der Portale. Interessant sind die Zahlen der Suchmaschinenbetreiber. Spitzenreiter: Northern Light. Was, nie gehört? Aber hier erwähne ich Google zum ersten Mal am Rande.

An den Portalen klebt die Seuche. Die Suchmaschinen sind angeschlagen, finden zu viel, doch das ist paradoxerweise viel zu wenig. Helfen Herzschrittmacher im Kampf gegen Windmühlen?
Selig sind die, die nicht wissen, wonach sie suchen. Denn dann ist egal, was man findet. Wann haben Sie zuletzt tatsächlich genau das gefunden, wonach Sie suchten? Echte Spürnasen müssen Meister im Verdrängen sein. Nur wer mental ausschließen kann, etwas verpasst zu haben, beendet die Recherche ‘erfolgreich’.

Wer glaubt, alles im Netz finden zu können; es wäre nur eine Frage der Zeit und der Telefonkosten, bis man auf das ‘Goldene Ei’ stieße, ist auf dem Holzweg. Eine Anfang Juli vom NEC Research Lab (www.wwwmetrix.com) veröffentlichte Studie fand heraus, daß alle im Web verfügbaren Suchmaschinen nur etwa 42 Prozent der circa 800 Millionen Webseiten indizieren.

16 Prozent davon indiziert Northern Light, der Spitzenreiter der Untersuchungen. Weit abgeschlagen landeten Excite und Lycos mit 5,6 und 2,5 Prozent auf den billigen Plätzen. Schnell noch ein paar Zahlen der NEC-Studie für die Mittagspause in der Kantine: Auf 83 Prozent der Seiten finden sich kommerzielle Inhalte, 6 Prozent sind wissenschaftlicher Natur, nur 1,5 Prozent spielen pornografische Wunschkonzerte.

Auch das ist nicht verwunderlich. Wie im Offline-Leben auch wird viel mehr darüber geredet und danach gefahndet, um sich später nach erfolgloser Suche über die verfallene Sittenmoral im Netz zu echauffieren.

Sind die Suchmaschinenbesitzer wirklich überfordert; überwältigt von der schieren Masse an Daten, die täglich ins Web gekippt wird? Oder haben sie den Kampf gegen die Datenflut bewusst aufgegeben, weil schon jetzt jede Suchanfrage viel zu viele Treffer liefert und eine gründlichere und aktuellere Indizierung einfach zu teuer wäre?

Suchmaschinen haben die Portale erst populär gemacht. Doch das scheinen die Portalbesitzer inzwischen vergessen zu haben. Der Konkurrenzkampf der Portale findet an anderen Fronten statt: Wie im Beauty-Salon schmieren sich die Portale immer mehr Zusatzdienst-Schminke ins Gesicht.

Dabei bleibt vielen die Luft zum Atmen weg, erstmals konnten im Juni die Portale laut NetRatings von Nielsen keine Zuwachsraten mehr melden. Schon jetzt sehen alle Portale aus wie die Plastikfiguren im Kaufhof-Schaufenster: braun gebrannt, universell austauschbar, langweilig. Einen leichten Sex-Appeal versprüht nur noch Google, eine reine Suchmaschine der ‘alten Schule‘, gerade weil es nicht zuviel zeigt, sondern sich auf das wichtigste konzentriert: Die Suche. Zwar indiziert Google auch nur etwa 70 Millionen Webseiten, doch vermittelt die auf gegenseitige Linkzuweisungen ausgerichtete Technologie zumindest ein gutes Gefühl, die relevanten Seiten gefunden zu haben.

Momentan sind drei Trends zu erkennen: Die inzwischen klassischen Portale vernachlässigen die Suchmaschinen zu Gunsten der anderen Mehrwertdienste und bekommen nun die Quittung dafür; ambitionierte Startups wie Northern Light oder Google zwicken die Großen am kleinen Zeh, werden entweder zertrampelt oder in den Schaufensterpuppen integriert; Metasuchmaschinen wie AskJeeves (www.ask.com) und virtuelle Spürhunde für spezielle Suchmaschinen verwirren die Benutzer mehr als sie nutzen, werden aber in Zukunft unvermeidbar eine immer größere Rolle spielen. Stichwort ‘vertikale Portale‘. Bei SearchPower.com finden Sie über 1.700 Suchmaschinen. Doch wer hat Zeit, sich da noch durchzuwühlen? Frustrierend.

Die Situation ist schon sehr skurril: Wir haben so viele Daten wie noch nie zur Verfügung; meinen aber, ständig etwas zu verpassen. Wir ziehen aus den gefunden Daten immer weniger nützliche Informationen, verlieren uns dafür im sinnleeren Datengeblubber. Immerhin, schön zu wissen, daß das Web doch keine vollkommenden und allwissenden Menschen produziert.

Neue E-Dienste bringen Web-Benutzer noch näher zusammen. Allerdings nicht freiwillig, sondern für Geld. Ist das der richtige Ansatz? In dieser Kolumne bin ich skeptisch.

Kein Bild, kein Ton: Ich komme schon. Manchmal ist es besser, wenn man sich dumm stellt. Denn ansonsten muß man überall helfen, schafft aber selber nichts. Aber was macht man nicht alles für ein dankbares Lächeln der Sekretärin, die sich einfach nicht ins Internet einwählen kann? Gehören Sie auch zu den ”unauthorisierten Helden” im Büro, die ständig um Hilfe gebeten werden, obwohl es eine Technikabteilung gibt? Die ruft man meistens erst zuletzt an. Denn meistens schauen die Jungs so grimmig und verstehen keinen Spass.

Eine Studie des englischen Marktforschungsunternehmens Compass Analyses kategorisierte erst vor kurzem die verschiedenen Charaktere in Büroumgebungen: ”Unauthorisierte Helden” springen überall ein, ”Sture Return-Tastendrücker” hoffen auf Wunder, ”Telefon-Terroristen” nerven die IT-Abteilung mit unqualifizierten Wutanfällen, ”Privatdetektive” versuchen alles selbst zu lösen, ”Internalisierer” sitzen das Problem aus, versuchen damit zurecht zu kommen, bis es kracht. ”If it ain’t broken, don’t fix it” sagt man im Englischen. Meine Entwicklung vom Helden zum Internalisierer liegt an meiner Situation. Niemand kann mir helfen. Meinem Nachbar traue ich nicht. Der kommt immer mit ominösen Disketten an, schwafelt nur Blödsinn. Ferndiagnosen von Kollegen per Telefon oder per Email sind umständlich.

Da kam mir das neue Angebot von Expertcity.com gerade Recht: Das neue Startup von ehemaligen AOL-Chef Andreas von Blottnitz verspricht eine Art ”eBay für den Serviceberich” zu werden. Die Philosophie von Expertcity: In einem Eingabefenster gibt man sein technisches Problem ein, angeschlossene Experten aus Fleisch und Blut bieten um den Auftrag und geben einen kurzen Lösungsansatz. Ich beschreibe mein Soundkarten- und Modemproblem und warte. 14 Experten antworten innerhalb zwei Minuten, ich entscheide mich für Chris, der sich ziemlich sicher ist, dass er das Problem für mich lösen kann (5 Sterne). Ich lade ein Java-Applet, es öffnet sich ein Chatfenster.

Chris fragt mich, ob er meinen Computer bedienen darf. Wie bitte? Schon bewegt er meinen Mauszeiger, öffnet ein Wordpad-Dokument. Wie von Geisterhand – oder vom Teufel geritten? Er könne meinen gesamten Rechner per Internet fernsteuern, tippt er. Ich finde das gruselig. Er nicht. Es ist sein Job. Später will er damit Geld verdienen, denn noch ist der Service kostenlos, doch bald sollen geprüfte Helfer den Preis für den Fensupport selbst festlegen können. Für den Benutzer bedeutet das die Qual der Wahl: Entscheide ich mich für den günstigen Pfuscher oder den teuren Eliteschrauber? Vielleicht ist der aber ein Scharlatan? Wie bei eBay können Kunden die Hilfestellung bewerten. Wer sich so ein gewisses Renommee aufgebaut hat, ist dick im Geschäft.

Ob sich Expertcity durchsetzen kann, hängt vor allem davon ab, ob Benutzer tatsächlich Fremde an den Rechner lassen. Prima Futter für Paranoide: Was passiert, wenn der ”gute Helfer” ganz boshaft Viren enschleust, sich Passwörter notiert oder registriert, welche Software auf dem Rechner ist? Dafür sind Experten zuständig, wiegelt Expertcity die Verantwortung ab. Andererseits ist ein solches Konzept wegweisend für andere ”e-Services”: Weltweit können Experten online für Aufträge bieten. Übersetzungen, Rechtshilfen, psychiatrische und medizinische Ratschläge, Sex – schließlich gibt es ja nun vibrierende Joysticks und Mäuse: Daraus könnten neue Geschäftsmodelle entstehen. Die Gefahr dabei ist, dass sich die “Experten” im Gegensatz zu den Auktionsjunkies gegenseitig unterbieten werden. Ob Kunden tatsächlich davon profitieren, bleibt abzuwarten. Denn möglicherweise werden so viele Experten um Ihre Geldbörse buhlen, dass sie den Überblick verlieren. Und: Wer will schon die Katze im Sack kaufen?

Andererseits: Sehr viele Kunden bedeuten eine echte Konkurrenzsituation für die Experten, die alles versprechen werden, nur um den Auftrag zu bekommen. Experten mutieren dann zu Gebrauchtwagenverkäufer. Echte Profis werden dann fern bleiben. Oder Leistung lohnt sich tatsächlich und E-Services schaffen neue flexible Telearbeitsplätze? Wer weiß: Vielleicht singt schon bald jemand aus Togo per Netz ein Gutenachtlied für Sie. Kostet nur zwei Dollar.

Diese Kolumne entstand nach einem gemeinsamen Lauf durch den Golden Gate Park mit Warren, einem Freund meiner Mitbewohnerin. Er sagte “God hates cowards” – und er hat doch wirklich recht, wir sollten mutig unser Schicksal selber in die Hand nehmen. Ich muss mir den Spruch auf mein Whiteboard in meinem Büro schreiben.

Entspannt sieht er aus, mein Kumpel, der bei Netscape arbeitet. Seit Monaten hat er mal wieder Zeit, sich auf ein Bier im “Thirsty Bear” in San Francisco zu treffen. “Was haben wir früher zusammen über AOL gelacht und jetzt haben die Euch aufgekauft – Wie ist denn so die Stimmung bei Euch ?”, frage ich ihn und hoffe insgeheim, daß er mir ein dunkles Weltuntergangsbild aufmalt. Aber nein, er sagt, die Stimmung wäre gut, endlich wäre man ein “großes Unternehmen”, hätte weniger Druck und Verantwortung; außerdem seien die Netscape-Aktien nach dem Aufkauf so in die Höhe geschossen, daß sogar einige Sekretärinnen bereits über die Frührente in Florida nachdenken.

Solche Informationen machen mich immer nachdenklich und auch wenig neidisch. Immerhin ist Neid bekanntlich der deutsche Ausdruck der Anerkennung. Bei einem Startup sollte ich anheuern, meine ganze Energie dort reinstecken und nach Börsengang, der aufgrund der drängenden Investoren sehr schnell geschieht, ein Haus in den nördlichen Weinanbaugebieten Nappa oder Sonoma kaufen – wollte schon immer direkt neben den Rheingolds wohnen. Stattdessen sitze ich nachmittags meistens in meinem Stammcafe, brüte bei einem dampfenden Latte über die perfekte Geschäftsidee und frage mich, warum die Entrepreneure, die kalifornischen Speerspitzen des 21. Jahrhunderts, mit unausgegorenen Konzepten und ein paar dumpfen Marketingsprüchen zur gleichen Zeit mit einer Privatyacht und drei Blondinen im Arm in der San Francisco Bay herumdümpeln.

“Warum gibst Du nicht einfach mal Gas, statt Dich nur unproduktiv darüber auszuheulen und unwichtige Kolumnen zu schreiben”, appelliert der pioniererprobte Netscape-Mann an mein abenteuerlustiges Kämpferego. Ich bestelle eine weitere Runde Bier. Mehrere Runden später verfallen wir beide dann in einen Beat-Generation ähnlichen Freestyle-Dialog, alles fließt: Es geht um Nutzen, Nutzen, Nutzen – und Traffic, Traffic, Traffic – ja, eyeballs – Geld sparen — E-Commerce — es darf nichts kosten – schneller Börsengang muß garantiert sein – und die Verluste müssen sich auch im Rahmen halten. Mit einem Blick in sein Portemonnaie fragt der Mann von AOLscape: “Warum verschenken wir nicht gleich einfach Geld?”. Gute Idee, denke ich mir, damit kann er gleich bei der nächsten Runde anfangen.

Inzwischen hat unser Gespräch die Aufmerksamkeit unseres Tischnachbarn, einen Typen in den Mittvierzigern, angezogen. Ich frage ihn, ob er auf unsere Webseite gehen würde, wenn er für 95 Dollar Einsatz 100 Dollar bekommen würde. Klar, würde er das machen, sagt er. “Werdet Ihr dann nicht wie eine Weihnachtsgans ausgenommen?” fragt der kritische Lehrertyp. Könnte schon sein, antworte ich, aber unsere Werbekunden und Investmentpartner werden uns dafür lieben, weil so viele Leute die Webseite besuchen.

“Unique Visitors, das ist es!”, schreit plötzlich der Buzzword-gestählte Mann aus Mountain View und schaut sich ängstlich um. “Natürlich dürfen die Besucher nur einmal pro Besuch einen Hundertdollarschein abgreifen. Und vorher müssen sie sich mit einem Usernamen einloggen. Das bringt außerdem sehr loyale Kunden! Ideale Zielgruppe”. Seine Halsschlagadern schwellen an wie die Liebesorgane eines notgeilen Pitbulls.

Wir holen unsere Palmpilots aus den Jackentaschen, jeder tippt angestrengt irgendwelche Zahlen – als Mann der Worte weiß ich gar nicht so recht, was ich rechnen soll und beobachte lieber den Netscape-Strategen wie er mit heraushängender Zunge ganz angestrengt überlegt, dann selbstzufrieden grinst und mit zittriger Hand den kleinen Plastikstift auf das Display hämmert. “Wenn wir pro Tag eine Million registrierte Besucher halten, dann sacken wir einen Umsatz von 665 Millionen Dollar pro Woche ein”, sabbert er. “Das macht 2,6 Milliarden pro Monat. Der Verlust von nur fünf Prozent ist geradezu lachhaft, verglichen mit Amazons 21-prozentigem Verlust; gleichen wir locker mit dem Geld der Venture Capitalisten aus.”

“Aber ihr macht mit dem Geschäftsmodell doch immer nur Verluste, das gibt doch nie was”, mäkelt die uneingeladene Spaßbremse mit der Nickelbrille. “Darum geht es doch gar nicht, niemand macht wirklich Gewinne, jeder investiert in die Zukunft. Jeder möchte von Anfang an dabei sein. Genau deswegen steigen die Internet-Aktien doch so stark”, doziert Mr. Geschäftsidee. “Wenn unsere Rechnung aufgeht, dann sollte es unseren Werbekunden einiges Wert sein, schließlich kommen unsere Kunden immer wieder. Beyond.com verkauft ebenfalls Computer unter dem Einkaufspreis, um Besucher anzulocken”, gebe ich Feuerschutz.

Unser Tischnachbar schüttelt den Kopf, zahlt sein Bier und murmelt noch “stupid idiots”. Uns lässt das kalt. Der Typ kennt sich nicht aus, das Internet tickt anders. Da sind wir uns sicher. Auf dem Rückweg schwören wir uns beide darauf ein, nach drei Monaten das Unternehmen www.hundredbucks.com an die Börse zu bringen, 100 Milliarden Marktkapitalisierung sollte das schon bringen. “Erzähl’ niemanden etwas von der genialen Geschäftsidee”, wird mir noch aufgetragen. Ich fürchte, ich habe nun alles verdorben. Wieder einmal wird jemand die Geschäftsidee ohne Skrupel oder tiefere Gedanken durchziehen; reich und berühmt werden. God hates cowards.

Viele Unternehmen haben versucht, auf der Meta-Ebene mitzuschwingen. So auch die dritte Stimme. Nun ist sie für immer stumm.

In meiner letzten Kolumne “Erwachet” berichtete ich über die Cluetrain-Initiative, die sowohl Unternehmen als auch Web-Surfern die neue “Online-Weltordnung” näherbringt. Die in 95 Thesen zusammengefasste Nachricht: “Unternehmen, nehmt Eure Kunden im Web endlich ernst; Surfer, macht Euch hörbar, denn Ihr habt mehr Macht als Ihr glaubt”.

Doch wie werden Sie erhört? Hilft eine flammende “Hass-Site”, bringen es Beiträge wie “Firma xy stinkt, da antwortet niemand auf meine Emails” in Newsgroups und Communities oder Schilder an der Autobahn mit “Auch Ärger mit AOL? Geh zu www.aolmagmichnichtmehr.de”? So richtig aus der Reserve locken Sie die Unternehmen damit nicht, konstruktiv ist das schon gar nicht. Sie bekommen höchstens Hausverbot.

“Das Internet braucht einen Feedback-Kanal, der eng mit dem Inhalt verknüpft ist,” dachte sich das kalifornische Startup ThirdVoice und warf Ende Mai die gleichnamige Software in den Ring. Die “dritte Stimme” ist nichts anderes als ein kleines virtuelles Post-It, auf das etwas gekritzelt und an eine vorher markierte Stelle auf einer Webseite geklebt werden kann. Alles schon gehabt. Doch speichert ThirdVoice sämtliche Kommentare auf dem eigenen Server ab und macht sie damit der gesamten Web-Community zugänglich.

Das Potential dieser neuen Technologie ist gleichzeitig berauschend und bedrohlich. “Jeder ist sein eigener Publisher” wird auf einmal mit “..und bekommt jetzt Millionen Kritiker.“ erweitert. Die Idee ist prima: Inhalte im Netz lassen sich mit der dritten Stimme vor Ort weiter verdauen, ergänzen oder kritisieren, vor allem aber allen Internet-Benutzern zugänglich machen.

In der Realität steht das ThirdVoice-System auf Messers Schneide: Schuld daran sind “wir”, nicht die Technologie. Denn die Streikposten patroullieren plötzlich nicht mehr draußen, sondern stehen jetzt genau vor der Auslage der Wursttheke und sprühen “Schweinestall – nichts kaufen!” ans Glas. Schlimmer: Die Farbe läßt sich nicht mal mehr abwaschen, nur mit einer anderen Farbe übersprühen.

Vielleicht haben auch Sie schon einen Farbbeutel abbekommen, wissen es nur noch nicht. Auch Ihre Webseite kann schon kommentiert sein; sie können sich nicht dagegen wehren. Höchstens mitdiskutieren. Freie Meinungsäußerung knallt zusammen mit dem subjektiven Geschmack des einzelnen. Was passiert, wenn auf Unternehmensseiten direkt neben der Firmenbroschüre das Produkt von Web-Usern unqualifiziert heruntergeputzt wird? Das bedeutet viel Arbeit für die Öffentlichkeits- und Rechtsabteilung. Denn wenn sich die Software weit verbreitet, dann lassen sich die Kommentare nicht mehr ignorieren, sind möglicherweise geschäftsschädigend. Zumindest wäre damit eine Forderung von Cluetrain erfüllt: Surfer machen sich hörbar. Aber kann man das ernst nehmen?

Ich habe nun ein paar Tage im Meer der Kommentare geplantscht; bin tief getaucht, um in den vielen hohlen Muscheln auch mal eine Perle zu finden. Doch irgendwie fühle ich mich wie in einem Feuchtbiotop: überall nur diffuses Gequake. Ganz wenige Beiträge waren sachlich, der Rest bestand aus SPAM, “ICQ me”-Nachrichten, URLs, laute Wichtigtuer, schwachsinniges Geblubbere ohne größeren Wert, überzogene Kritik. Klar, Fehler findet man immer. Überall. Aber wo sind die konstruktiven Verbesserungsvorschläge?

Und von wegen ‘Freie Meinungsäußerung’: Schon am zweiten Tag waren zum Beispiel bei Yahoo die meisten der “third voice”-Nachrichten wieder verschwunden. Jemand hatte die Notiz “Alle Versagerunternehmen” angeheftet. Statt konstruktiv und verantwortungsvoll mit den “Waffen” umzugehen, spielen manche postpubertäre Surfer Klingelmännchen und stopfen faule Bananen in Briefkästen, die man nicht mehr öffnen kann. Gleich und gleich gesellt sich gern: Können wir nur hoffen, dass sich ThirdVoice zumindest in den speziellen Communities durchsetzt und nicht nur Dummschwätzer und Pedanten das Ruder übernehmen.

Ein Tag am Meer. Mal wieder mit meinem Ricochet-Funkmodem. Die Frage hier: Haben wir als Experten überhaupt noch den Überblick? Hier werden schon die ersten Zeilen in Richtung “Information Overload” angeschrieben. In dieses Thema arbeitete ich mich zu dieser Zeit zunehmend ein

“Den kältesten Winter, den ich jemals erlebt habe, war der Sommer in San Francisco”, bemerkte schon Mark Twain. Meistens verliert die Sonne den Kampf gegen den Nebel. Nur dreißig Meilen südöstlich, wo das Silicon Valley beginnt, riecht es schon nach Sonnencreme. Hier nur nach heißem Kaffee.

Doch heute hat die Sonne ein Einsehen, ich löse mich von meinem Computer und begebe mich zum nahen ”Ocean Beach”, um dort einen ruhigen Nachmittag zu verbringen.

An den Stränden von San Francisco kann man so manche verrückten Geschichten erleben, passt alles nicht in eine Internet-Kolumne. Und so bleiben meine Augen erst einige Zeit später an dem großen schwarzen Badetuch hängen. Da muss jemand drunter liegen. Schon seit Stunden! Nun höre ich ein leises Kichern, Tastaturgeklapper, helles Piepsen. Eine kleine schwarze Antenne lugt zur Seite heraus – klar, der Typ ist mit einem Funkmodem am Start. Damit hat man überall in San Francisco und im Silicon Valley gleich seine eigene Standleitung in der Tasche. Warum setzt sich so was nicht auch in Deutschland durch?

Endlich schaut ein mit Sonnencreme und Sand beschmiertes Gesicht heraus. ”Hi, mein Name ist Tom”, sagt er und streckt mir auch gleich seine Vistenkarte ins Gesicht. ”Massgeschneiderte Internetmode” steht darauf.

Internetmode? Wohl zu lange unter dem Handtuch gebacken? ”Was weißt Du schon vom Internet?”, raunzt das Bleichgesicht und lässt seinen Kopf wieder unter dem Handtuch verschwinden. ”Erzähl schon, was macht ihr?”, locke ich ihn wieder weg von seinem Notebook. ”Unsere Zielgruppe sind Geschäftsführer, Visionäre, Politiker und andere Experten; alles Leute, die über das Internet erzählen, aber eigentlich gar nicht mehr wissen, was im Netz passiert.”

Ich halte mich zurück, diesmal keine polemische Verteidigung. Ich folge stattdessen lieber seiner Argumentation. ”Du zum Beispiel, wann hast Du zuletzt einen ganzen Tag im Web verbracht?”, fragt er mich. ”Non-stop? Schon was länger her”, gestehe ich, “muss ja ständig meine Emails checken und beantworten, PR-Menschen aus der Telefonleitung kippen, Leute interviewen, ein paar Infoseiten im Netz abklappern, die Digests lesen und eben Artikel schreiben.” ”Siehst Du, und so geht es auch den Damen und Herren, die die Zukunft des Internets formen: Niemand von denen hat ernsthaft Zeit, um Usenet-Debatten zu führen, in AOL-chats zu diskutieren oder sich in anderen Communities zu engagieren. Dafür sind wir da.”

Ich winke ab: ”Aber es gibt doch personalisierte Portale, tägliche Emails mit Zusammenfassungen”, bemerke ich ungeduldig. ”Wer folgt denn noch den angeklebten URLs, außerdem sind doch auch die Inhalte der Portale hoffnungslos veraltet”. ”Also, was macht ihr besser?”, ich greife nach seinem Modem und schalte es ab. ”Wir haben professionelle Surfer, die für unsere Kunden maßgeschneiderte Inhalte auf dem Web finden, die wühlen sich auch durch Newsgroups und andere Foren. Paradoxerweise, aber von unserer Zielgruppe so erwünscht, druckt meine Assistentin dann die Webseiten aus, schreibt eine Zusammenfassung mit kleiner persönlicher Anekdote zum Nacherzählen und faxt es herüber. Auf Wunsch telefoniert sie es auch durch.”

Ich höre Tom noch eine Weile zu, er redet vom “Datenmüll, der als Information getarnt ist, aber schwer verdaulich ist”; von unserer Angst, etwas zu verpassen und nichts wirklich zu wissen; von Anfängern, die sich nicht nur im Netz, sondern dabei auch gleich die Welt verlieren. Mit ”Gute Surfer wissen mehr als jeder Experte”, schlürft Tom davon. Hoffentlich hören das auch seine Kunden. Ich bleibe noch eine Weile im jetzt kühlen Sand sitzen, starre aufs Meer und wünschte, ich wäre besser surfen gegangen.

Visionen und Szenarien haben am Ende des Jahres Hochkonjunktur. In San Francisco ist die Zukunft schon angekommen – und sieht gar nicht so rosig aus. Das ist das Ende der Blase, jetzt wird es in San Fran ungemütlich. In meiner Kolumne beschreibe ich die Situation.

George trägt ein altes, abgetragenes rotes 49’ers T-Shirt, altmodische Brillengläser, einen deutschen Bundeswehrparka. Seine Hände halten eine braune Plastiktüte, darin versteckt er etwas hoch prozentiges. An seinen Füßen schläft eine dänische Dogge.

Seit 20 Jahren lebt er nun hier an der befahrenen Straße im mexikanischen Viertel von San Francisco. Er zeigt auf die andere Straßenseite, dort ist eine Kneipe “Cosmos”: “Pac Man 1980 – das ist mein Lieblingsspiel. Ich bin süchtig danach.” Inzwischen ist George nicht mehr alleine. Immer mehr Wohnungslose schlürfen mit Einkaufswagen durch die Straßen von San Francisco, manche fluchen, andere frieren. Bis zu 14.000 Wohnungslose sind pro Nacht unterwegs. Im Multimedia-Viertel “South of Market” sind besonders viele. Wie Slalomstangen werden sie dort von den jungen, dynamisch kreativen Menschen umrundet. Warum muss der Typ auch ausgerechnet vor unserem Lieblings-Coffeeshop betteln?

San Francisco hat trotz “Internet-Revolution”, neuer Arbeitsplätze und Boomjahre ein Problem – und nicht wenige glauben, dass gerade das Internet eine Mitschuld trägt. Mit dem Internet kam Geld in Stadt. Breit verteilt wird es nicht. Auf die Technologie kann man das natürlich nicht schieben. Kommt immer darauf an, wer sie wofür einsetzt. Das hatten wir schon. George berichtet von hässlichen Szenen in seiner Nachbarschaft: Junge, weiße Menschen mit Sonnenbrillen im Haar ziehen nun zunehmend in die frisch renovierten Häuser, gezahlt wird jeder Preis. Aktienanteile zahlen sich aus.

Asiatische, mexikanische und afroamerikanische Familien landen auf der Straße, wissen nicht wohin. An Straßenlaternen hängen Schilder, die dazu aufrufen, geparkte Jeeps und andere SUVs (Sports Utility Vehicles) zu zerstören. An Georges Straßenkreuzung hört man: “Entweder du kennst dich im Internet aus, oder du hast eine Pistole”.

Der Fluch des Internets liegt über dieser Stadt: Wer nicht in der Internet-Industrie steckt, kann sich ein Leben in San Francisco kaum noch leisten. Die Wohnungspreise haben das Niveau von New York überholt, fast 100.000 Menschen müssen mit weniger als 10.000 Dollar pro Jahr auskommen. Der Lohn-Jahresdurchschnitt der 750.000 San Franciscans: etwa 60.000 Dollar.

Haight-Ashbury, nostalgisches Hippie-Viertel aus den späten 60ern und frühen 70er, verkommt zu “Disneyland” – in ein paar Jahren müssen die Rasta-Typen mit bunten T-Shirts und lustigen Trommeln für Touristen engagiert werden, weil es sich niemand mehr leisten kann, dort zu wohnen. Noch will es niemand wahr haben, aber schon jetzt verliert die Stadt genau den Charme und Charakter, der so viele Bewohner und Touristen angelockt. Aus “Multikulti-Schmelztigel” wird “Virtuelle Community”. Wollen wir das wirklich?

Von allen Seiten gibt es nun neue Losungen für das nächste Jahrtausend. Das Internet soll dabei eine große Rolle spielen, Menschen zusammen bringen — doch müssen die vernetzt sein. Wir können nun mit Brasilianern, Tibetanern oder Australiern sprechen – doch mit den Bettlern an der Straßenecke wollen wir nichts zu tun haben. Ein amerikanischer Senator sagte einmal: Gebt den Wohnungslosen ein Handy und ein Notebook; die Klugen werden überleben. Ist das die praktische Lösung für eine “vernetzte Zukunft?” Etwa auch ein Vorbild für Deutschland? Während wir uns in den letzten zehn Jahren Gedanken darüber gemacht haben, wie wir uns technisch vernetzen und effizienter kommunizieren, sollten wir bei aller Aufregung und Hypes um E-Commerce & Co. die Kehrseite nicht aus den Augen verlieren. Wer das Silicon Valley zum Vorbild nimmt, sollte auch darauf gefasst sein.

Zu viele E-Mails, information overload. Es hat sich kaum etwas geändert – außer, dass mehr E-Mails umherfliegen und alles noch schneller gehen muss. Lesen sie die Kolumne, die immer noch aktuell ist.

Wie viele Emails bekommen Sie pro Tag? Noch vor ein paar Jahren war das eine Art Statussymbol, wenn man mit vielen Emails protzen konnte: “Ich bekomme 20 Emails pro Tag!” – “Ach, das ist ja noch gar nichts, ich bekomme täglich 120 Emails, kaum Spam und außerdem: Mein Großvater hat ein Segelschiff!”.

Letztens habe ich beim Aufräumen meines Email-Postfachs eine wahrlich historische Nachricht an ein paar meiner Freunde gefunden. Damals beschwerte ich mich über meine “äußerst faulen Emailbeantworter”, die es nicht schaffen, meine mühevoll geschriebenen Emails ebenfalls in epischer Länge zu beantworten. Die “Hab keine Zeit”-Ausrede ließ ich damals nicht gelten. Denn was kann schon wichtiger sein als Emails zu beantworten: etwa das Tennismatch am Abend, ein Mass im Biergarten, “Wetten dass” sehen? Heute weiß ich, dass so etwas natürlich wichtiger sein kann.

Inzwischen mache ich es auch nicht besser. Manche Emails klicke ich weg, andere beantworte ich halb, speichere sie und merke nach ein paar Wochen, dass ich sie noch immer nicht weg geschickt habe. Dann ist es meist auch zu spät, zurück bleibt das schlechte Gewissen. Zu oft verspreche ich, “später mehr” zu schreiben, doch abends bin ich entweder zu müde oder mir fällt auch nicht mehr ein als vorher. Persönliche Informationen sind eben erschöpfbar; die virtuellen Themenläden im Web geben auch nicht immer fruchtbaren Diskussionsstoff her. Immerhin bin ich nun abgehärtet, ärgere mich schon nicht mal mehr, wenn mir jemand eine Antwort nur so hinrotzt. Immerhin wurde mir geantwortet.

Ich scheine nicht als einziger dieses Problem zu haben. Ab und zu bekomme ich von einer Kollegin kommentarlos Emails mit zusammen gepasteten Versatzstücken geschickt, doch versteckt will sie mir damit nur “Melde Dich mal wieder” sagen. Das habe ich inzwischen rausgefunden. Warum schreibt sie es dann nicht auch? Per Telefon meldet sie sich nie. Mein Telefon klingelt sowieso kaum noch, es kommen nur noch Emails. Ist ja alles viel einfacher – und vor allem unverbindlicher.

Im Silicon Valley benutzt man das Telefon schon überhaupt nicht mehr. Da meldet sich sowieso nur ein Anrufbeantworter. “Screening” nennt man das hier. Also schickt man Emails – und wenn man Glück hat, bekommt man auch eine Antwort. Doch dann muss man hoch auf der “Prioritätenliste” stehen, mindestens in den “Top 5”. Nur wenige schaffen es dahin. Der Rest muss sich hoch arbeiten. Wie das geht, weiß keiner. Wie soll man das auch heraus finden, wenn man niemals eine Antwort bekommt.

Bei so vielen Emails muss man selektieren und filtern, klare Sache. Deswegen erwarten wir auch schon oft gar keine Antworten mehr. Schließlich ist es “nur Email”, was kann man da schon erwarten? War das die Idee des Erfinders?

Email sollte uns näher zusammen bringen. Doch werden wir nun von deren Masse überwältigt. Wir spüren wir nur noch den warmen Atem, eine leichte Berührung vielleicht – haben wir die Kunst der echten Anteilnahme verlernt, weil wir keine Zeit und Energie mehr dafür haben? Zunehmend scheint die Beantwortung von Emails eine “lästige Pflicht” zu werden. Fühlen Sie sich auch manchmal wie ein chinesischer Jongleur, der viele Teller in der Luft halten will, dem aber immer mal wieder der eine oder andere Teller herunter fällt? So ergeht es mir mit meinen Emailkontakten.

Was macht man da? Ist das eine ganz natürliche Sache? Dabei ist der pure Informationsaustausch oft gar nicht so wichtig, es geht um Gesten. Deswegen habe ich wieder angefangen, Postkarten und Briefe zu schreiben. Wann haben Sie zuletzt eine Postkarte mit einem handschriftlichen “Ich denke an Dich” an Ihre Emailfreunde verschickt? Natürlich darf es auch gerne etwas mehr sein. Versuchen Sie es mal, es kostet gar nicht so viel Zeit und Geld, die Geste zählt. Letztens bekam ich dann meine erste Postkartenantwort aus Deutschland. Darauf stand: “Na, ist Dein Computer wieder kaputt? Schick mir doch ’ne Email, wenn es wieder geht.” Manche werden es nie verstehen.

Eine Kolumne zum Thema Expertentum und die vielen Experten-Websites, die aus dem Netz sprossen.

Steckt auch in Ihnen ein Experte? Na, Sie werden doch über irgendwas Bescheid wissen: Stereoanlagen, Autos, Telefonsysteme, Emailserver? Gut, dann dürfen auch Sie mitmachen. Denn das Web braucht Experten; echte Profis, die möglichst viel Meinung machen – zum Nulltarif. Alles Ehrensache.

Meinungssites sind der große Renner in den USA. Verwechseln Sie das bloß nicht mit Online-Communities. Das war cool in den ‘90ern. In den USA sind Epinions, Productopia und deja die Vorreiter einer weiteren E-Commerce-Revolution. Denn entscheident ist bald nicht mehr, was Zeitschriften oder andere ‘professionelle Tester’ sagen, sondern was die Masse von den Produkten hält. Wenn sich 500 Leute positiv über ein Produkt äußern, dann muss es doch gut sein, oder etwa nicht?

Angenommen, Sie suchen nach einem neuen Auto. Wie und wofür entscheiden Sie sich? Sie fahren etwa noch zum Autohaus, blättern eine Autozeitschrift durch, konsultieren Ihren Frisör oder Nachbarn? Fragen Sie doch wirkliche Experten. Das Web ist voll davon. Die Masse macht es: Welchen SUV (Sports Utility Vehicle) sollte man kaufen? Bei deja.com haben sich 1570 Benutzer für den Dodge Durnago entschieden.

Oder soll es etwas kleineres sein: 81 Prozent aller Epinions-Surfer empfehlen den VW Jetta. Lesen Sie bloß nicht die einzelnen Rezensionen durch. Das verwirrt Sie nur, blockiert Sie bei der Entscheidung. Je mehr Informationen zur Verfügung stehen, desto mehr müssen Sie filtern. Das macht unsicher, weil man glaubt, man könne etwas übersehen oder verpassen. Aber keine Sorge, Sie verpassen nichts.

Trauen Sie der verdichteten Meinung von 1134 “Feld-Wald-und-Wiesen-Testern” oder dem professionellen Fachjournalisten, der von der Autofirma pompös nach Hawaii geflogen und dort mit Mädchen und Presserabatten bestochen wird? Andererseits: Wie viele der Laientester sind “U-Boote” der Unternehmen ? Liest man sich die 5-Sterne-Expertentests bei Epinions durch, könnte man glatt glauben, die Tester hätten die Hochglanzbroschüre abgetippt. Würde mir ein Fiat-Autohaus gehören, würde ich ein paar meiner Mitarbeiter ins Web schleusen, um dort für gute Stimmung zu sorgen. Wahrscheinlich würde ich mich nicht trauen. Andere haben bestimmt weniger Skrupel.

Das stellt sich fast zwangsläufig die Frage: Wer nimmt sich wirklich so viel Zeit, um einen ellenlangen Testbericht zu schreiben? Wie glaubwürdig ist ein Benutzer, der gleich 40 verschiedene Autos online bewertet? Leiht der sich jedes Wochenende ein anderes Auto, nur damit ihn andere als “Experten” einstufen? Bei Epinions muss man sich wie bei eBay hoch arbeiten. Man bekommt Punkte, wenn die Infomationen von den Lesern als vertrauenswürdig eingeschätzt werden. Nur wer unsicher ist, braucht ständige Anerkennung, Abzeichen oder kleine blaue Sternchen. Das füttert die Profilneurose. Ein weiteres Problem bei den Ratings ist, dass die Benutzer sehr motiviert sein müssen. Traditionell zieht das nur die enthusiastischen Surfer oder Miesmacher an. Beiden sollte Sie nur die Hälfte glauben.

Den Besitzern der Websites ist das alles ziemlich egal. Schneller und vor allem günstiger bekommt man kaum noch Inhalte und gleichzeitig Surfer. Clever, aber auch fragwürdig ist die Verbindung der Meinungsseiten mit E-Commerce: Wird ein bestimmtes Buch empfohlen, kann man es direkt per Amazon bestellen. Die Provision kassiert der Meinungsdienst. Das sollte Sie aber nicht abschrecken. Das Web braucht wahre Experten. Auch in Ihnen steckt einer. Und nicht vergessen: Immer erst Probefahren, dann kaufen.

In Deutschland gab es damals Gedanken zu Visa für Inder. In meiner Kolumne beschrieb ich die Situation in den USA und beantwortete auch für mich selber die Frage. Ich wollte nicht zurück nach Deutschland. Jedenfalls nicht so schnell.

Fragt man die indischen Programmierer hier im Silicon Valley, was ihnen am ehesten zu Deutschland einfällt, hört man oft, dass man im Frankfurter Flughafen morgens um sechs Uhr nur ganz schwer einen Kaffee bekommen kann. Aber so schlimm ist das gar nicht. Frankfurt ist schließlich nur eine Zwischenstation, wo man mal kurz die seit Mumbai eingequetschten Füße ausfalten kann, bevor es dann weiter nach San Francisco geht.

Nur wenige der Silicon Valley-Inder haben tatsächlich eine “Green Card” – jedenfalls nicht nach deutscher Interpretation. Den 75 indischen Programmierer, die sich angeblich für eine deutsche Green Card interessieren, sollte man besser erklären, dass sie im Gegensatz zur amerikanischen Green Card nach ein paar Jahren wieder abdüsen müssen. Dagegen bedeutet die Green Card in den USA die unbegrenzte Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. Wir brauchen die Programmierer, weil wir sonst den Anschluss verlieren, sagt man in Deutschland. Aber nur für ein paar Jahre, bloß keine Hoffnung auf eine echte Green Card geben. Da wirft man lieber markige Sprüche wie “Kinder statt Inder” in den Ring. Genau. Als ob Siebenjährige vernünftig Java kodieren könnten.

Auch in den USA gibt es derzeit eine Green Card-Diskussion. Vor ein paar Jahren sind sie in Mumbai, Delhi, Madras oder Bangalore aufgebrochen, um in Kalifornien den “Amerikanischen Traum” zu leben: höhere Lebensqualität, Klimaanlagen, mehr Platz, big bucks. Die meisten der indischen Programmierer sind mit einem vom Unternehmen gesponserten H1-B-Visum unterwegs.

Von den in diesem Jahr ausstellbaren 115.000 werden etwa 45 Prozent an indische Wissenschaftler, Techniker und Programmierer gehen. Im Mai ist das Kontingent bereits ausgeschöpft. Dann heißt es hoffen auf das nächste Jahr. In der Regel ist ein H1-B-Visum bis zu sechs Jahre gültig, wer länger bleiben will, darf eine Green Card beantragen. Die amerikanische Immigrationsbehörde vergibt jedes Jahr ein Kontingent an Green Cards an Bewerber, die bereits in den USA angestellt sind. Da auch die amerikanischen Behörden nicht in Internetgeschwindigkeit funktionieren, kann es schon einmal passieren, dass ein festes jährliches Kontingent einfach so verfällt. Nicht jeder kann sich einen teuren Anwalt leisten. Viele haben deswegen Angst, einfach abgeschoben zu werden. Also ab nach Deutschland? Nein, dann schon eher wieder zurück nach Indien.

Für ausländische Top-Talente bleibt das Silicon Valley immer erste Wahl. Das hat gleich mehrere Gründe: Jeder Inder spricht vernünftiges Englisch, warum also die komplizierte deutsche Sprache lernen? Die riesige indische Gemeinde bietet den nötigen kulturellen Rückhalt. Im Silicon Valley feiern nur sowieso nur diejenigen Erfolge, die hart arbeiten und gut sind – egal ob grün-, blau-, oder orangehäutig.

Der Standort Deutschland wird nur interessant, wenn das Geld stimmt. Nur wer will schon in schwachen Euros entlohnt werden? Das hoch bezahlte Top-Talent geht ins Silicon Valley, viele davon kommen direkt von den ansässigen Universitäten Stanford oder Berkeley. Da besteht die Gefahr, dass nur abenteuerlustigen Weltenbummler nach Deutschland kommen. So wie damals raufboldige Amerikaner und Kanadier im Eishockey. Weltweit spielt man so immer nur in der zweiten Liga.

Für deutsche Unternehmen bedeutet das, endlich die Möglichkeiten des Internet auszunutzen. Also ab nach Indien. Das durchschnittliche Jahresgehalt eines indischen Programmierer liegt übrigens bei etwa 13.000 Mark. Verschiedene Unternehmen wie Infosys, Satyam oder Wipro vermitteln Programmierer. Da wäre auch noch Platz für deutsche Pioniere. Der Träumer in mir hofft noch immer, dass ein solches Kupplerunternehmen auf den Gedanken kommt, einen Prozentanteil des erwirtschafteten Geldes in die jeweilige Community, zum Beispiel in Schulen und Krankenhäuser fließen zu lassen. Dann würde das Internet nämlich wirkliche Probleme lösen.

Ein weiteres Zeitdokument von der Explosion der Dot-Com-Bombe. Und ich mittendrin.

Neulich bekam ich eine Email von einem Kollegen, der über “Sport im Silicon Valley” schreiben wollte und dafür Interviewpartner suchte. Willkommen in der kalifornischen Spaßgesellschaft! Jeder spielt Golf, reitet Pferde, hat ein Segelboot, steht nach der Arbeit am Fußballkicker, liegt auf einem Surfbrett und wartet auf eine gut brechende Welle oder rennt noch fünf Mal um den Block. Wieder mal ein Klischee, das seinen Weg nach Deutschland findet. Schaut man in die Hochglanzmagazine, den modernen Evangelien der High-Tech-Branche, dann sieht man nur solche Stories: 25 jähriger Stanford-Absolvent startet sein eigenes Unternehmen, alle haben Spaß, die Vorzimmersekretärin hat ebenfalls Aktienoptionen und fährt schon jetzt einen Porsche, den sie aber nur “Porsch” nennt. Ist das nicht süß? Und sofort eine Story wert.

Technomusik aus den Lautsprechern, Kletterwände, Mitarbeiter mit Piratenbinden, Ziegenbärten, alle irre cool, lässig und vor allem unkonventionell. Schließlich haben sich alle gegen eine sichere Karriere bei IBM oder Coca Cola entschieden. Das ist ‘New Economy’ – und schon wieder eine nette Geschichte für unsere lieben oft zu gutgläubigen Leser in Deutschland, die den Hauch von ”Freiheit und Abenteuer” spüren wollen. Doch statt wie vor ein paar Jahren noch überrascht mit dem Kopf zu schütteln und ‘Die spinnen, die Amis’ zu raunzen, sind alle auf der Jagd: Nach dem Hype, der neuesten Idee, die man dann am besten sofort kopiert und als ‘Weltneuheit’ vorstellt. “Die Macher von dooyoo.de haben das Konzept des Online-Kaufratgebers durch intensive Beobachtung des amerikanischen Marktes entwickelt”, heißt es da zum Beispiel. Danke, Epinions, ihr sichert uns den deutschen Standort.

Deutschland rüstet sich zum ‘Silicon Germany’: Ob Berlin, München, Hamburg, Köln, Dresden oder sonst wo, überall will man ebenfalls ein ‘Valley’, zumindest eine Goldgrube haben. Darin sind wir in Deutschland ganz groß: Etwas aufspüren und optimieren. Ich war vor ein paar Wochen in Deutschland und habe noch nie so viele erwachsene Menschen auf den kleinen silbernen Tretrollern gesehen. Der Trend kommt aus den USA, doch auf den Strassen in San Francisco sieht man nur ein paar kleine Jungs mit den Rollern. Aber die Medien ziehen das Thema riesig auf. Das merkt man natürlich sofort auch in Deutschland und macht es ‘richtig’. Entweder ganz oder gar nicht.

Verlassen Sie sich nicht allzu sehr auf die goldenen Geschichten aus dem Silicon Valley. Viele der krampfhaft zusammen gestrickten Geschichten sind mit “Silicon Snake Oil” getränkt. Oftmals ist der Preis für das Schlangenöl zu hoch. Die Realität sieht nämlich weniger sonnig aus: In den meisten Unternehmen herrscht eine freudlose Großraumatmosphäre, irrer Druck für die Angestellten, die den Launen des launischen Chefs ausgesetzt sind. Wer nicht spurt, oder ‘performant’ ist, fliegt raus.

Soziale Sicherheiten gibt es keine. Wer zwölf Tage Urlaub im Jahr hat, kann sich schon glücklich schätzen. Egomanische Konkurrenzkämpfe ohne Loyalität gehören zum Standardprogramm. Viele noch grüne Mitarbeiter werden mit Aktienanteilen geködert und billig abgespeist, doch nur ganz wenige Startups schaffen es überhaupt bis zum Börsengang. Der Rest arbeitet bis zu 100 Stunden pro Woche ohne Überstunden, immer auf dem Sprung zum nächsten Abenteuer.

Wer genau hinschaut und gut zuhört, spürt die Einsamkeit und Traurigkeit der Pioniere, die vielleicht gerade deswegen unglaublich rastlos sind und nur noch Enthusiasmus auf Knopfdruck bieten. Viele Macher merken leben in ihrer eigenen Traumwelt, die kaum noch mit der Realität korreliert. Alles mutiert zu einer pathetischen Networking-Party: Auf Geburtstagsfeiern, Hochzeiten, sogar auf Beerdigungen können sich viele nicht zurück halten, um Visitenkarten und Geschäftsmodelle auszutauschen.

Bei allem Erfolg, den wir in Deutschland ja kopieren wollen, sollten wir aufpassen, dass wir nicht auch die verschiedenen Neurosen importieren. Für Deutschland bedeutet das, einen eigenen Weg zu finden. 35-Stundenwochen und ‘New Economy’ funktioniert genauso wenig wie ein krasses amerikanisches Modell. Vielleicht sollten wir diesmal Sekt und Selters mischen.

Google wollte damals nicht böse sein. Aber irgendwie deutete sich das schon an, wenn man genau hinhörte.

Die interessantesten Szenen spielen sich meistens fern ab von den inszenierten Vorstellungen. Ich lungere im Foyer des Fairmont Hotels in San Francisco herum, schwer ermüdet von langweiligen Powerpoint-Präsentationen beim ‘Search Engine Summit’. Durch die Tür stürmt ein ungekämmter Typ mit weißen Turnschuhen.

Es ist Sergey Brin, der milchgesichtige Gründer von Google. Aber warum trägt er einen roten Schal, mitten im Sommer, frage ich mich und finde in der selben Sekunde die Antwort. Es ist eine unverknotete Krawatte. Die Wette gegen mich gewinne ich doch locker: In knapp zwei Minuten kommt sein Pressehelferlein vorbei, verstohlen trägt er Sergeys Seidenstück, schleicht in die Toilette und grinst mir verschwörerisch zu.

Brin kann das egal sein, er scheint sich sowieso eine Art Rockstarqualität aufbauen zu wollen. Deswegen trainiert er jetzt auf einem Einrad. In ein paar Wochen fährt er damit durch den Konferenzsaal. Wetten? Vor den Türen warten zwar keine kreischenden Groupies, aber im Netz hat sich Google inzwischen genügend Respekt verschafft, um die Gegenschläge der Konkurrenten mit einem fast schon arroganten “Wir haben sowieso die beste Technologie” zu parieren.

Bei den anderen Suchmaschinenunternehmen brodelt es. Die Einnahmen aus der klassischen Bannerwerbung brechen weg, alternative Geschäftsmodelle sollen die Suchmaschinen in neue Machtpositionen hieven. Insbesondere die Inhaltsanbieter werden es zu spüren bekommen. Wer in den USA im Verzeichnis von Yahoo gelistet werden will, muss bis zu sechs Monate warten. Kein Wunder, dass vieles herunter fällt, wenn man pro Tag etwa 10.000 Anfragen bekommt.

Um aus der Not eine Tugend zu machen, verlangt Yahoo nun 200 Dollar, um schneller den Prozess zu beschleunigen. Bald wird es heißen: Entweder Du zahlst oder Du kommst nicht mehr rein. Bei Looksmart wird da noch nicht einmal mehr die Hand vor den Mund gehalten. Looksmart geht jedoch noch einen Schritt weiter, bietet sogenannte “Subsite-Listings” an und vermischt damit ‘Cloaking’ und Spamming zu ‘Reis mit Scheisse’. Verzeihung.

Wer bisher dynamische Webseiten unterbringen wollte, musste ‘Doorway Pages’ bauen; also die dynamische Seite in eine statische, Suchbotfreundliche Seite verhüllen – das bedeutet der Begriff Cloaking – und mit allen möglichen Tricks möglichst an die oberste Stelle des Suchergebnis schieben. Andere sagen, das wäre klassisches Spamming. Da machen wir doch eine ‘Win-Win-Situation’ draus, dachte sich Looksmart und bietet Inhaltsanbietern an, für eine Grundgebühr und Cost-per-Click-Abrechnung so tiefe Inhalte wie möglich in das Verzeichnis zu schleusen. Auch die Surfer lieben uns dafür, sagt man bei Looksmart. Ziemlich scheinheilig, aber gutgläubig.

Ob der Drahtseilakt zwischen editorieller Unabhängigkeit und wirtschaftlicher Gier gelingt, ist doch sehr fraglich. Aber wer braucht die manuell erstellten Kataloge überhaupt noch? Gibt doch eigentlich gar keinen Grund mehr, 200 Surfer in Fleisch und Blut durch die Gegend surfen zu lassen, wenn es Google viel besser, schneller, effizienter und günstiger kann. Aber auch klassische Suchmaschinen kommen nun auf den Trichter, die Informationsanbieter zur Kasse zu bitten.

Inktomi stellte erst kürzlich eine Initiative vor, auch Altavista arbeitet zumindest in den USA daran. Neue Geschäftsmodelle, schön und gut, aber was bringt das dem Surfer? Zunächst das ziemlich wertlose Gefühl, dass Inhaltsanbieter zahlen und keine Freifahrten mehr bekommen.

Wer direkt nach dem nächsten Concorde-Absturz ‘Concorde’ eingibt, bekommt künftig neben ‘alten’ Suchergebnissen auch aktuelle News und vielleicht auch eine Verknüpfung zum E-Commerceladen, der Plastik-Replikas für den Sohnemann anbietet. Warum eigentlich nicht? Das ist alles nur akzeptabel, so lange das relevanteste Suchergebnis oben steht und die neuen gekauften Elemente farblich abgesetzt werden und nicht alles zupflastern. So lange sich Brin noch keine Krawatte binden kann, sollten wir in guter Hoffnung leben, dass Google ein Technologieunternehmen bleibt, das mit einem tatsächlichen Produkt und nicht mit kraftvollem Marketing-Bullshit imponieren will.

Inzwischen spaltet der Internet-Reichtum San Francisco in zwei Lager: in Dot-Commer und Anti-Dot-Commer – eine explosive Mischung, wie ich es in dieser Kolumne beschreibe. Die Blase platzt.

Der “Sommer der Liebe” fällt dieses Jahr wegen atmosphärischer Störungen aus. San Francisco hat ein Problem – und ausgerechnet die erfolgreiche Internet-Wirtschaft soll Schuld daran sein. ‘Die modernen Helden und Pioniere’ feiern sich nur noch selber, auf Networking-Parties und anderen Technologie-Veranstaltungen. Draußen warten schon die Demonstranten. Deren Botschaft: “Wir lassen uns das alte San Francisco nicht weg nehmen.”

‘Dot-Com’ gegen den Rest der Stadt: Die Situation spitzt sich zu, in verschiedenen Stadtteilen wird engagiert gegen die Invasion der ‘Dot-Commies’ gekämpft – zunehmend mit Gewalt. Das “Yuppie Eradication-Project” hat es sich zum Ziel gemacht, die gut verdienenden Internet-Pioniere mit Gewalt zu vertreiben. An Straßenlaternen angeschlagene Pamphlete raten dazu, die Autos – überwiegend Lexus, Porsche, Jaguars und Jeeps – der Yuppies zu zerstören. Neue Bars sollen boykottiert und auseinander genommen werden, um die ‘Boojies’, die neue Bourgeoisie, so richtig einzuschüchtern. Eine andere Kampagne ‘Blowthedotoutyourass’ übersät derzeit die Stadt mit Aufklebern, die ‘Dot-Commer’ mit Sprüchen wie “Aber ich brauche meine Zahnpasta nicht online zu bestellen” provozieren wollen.

Warum die Aufregung? “Es ist kein Geheimnis, dass San Francisco zum Verkauf steht und an den höchst bietenden geht”, erklärt Chris Daly von der Mission Antidisplacement Coalition. Seit knapp zwei Jahren steht vor allem das mexikanische “Mission”-Viertel im Brennpunkt der Diskussionen und Aktivitäten. Oft genanntes Hasswort ist ‘Gentrification’, die Aufwertung der Immobilien durch Renovierung. Kündigungen gehören zur Tagesordnung. Und es trifft jeden, nicht nur Latino-Familien, die hier schon seit Generationen leben.

Die harten Gesetze des freien Marktes: ‘Dot-Coms’ sind offensichtlich bereit und in der Lage, dreifache Mietpreise zu zahlen. Also lässt man sie zahlen. Gute Zeiten für Vermieter und Immobilienbesitzer. Innerhalb der letzten drei Monate stieg nach Angaben von Realfacts der durchschnittliche Mietpreis für eine Zweizimmerwohnung auf 1.967 Dollar. Immer weniger können sich das leisten: Das durchschnittliche Jahresgehalt der knapp 750.000 San Franciscans liegt bei 32.718 US Dollar (Studie UC Berkeley); aber mehr als 90.000 Haushalte müssen pro Jahr mit weniger als 10.000 Dollar auskommen (Mayors Office of Housing). 25 Prozent der 11 - 14.000 Wohnungslose, die mit Einkaufswagen und Plastiktüten durch die Gegend wanken, haben einen regulären Job, der gerade zum Überleben reicht. (Coalition on Homelessness).

Den etwa 80.000 New Economy-Mitarbeitern geht es da erheblich besser. So bringt ein High-Tech-Angestellter im höheren Angestelltenverhältnis durchschnittlich etwa 151.769 Dollar (San Francisco Partnership) nach Hause. Zudem bekommen 88 Prozent aller Tech-Pioniere Aktienanteile. Das generiert Neid. “Es ist doch Unsinn, alles auf die Dot-Coms zu schieben”, sagt Dan Arentz, VP Marketing von BookingCenter.com. “Kein Wunder, dass die Lebenshaltungskosten so hoch sind. Schließlich will jeder nach San Francisco, weil man hier gute Arbeit findet und gleichzeitig eine Stadt mit lebendiger Kultur vorfindet”, meint er.

Doch auch das kann sich ändern, denn immer mehr kulturelle Einrichtungen wie zum Beispiel die Contemporary Arts Gallery müssen schließen, weil auch hier die Vermieter lieber dreimal mehr von High-Tech-Unternehmen kassieren. “Was hier passiert, ist sehr traurig. Denn es wird keine Revolution geben, sondern eher eine Abwanderung der kreativen Menschen, die die Atmosphäre den farbenfrohen Anstrich gaben. Wer kam, um seine Träume zu leben, kann es sich nun nicht mehr leisten”, sagt Sam Lowry, Initiator von Blowthedotyourass.com, “aber vielleicht stehen ja bald die gescheiterten Startup-Mitarbeiter auf der Haight-Street und betteln um eine warme Mahlzeit. In dieser Stadt ist alles möglich.”

Eine fiktive Geschichte. Aber wahrscheinlich stimmt es. Ich will raus. Vielleicht leitete ich damit schon unterbewusst meinen Umzug nach Portland ein.

Ich bin nicht freiwillig hier. Plötzlich wurde ich abgeschoben. Ins Online-Rehazentrum. Senil und fahrig sei ich geworden, sagen sie. Ich hätte mein Zeitgefühl verloren, wird behaupten; würde den ganzen Tag nur noch im Web surfen, verträumt von meiner Bookmarksammlung schwärmen; willenlos von Hyperlink zu Hyperlink springen und dabei die Welt um mich herum vergessen — und das alles ungekämmt und in Pyjamas. Kurz: Ich wäre nicht mehr gesellschaftsfähig, sozial verwahrlost.

Ich kann Ihnen sagen, hier ist es auch nicht besser. Wir haben kaum Gesprächsstoff. Es gibt keine Internet-Rechner, nur Fernseher und Radio. Ständig läuft die Glotze, alle starren da rein. Aber fragen Sie mal fünf Minuten später, welche Sendung lief. Das weiß keiner mehr. Ist auch unwichtig, es geht um Zeitvertreib ganz ohne das böse Internet. Schließlich sollen wir hier ja wieder resozialisiert werden.

Schuld an der Misere sind ein paar Wissenschaftler, Internet-Leichtgewichte mit einer wahrscheinlich ellenlangen ICQ-Nummer. Die haben kürzlich in einer Untersuchung heraus gefunden, dass das Surfen im Internet einsam macht, man sein Sozialleben vernachlässigt und eine virtuelle Existenz annimmt, die letztendlich nicht nur zum Junggesellen-Skorbut, sondern auch zum gesellschaftlichen Außenseiter führt. Angeblich sind 20 Prozent der Internet-Surfer potenziell gefährdet. Wer länger als 5 Stunden pro Woche online ist, gehört schon zur Zielgruppe. Das Phänomen ist ähnlich des schleichenden “Mad Internet Disease”-Virus, der nach einer Inkubationszeit von nur wenigen Jahren das soziale Offline-Geflecht zersetzt und verbale Kommunikation mit der Außenwelt unmöglich macht. Es gibt bisher nur sehr wenige Fälle, doch warten Sie mal ab.

Es begann auch bei mir ganz langsam: Zunächst verstaubte mein Fernseher — 60 Prozent der Internet-Surfer schauen weniger Fernsehen. Dann bestellte ich meine Tageszeitung ab. Je länger ich online war, desto weniger Zeit hatte ich natürlich für die Außenwelt. Einkäufe tätigte ich meistens online. So hätte ich noch ewig weiter machen können. Ich habe mich überhaupt nicht alleine gefühlt. Im Gegenteil, ich lernte über das Netz neue Freunde kennen, führte gepflegte Diskussionen wie ich sie niemals in einer Bar hätte haben können. Mein Leben war ausgefüllt, ich vermisste nichts.

Meine Offline-Freunde sahen das anders. Plötzlich fühlten die sich alleine, weil niemand mehr mit ihnen Fernsehen schauen oder ins Kino gehen wollte. Bestärkt von den verschiedenen Studien, insbesondere der vor zwei Jahren erschienenen HomeNet-Studie und der besagten aktuellen Umfrage der Universität Stanford, entschlossen sich meine Offline-Freunde, mir ungefragt “zu helfen”. Noch ehe ich mich von meinen Onlinebuddies verabschieden konnte, versank ich schon in einem Plüschsofa des Online-Rehazentrums “Zur Sonne”.

Nach acht Jahren im Internet, immerhin 80 Offlinejahre, könne ich froh sein, nicht im Online-Altersheim gelandet zu sein, versuchten sie mich noch aufzumuntern. Erst ein paar Wochen später fand ich in einer Zeitung weitere Fakten der Stanford-Studie: Von den 20 Prozent der Schwellensurfer zur sozialen Kontaktarmut behaupten nur 13 Prozent, weniger Zeit mit Freunden zu verbringen. Die restlichen 87 Prozent haben vielleicht sogar ein hochwertigeres Sozialleben. Darüber kein Wort.

Ich will hier raus, fühle mich ungerecht behandelt. Was ist so schlimm daran, dass das Internet die klassischen Einweg-Massenmedien ersetzt? Die Killeranwendung Email ist doch um einiges sinnvoller und kommunikativer als die Konsumierung einer schwachsinnigen Fernseh-Gameshow, oder? Soll doch jeder selber wissen, was gut für sie oder ihn ist. Doch wer sich wirklich einsam fühlt, wird nicht im Internet, sondern nur bei sich selbst fündig. Hier im Rehazentrum habe ich dazu eine gute Übung gelernt: Öfter mal Alt+F4 drücken, mit guten Freunden nach draußen gehen und danach die Erkenntnisse mit seinen Online-Freunden teilen.

Eine wunderbar idealistische Kolumne über das Mitmachweb und die Transparenz, die wir auch für gute Dinge nutzen könnten. Ist hier die Rede von Web 2.0? Irgendwie ist das anders gekommen.

Die Zukunft findet nicht im Radio oder TV statt, sondern im Web. Sie müssen nicht warten, die Zukunft ist bereits hier – sie ist nur noch nicht so richtig verteilt. Ich rede nicht von virtuellen Tierversuchen wie Big Brother oder anderem Blödsinn, der unsere Aufmerksamkeit von den wirklichen Problemen der Welt ablenkt. Vielmehr geht es mir um Dinge, die wir vor ein paar Jahren niemals mitbekommen hätten, weil das Fernsehen nicht gerne darüber berichtet.

Umweltkatastrophen wie brennende Regenwälder oder Überschwemmungen lassen sich ja noch gut ins Bild setzen, aber wen interessiert schon ein toter Fluss irgendwo in Nigeria? Stattdessen schauen wir lieber “Reality TV”, finden es spannender, eine Autoverfolgungsjagd live auf dem Highway 101 in Los Angeles zu sehen. Meist endet das mit einem Happy End: Die Autos stehen quer, Polizisten hocken hinter den weißen Blechkisten, die Verfolgten geben mit erhobenen Händen auf – alles live im Fernsehen. Kameras sind also genügend vorhanden. Auch Webcams, gerichtet auf die Golden Gate-Brücke, nackte Frauen und auf eine Handvoll Schwachköpfe in einer Pappschachtel. Es wird Zeit, dass wir die Kameras umdrehen und über das Web ‘Big Brother’ beobachten.

Jeder redet von “Transparenter Wirtschaft”, “Supply Chain Management”, offenen Standards. Dann setzen wir es doch endlich um. Vor allem globalen Unternehmen sollten wir genauer auf die Finger schauen. Werden die Mitarbeiter in den Nike- oder GAP-Kolonien in Kambodscha, China, Russland oder Mexiko wie Tiere behandelt, die Umwelt vergewaltigt oder ist das nicht der Fall wie es uns die Unternehmen scheinheilig glaubhaft machen wollen? Ich wäre bereit, ein paar zusätzliche Dollar für meinen Pullover zu zahlen, wenn ich über das Web sämtliche Stationen live sehen könnte, die mein Pullover von China in die USA zurücklegt. Das könnte sogar recht unterhaltsam sein.

Unternehmen, die nichts zu verbergen haben, sollten mit Webcams kein Problem haben, oder? Andere, die Toiletten zusperren, damit Mitarbeiter ohne ineffiziente Unterbrechungen weiterarbeiten; auf Ventilatoren verzichten, weil das zu viel kosten würde oder gewissenlos Öl in die Flüsse leiten, werden sich mit Händen und Füßen gegen ein Webcast wehren.

Aber das ist genau das gute am Web: Die Webgemeinde hat bereits jetzt die nötigen Tools und hoffentlich auch bald die ‘kritische Masse’ – mit Ausrufezeichen hinter ‘kritisch’ –, um wahrere Wahrheiten von den gefilterten Wahrheiten der Einweg-Massenmedien wie Print, Radio und TV zu unterscheiden. Das gilt schon jetzt: Oftmals ist interessanter, worüber nicht berichtet wird. Geben Sie mal in Google “GAP Redwood” ein, dann sehen Sie, was ich meine.

Jetzt fragen Sie sich natürlich, warum die Unternehmen so dumm sein sollten, überall Webcams aufzuhängen. Aus purem Eigeninteresse. Wenn nur ein größeres Unternehmen damit anfängt, weil das soziale Gewissen und der öffentliche Druck, organisiert über das Internet, einfach zu groß und geschäftsschädigend wird, folgen weitere. Wenn Nike webcastet und Reebok nicht – wer hat wohl mehr Dreck am Stecken? Wer verkauft langfristig mehr gelb leuchtende Turnschuhe? Man müsste natürlich aufpassen, dass der Webstream nicht irgendwo in Hollywood produziert und von dort ins Web geschleust wird.

Das ist ihnen wirklich egal, ob der Regenwald in Paraguay abgeholzt wird? Dann starten wir eben gleich in ihrer Nachbarschaft, im örtlichen Finanzamt oder beim Strassenverkehrsamt. Webcams an: Alle zwei Wochen stimmt die Webgemeinde ab, wer bleiben darf und wer es einfach nicht Wert ist, weiter Steuergelder mit Nasenbohren und Schiffeversenken zu verplempern. Licht aus, Spot an! Meine einzige Sorge: Wir bräuchten dazu aufgeklärte und reife Web-Benutzer; keine Spielkinder, die gutgläubig auf mitgeschickte Attachments klicken. Denn so retten wir die Welt bestimmt nicht.

In San Francisco wird es immer schwieriger und härter. Jeder Klick zählt. In meinem Stadtviertel sah ich auch das andere San Francisco, über das niemand schrieb. Eine Kolumne über eine Parallelwelt.

Jack, “the Fatman”, hängt immer an der gleichen Strassenecke herum. San Francisco: Haight Street, nur ein paar Blöcke vom Hippieviertel entfernt. Das ist auch sein Wohnsitz, er schläft in einer Pappkiste gleich vor dem Postamt. Meistens stützt er sich auf Krücken ab, an seinem linken Bein klafft eine riesige Wunde, die niemals zu heilen scheint.

“Küss den fetten Mann” ruft er jedem zu und hofft, ein paar silberne Münzen in seiner Jackentasche zu sammeln. Mehrere Monate laufe ich nun fast täglich an ihm vorbei. Zunächst versuchte ich ihn unterbewusst zu ignorieren, sollte man wirklich jedem Bettler helfen? Nun gebe ich ihm immer mal einen Apfel oder eine Banane, manchmal auch mein Wechselgeld vom Bagel-Laden. Jack hat vor kurzem das Internet entdeckt. Niemand seiner Freunde hat zwar eine Emailadresse, aber wenn er mal ein paar Cents zusammen hat, dann hockt er im “Java-Coffeehouse” an einem Bildschirm und surft.

“Was hast Du heute schon getan, um die Welt zu retten?” fragte er mich letzte Woche. Da hat er mich kalt erwischt. Statt selber etwas zu tun, warte ich nur darauf, dass sich mal jemand der Sache annimmt und ich dann darüber berichten kann. Eine Art “Second Hand”-Hilfe für die Welt. Höchst unbefriedigend. “Also, ich habe heute schon 56 Hektar Regenwald vor dem Abholzen gerettet und 234 Kindern vor dem Hungertode bewahrt”, berichtet Jack ganz stolz in seinem gewöhnungsbedürftigen schnoddrigen Ostküstenakzent.

E-Commerce ist kein Thema für Jack. Geld hat er keins. Aber ein Herz hat er. Und Zeit. Wenn er im Internet ist, klickt er auf die verschiedenen Spendensites wie Thehungersite.com, Therainforestsite.com oder EndCancernow.com. Zahlen muss er nichts. Nur klicken. Die Sites funktionieren alle nach dem ähnlichen Prinzip: Mehrere Werbekunden zahlen für den Klick, das so eingenommene Geld wird an die jeweiligen Hilfsorganisationen weitergeleitet. Da kommt einiges zusammen. Muss auch, denn alle zwei Sekunden werden weltweit 182 Quadratkilometer Regenwald abgebrannt, jede 3,6 Sekunden stirbt ein Mensch irgendwo auf der Welt den bitteren Hungertod. Die Hungersite sammelt auf diese Weise im Monat Geld für jeweils etwa 1000 Tonnen Lebensmittel, Tendenz steigend.

Im Startmonat der Hungersite-Launch vor gut einem Jahr waren es nur 15 Tonnen. Inzwischen nutzen immer mehr engagierte Hilfsorganisationen das Internet als neuen Kanal, aber auch kommerzielle Sites versuchen aus der Hilfsbereitschaft der Surfer Kapital zu schlagen. Typisch amerikanische Verschmelzung von Kommerz und Wohlfahrt. Doch wenn kommerzielle Wohlfahrts-Sites Spenden einwerben, die nichtkommerzielle Organisationen niemals gewinnen können – Warum eigentlich nicht?

Momentan sind die eingenommen Spenden nichts anderes als ein Tropfen auf den heißen Stein. Allerdings hoffen die sehr engagierten Organisationen, in einem Jahr eine ‘kritische Masse’ zu erreichen. Eine solche Masse erreicht man allerdings nur, wenn die großen Webfirmen ebenfalls mitziehen. Denn laut einer Studie von Alexa Research gehen 80 Prozent des gesamten Webtraffics an nur 0,5 Prozent aller Sites. Warum sollte Microsoft nicht zum Beispiel die Startseite des Internet Explorers mit einem gesponserten Spendenportal ausstatten? Darauf darf dann meinetwegen auch ein fettes Microsoft-Logo prangen. Das wäre dann sogar mal richtig innovativ und sorgt für dringend gebrauchte positive PR.

Aber warten Sie nicht auf Microsoft. Folgen Sie lieber Jack und den vielen anderen Surfern auf der Welt. Klicken Sie sich durch. Lassen Sie sich kaufen, es ist für einen guten Zweck. Überlegen Sie sich gar nicht erst eine Ausrede. Jeder Klick zählt.

Zu dem Zeitpunkt war ich schon fast ein halbes Jahr ohne Zimmer, reiste von WG zu WG. Das hielt noch fast ein weiteres halbes Jahr an. Ich war bodenlos und meine Wurzeln hingen in der Luft. Für mich war das eine spannende, aber nicht einfache Zeit, in der ich viel Demut gelernt habe.

“Du musst wie ein Blatt Papier in der Luft schweben können; vergiss mal die Wurzeln für eine Zeit lang”, sagt mir vor ein paar Monaten ein weiser Freund. Damals konnte ich noch nicht so viel damit anfangen. Wollte ich auch gar nicht, denn wer will schon immer nur in der Luft schweben? Schließlich braucht man doch eine gewisse Sicherheit, die Füße auf dem Boden erfordert. In meinem Fall wurde mir der Teppich unter den Füßen weg gezogen – und das wortwörtlich. Zu hoch gepokert: Ich wollte mehr Platz für meine kreativen Künste und nun habe ich gar nichts.

Seit über vier Monate suche ich vergeblich nach einer Wohnung in San Francisco. Das hätte ich mir auch einfacher vorgestellt. Doch die ‘Dot-Commer’ bieten sich gegenseitig immer höher. Inzwischen bekommt man keine Zweizimmerwohnung mehr unter 2000 Dollar. Ich bin Heimatlos, ein echter virtueller Nomade, erreichbar nur noch per Email oder Handy. Meine stationäre Telefonnummer ist an ein Universal Messaging-System angeschlossen, Briefe gehen an mein gemietetes Postfach. Mein ständiger Begleiter ist ein kleines schwarzes Notebook, über das ich per Funkmodem mit dem Rest der Welt – zumindest des Internets – verbunden bin.

Mein Arbeitsplatz kann überall sein: in der Küche, in der Bücherei, im Café oder auf einer Parkbank. Ich bin überall verbunden, aber nicht immer erreichbar. Meine Schlafstätten sind Wohnungen von Freunden, die ihren Urlaub auf Bali, Hawaii und Atlanta verbringen. Alle zwei bis drei Wochen ziehe ich weiter, hinterlasse kaum Spuren. Wer mich erreichen will, schickt mir am besten eine Email.

“Mensch, so gut wie Du möchte ich es mal haben. Du hast doch eine Menge Freiheit; kannst mal einen Tag frei nehmen und zum Strand fahren”, meinte letztens ein Freund aus Deutschland. Klar könnte ich, mache ich sogar manchmal. Aber die ‘riesige Freiheit’, die wir Telearbeiter oder Virtuelle Nomaden genießen, ist letztendlich eine große Illusion.

Freiheit beginnt im Kopf. So lange man da nicht frei ist, ist der Nachmittag am Strand wenig entspannend. Dann sitzt man da, schaut aufs Wasser und statt den Anblick und das Meeresrauschen zu genießen, fragt man sich, wie man die verlorene Zeit wieder hereinholen kann.

Viele nehmen Arbeit mit nach Hause, entweder in Papier- oder zumindest in Sorgenform. Wer sich davon nicht befreien kann, bleibt trotz technischer Freiheit durch Handys und Notebooks immer sein eigener Sklave. Für ein solches modernes Sklaventum entscheiden sich jedoch immer mehr, vor allem Programmierer und Projektmanager. “Wenn wir schon die technischen Möglichkeiten haben, warum suche ich mir nicht einfach den besten Ort zum Leben und lasse die Arbeit folgen?”, fragen sich viele und buchen das Ticket nach Teneriffa.

Arbeiten auf einer Insel, man braucht nur eine vernünftige Internetverbindung, das wäre es doch, oder? Während die Aussteiger glauben, die analoge Arbeitswelt hätte gerade auf sie gewartet, sieht die Wirklichkeit oft ganz anders aus. Wer mal versucht hat, Projekte nur per Email abzuwickeln, merkt sehr schnell, wie professionell der Auftraggeber wirklich ist. Gesteigerte Freiheit bedeutet oft auch höhere Abhängigkeiten von Technik und Auftraggebern, die sich eine stärkere Machtposition einbilden und diese natürlich ausnutzen wollen.

Feiglinge kommunizieren Kritik per Email, für Lob bleibt keine Zeit. In der virtuellen Welt gibt es keinen Augenkontakt, kein Schulterklopfen; Telearbeiter mutieren leider viel zu oft zu gesichtslosen Produktionseinheiten. Natürlich fehlt mir die Büroatmosphäre, der belanglose Plausch am Kaffeeautomaten, Small Talk, der mich wieder auf Ideen bringt. Da helfen auch Email und Online-Communities nicht weiter. Aber eine mögliche Resozialisierung wird zunehmend schwieriger. Welcher Arbeitgeber versteht schon, dass man während eines Spaziergangs durch den Wald durchaus produktiv sein kann oder besser seinem eigenen Biorythmus folgt, statt um Punkt Neun auf der Matte zu stehen? Da übe ich doch lieber noch ein wenig das Schweben in der Luft, über dem Bodenlosen und im virtuellen Raum.

Jetzt wird mir alles zu viel in San Francisco. Aber ich bleibe noch dran. Die Geschwindigkeit muss ich aushalten, irgendwie. Oder: einen anderen Weg finden und herunterbremsen. Das habe ich alles in dieser Kolumne verarbeitet.

“Schneller. Gib endlich mal Gas. Dein Schneckentempo ist ja kaum auszuhalten!” Wer mit Dave unterwegs ist, kommt nie zum Durchatmen. Sein blinder Aktionismus, nervöses Zucken der Backenmuskulatur und das affige Marschieren im New York-Tempo nervt mich richtig an. Seit ein paar Monaten ist der Typ so richtig auf Geschwindigkeit. Speed, Kokain, er redet so schnell als hätte er einen beherzten Zug aus einem mit Helium gefüllten Luftballon genommen. Wie damals die Lehrerin von Charly Brown mit lustiger, aber unverständlicher Trompetenstimme.

Dave arbeitet in einem der Startups im Multimedia-Viertel in San Francisco, wo inzwischen ein erheblich rauerer Wind bläst. Schlechte Zeiten für “Party-Crasher”, nur noch wenige Networkingparties lenken die Intenetniks von der Arbeit ab. “Jetzt muss mal Geld verdient werden. Die Kletterwand ist ja ganz nett und die Technobeats auch, aber wann kommen die Gewinne?” kreischen Investoren mit zu fest geschnürten Krawatten, ein sicheres Zeichen für schwindende Humorlosigkeit. Humor hatten sie eigentlich noch nie, aber mehr Geduld und Enthusiasmus. Davon hatte Dave besonders viel.

Das große Abenteuer, ein Pionier der ersten Stunde, Dave war ganz vorne, gleich auf Wolke Sieben. Jetzt spürt er den Druck und kann damit nicht umgehen. Wie so viele seiner Kollegen lebt er am Anschlag: In seine Position ist er damals nur so herein gerutscht. Sein luftiges Gerede vertuscht schon lange nicht mehr die krasse Inkompetenz, die er inzwischen sogar offen zugibt. Seine Kollegen haben ja das gleiche Problem. Er rudert wie wild; es fehlt ein Steuermann, der ihn wieder auf den richtigen Kurs bringt.

Dave ist kein Einzelfall im Silicon Valley. Überall laufen entweder pathetische oder aufgedrehte Monster herum – je nach dem, ob gerade ‘Upper’- oder ‘Downer’-Drogen eingeworfen wurden. Nur so läßt sich anscheinend der irre Druck, die hohe Schlagzahl noch aushalten. Nach außen wahren jedoch viele das Gesicht des Champions: Wer länger und und auch an den Wochenenden arbeitet, ist auch zufriedener mit seiner Arbeit, fand vor kurzem der Industry Standard in einer Studie heraus. Vom Privatleben keine Rede. Gibt’s ja meistens auch keins.

Derweil dreht sich das Karussell immer schneller. Manche lieben den ständigen Adrenalinausstoß. Und weil sie sich schnell an die Geschwindigkeit gewöhnen, muss es immer fixer sein. Niemand bekommt mehr feuchte Hände auf dem Polypen. Andere halten sich nur noch krampfhaft fest, sind höchst unzufrieden mit einem Leben, dessen letzter Antrieb – Geld und Ruhm – immer unwahrscheinlicher eintrifft. Gleichzeitig steigt der Leidensdruck.

Wie sich die Zeiten doch ändern. Damals in den 60er Jahren dachte man doch tatsächlich, dass uns neue Technologien ein entspanntes Freizeitleben ermöglichen würden. Aber das Gegenteil ist eingetreten. Wir hetzen nur noch hinterher. Emails müssen beantwortet werden, überall ploppen neue Pagerfenster auf, der Anrufbeantworter wird unangehört wieder in Nullstellung gebracht. Wir leben in ständiger Angst, dass jemand schneller bessere und vor allem relevantere Informationen findet oder selbst herstellt. Ein Wettlauf, der in Zukunft immer mehr Opfer bringen wird.

Die Abhängigen und Geschädigten der neuen Geschwindigkeitsseuche sind gleichzeitig auch die Anschieber. Technologischer Fortschritt lässt sich nicht aufhalten. Der Umgang damit muss sich ändern. Wenn wir noch schneller zum Ziel wollen, dann kommen wir vielleicht gar nicht erst an. Denn oft tritt man erst auf die Bremsen, wenn die Wand schon bedrohlich nah ist. Wenn auch Sie sich im Geschwindigkeitsrausch befinden, dann sollten Sie wenigstens ab und zu mal Ihre Bremsen testen – aber immer die Hände am Lenkrad halten.

Und jetzt kommen auch noch die modernen Bestatter. Controller. Wer nun überleben will, muss mehr arbeiten, möglichst nur für Versprechungen. So beschreibe ich das in einer Kolumne.

In dunkleren Zeiten haben die freudlosen, knochigen Typen mit Nickelbrille, spitzem Bleistift und Taschenrechner Konjunktur: “Controller”. Ein listiges Lächeln umspielt ihre Lippen, während sie durch die Büroräume schleichen und sich vergnügt denken, dass man die eine oder andere Abteilung eigentlich auch schließen könnte. Gleich mal durchrechnen und dem Chef vorschlagen. In solchen Zeiten muss gespart werden. Unternehmen werfen Ballast ab, die Steigerung der Effizienz steht auf dem Programm.

Manchmal denke ich, auch mir könnte ein wenig Effizienz gut tun. Erst kürzlich hatte ich wieder einen dieser Tage, an denen man konstant neben sich steht und in den wenigen, bewusst erlebten Momenten kurz das Wort “Zeitverschwendung” in roten Buchstaben aufleuchtet, verblasst und von einem nebligen, indifferenten Grau eingelullt wird.

Warum passiert mir das nur so oft bei Konferenzen wie kürzlich auf der Seybold-Konferenz in San Francisco? Ich war mit friedlichen Absichten gekommen: Das Programmheft versprach mir verschiedene Diskussionsrunden zum Thema “Wie man die Effizienz mit Content Management-Lösungen steigert.” Zunächst war auch alles schön und gut, mir wurde wieder einmal die Vorteile von CMS eingehämmert, all das Effizienz-BlaBla, das wir schon seit Jahren kennen. Und wenn Amerikaner etwas können, dann ist es das spektakuläre Verkaufen von veralteten Weisheiten, unwichtigen Nebensächlichkeiten, einseitigen Marketingsprechblasen.

Alles zog wie ein Film an mir vorbei. Neben mir saß eine Frau, die mit dem Kugelschreiber kleine krakelige Blümchen und Labyrinthe auf die Pressemappe malte. Ich stupste sie leicht mit meinem Ellenbogen an und fragte sie leise, ob es ihr ähnlich gehen würde: Wenn diese Menschen auf dem Podium so effizient arbeiten wie sie hier sprechen, sollte man dann nicht gleich nach Hause gehen?

“Jeder redet hier über Effizienzverbesserungen, aber niemand rückt mit den Zahlen raus – das muss doch einen Grund haben!”, flüsterte sie mir mit wild flackernden Augen zu. Doch dann, fast so als hätte man uns kleine Würmer in der hinteren Reihe erhört, wurden tatsächliche Fakten ins Rennen geschickt: “Mit CMS spart jeder Mitarbeiter zehn Minuten pro Tag!” Gedankenlos übertrug ich das in mein kleines Notizbuch, las es noch mal und stutze: Was nur zehn Minuten?

Zeit ist Geld. Und in einem Umfeld, in dem Menschen nur als Parameter, als Instrumente oder Kostenträger gesehen werden, da mag die Rechnung aufgehen. Zehn Minuten gespart, bei 20.000 Mitarbeitern ist das eine Menge. Aber kann man die zehn Minuten nicht auch woanders einsparen? Vielleicht ein nutzloses Meeting weniger am Tag, auf drei weiter geleitete Emails verzichten, einmal weniger in die Luft gestarrt und vom Abendessen geträumt oder die “ganz wichtige” Recherche im Web (Hawaii+vacation) verschoben.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Die verschiedenen Workflow- und CM-Lösungen haben natürlich eine Lebensberechtigung. Schließlich helfen sie uns, unser Arbeitsleben etwas besser zu organisieren und transparenter zu machen. Aber akkumulierte Zahlen sagen nichts aus. Wir würden erheblich mehr Zeit sparen, wenn wir endlich lernen würden, mit Daten und Informationen verantwortungsvoll umzugehen. Also vorher mal nachdenken, ob wir die Email oder das Dokument wirklich schreiben müssen, bevor uns ein System dabei hilft, es ins richtige Verzeichnis zu speichern. Oder uns genau überlegen, was wir mit unserer Email bezwecken wollen.

Aber selbst dann, Menschen sind keine Maschinen. Systeme sind hilfreich, wenn sie auch benutzt werden. Dazu gehört Ausbildung, auch ein Kostenfaktor. Und wer nicht in der Lage ist, sein Word-Dokument auffindbar abzuspeichern, wird auch mit jedem anderen System ein Problem haben. Die knochigen Damen und Herren aus der Zahlenabteilung werden dafür nur wenig Verständnis haben. Schließlich geht es letztendlich doch um Messbarkeit, um Zahlen. “Ordnung” ist der Traum aller Control-Freaks; aber Chaos und unkalkulierte Probleme lassen sich dadurch kaum unterdrücken.

Das musste mal sein. In der Kolumne oute ich mich als “Weißnichts”. Dabei wollte ich nur darauf hinweisen, dass künftig andere Tugenden wichtiger sind als das stupide Auswendiglernen. Jetzt kommt die Kolumne dazu.

So viele – und ich auch – haben mit dem “gefährlichen Halbwissen” zu kämpfen: Man behauptet, alles zu wissen, aber nicht immer ist das wahr. Gewiefte Journalisten verpacken Information so, dass der Neuling begeistert ist und der Profi nicht allzu sehr verärgert wird. Ein Eiertanz mit vielen Verlierern. Manche selbst ernannten Visionäre meinen, sie hätten die Weisheit mit Löffeln gefressen. Sie stellen sich dann auf eine Apfelsinenkiste und rufen: “Seht her, ich bin Euer Guru; ich weiß Bescheid, kenne die Zukunft. So folgt mir und Ihr werdet reicher, glücklicher, entspannter und zufriedener.” Nur schöner nicht.

Das kann ich Ihnen auch nicht versprechen. Ich habe mit den gleichen Problemen wie Sie zu kämpfen: Zu wenig Zeit, zu viele Informationen mit geringem Nährwert, oft zu wenig Energie und Motivation, um mich in ständig ändernde komplexe Zusammenhänge einzudenken. Oft erscheint es mir als reine Zeitverschwendung. Alles eine Sache der persönlichen Prioritäten.

In meiner E-Mailbox verfangen sich pro Tag mindestens 80 Emails, die meisten werden automatisch in die jeweiligen Ordner gefiltert, die restlichen Emails gelöscht oder sofort nach der “heißen Kartoffelmethode” beantwortet: Nur weg damit, denn letztendlich will ich ja nur meine Ruhe. Geht es Ihnen nicht auch so? Wie viele Newsletter und Digests abonnieren Sie, wie viele davon lesen Sie tatsächlich jeden Tag und was bringt es Ihnen wirklich für Ihre Arbeit oder Ihr Vergnügen? Meine Emails an Freunde, Bekannte oder Geschäftspartner werden kürzer, ich schreibe in den Betreff schon lange nicht mehr “Lustige Lachund Sachgeschichten”, sondern konkretes: “morgen um 19 treffen? Ruf mich an, Tel….” – quasi eine SMS als Email.

Mein promptes Zurückschreiben bereitet mir auch nur Probleme; nur, weil meine Antworten zuverlässig wie aus der Pistole geschossen kommen. Gestern bekam ich dazu eine erboste Nachricht: “Ich habe Dir vorgestern geschrieben und Du hast Dich heute noch immer nicht dazu geäußert! Was ist los?”. Ich habe meine Korrespondenzpartner offenbar zu sehr verwöhnt; die glauben wohl, ich hätte nichts anderes zu tun, als immer sofort zu springen? Nicht mit mir und so schlug alles ins Gegenteil, einer klassischen Trotzreaktion um: Ich antwortete erst recht nicht. Dann deinstallierte ich den Yahoo-Pager, mit dem ich sowieso nur noch anonym surfte. Und ich ging noch einen Schritt weiter, kündigte Newsletterabos, die sich ungelesen in den Ordnern sammelten. Jetzt fühle ich mich freier, habe mehr Zeit, um mich meinen Freunde zu widmen.

Wer Informationen hat, besitzt bekanntlich nicht gleichzeitig auch Wissen. Filter sind wichtig, aber langfristig nicht die ultimative Lösung. Wir sollten schleunigst verlernen, immer mehr Informationen anzuhäufen und statt dessen lernen, rechtzeitig aufzuhören, unserer Recherche zu vertrauen und lieber die richtigen Fragen zu stellen: ‘Wer fragt, ist dumm’, gilt schon lange nicht mehr. Im Gegenteil, wer behauptet, alles zu wissen, kann so viel im Web surfen oder Emaillisten lesen, es gibt immer noch jemanden, der mehr weiß – und denjenigen gilt es zu finden, und wenn es nur Ihr Frisör ist.

Sie werden die ‘Info-Revolution’ nur überleben, wenn Sie täglich ehrlich prüfen, welche Informationen Sie momentan wirklich brauchen (statt sie nur wie ein kleines Kind zu ‘wollen’) und was wohl passiert, wenn sie etwas verpasst haben, weil sie gestern den Newsletter nicht gelesen haben. Werden Sie deswegen den Job verlieren? Aber genau davor haben so viele Angst, verstecken sich hinter Worten und Begriffen, die sie nicht verstehen, wiederholen leere Phrasen von Experten, die auch nicht mehr kapieren. Nur weil sie sich und anderen nicht eingestehen wollen, dass sie gerade nicht auf dem neuesten Stand sind. Aber wer ist das schon? Schon Morgen ist ein neuer Tag und wirft das uns bisher Bekannte, an das wir uns so fest klammern, schon wieder über den Haufen.

Gefragt ist eine neue, frische Aufgeschlossenheit ohne vorgefasste, meist veraltete Fakten und verkrustete Meinungen. Wer das begreift, steigt vielleicht zusammen mit mir auf die Kiste und ruft: “Seht her, wir wissen nicht viel, aber lasst uns zusammen werfen, vielleicht finden wir es gemeinsam heraus.”

P2P kam einfach zu einer schwierigen Zeit. Technisch und sozial spannend, hatten die Unternehmen einfach viel weniger Geld und Leute zur Verfügung, um es richtig umzusetzen. Es blieb zunächst bei den Anfängen. Zudem hatten die Ansätze immer die Musikund Filmindustrie zu fürchten, denn meistens wurde P2P immer nur mit illegalen Inhalten in Verbindung gebracht.

Letztens habe ich zum ersten Mal eine “Open Source”-Cola getrunken. Nun bin ich zwar kein großer Cola-Trinker, aber da es ziemlich warm war, entschloss ich mich, die eisgekühlte silberne Blechbüchse nicht nur an meine Stirn zu halten, sondern auch ganz tapfer das braune, aggressiv blubbernde Rülpswässerchen zu probieren. Gar nicht schlecht, nicht ganz so süß und Magenschmerzen habe ich davon auch nicht bekommen.

Was ist daran “Open Source”, werden Sie sich fragen? Im Gegensatz zu den proprietären Brausegetränken von Coca Cola oder Pepsi finden Sie das Rezept für die OpenCola auf der gleichnamigen Dot-Com-Website. Also den verstaubten Mixbecher raus kramen und selber ausprobieren!

Auf der Site von OpenCola finden Sie aber nicht nur lustige Rezepte, sondern bald auch eine Betaversion der neuen OpenCola-P2P-Suchmaschine.Laut Cory Doctorow, ehemaliger Science-Fiction-Schriftsteller und Gründer, findet OpenCola Informationen und Programme, nach denen wir eigentlich gar nicht suchen. Normalerweise empfängt ihn daraufhin ein wohlwollendes Kopfnicken, denn das ist ja nun wirklich nicht revolutionär. Das Interessante an der Suchmaschine ist jedoch, dass OpenCola Informationen finden soll, an die wir zu Beginn unserer Suche niemals dachten, die sich aber auf mysteriöse Weise als so relevant heraus stellen, dass wir ohne sie nicht mehr leben können.

Was steckt dahinter? Statt auf einen zentralen Suchindex zu setzen, durchforstet OpenCola die auf den lokalen Festplatten der Benutzer abgelegten Dokumente jeglicher Art, Verknüpfungen oder auch Programme. Sobald Sie online sind, weist OpenCola den freigeschalteten Verzeichnissen URLs zu und vergleicht die Inhalte mit den Verzeichnissen anderer OpenCola-Benutzer, die ebenfalls gerade online sind und nach ähnlichen Dokumenten oder Dateien suchen oder solche anbieten. Der Robot überträgt nun die relevantesten Dateien in Ihren Ordner, die gefundenen Resultate lassen sich dann bewerten, gleichzeitig löschen und für weitere Durchgänge verfeinern.

OpenCola soll mit der Zeit so mit lernen, dass es nur noch relevante Information überträgt und den ganzen anderen Datenmüll nicht mehr anpackt. Hört sich genial an, nur die technische Umsetzung ist nicht gerade trivial. Doch gehen wir einmal davon aus, dass die Teufelskerle von OpenCola im kollektiven Coffeinrausch eine lauffähige Version hin bekommen: Macht eine P2P-Suchmaschine überhaupt Sinn?

Langfristig glaube ich an das ‘globale Gedächtnis’, aber ich bin skeptisch, dass P2P-Suchmaschinen in der nahen Zukunft tatsächlich unsere Suchgewohnheiten über den Haufen werfen werden. Die Gründe dafür sind vielfältig: Ignoranz, Unwissenheit und Faulheit.

Google ist so erfolgreich, weil es sich von alleine erklärt. Auf der Seite ist ein Eingabefenster, dort tippt man etwas ein und das System spuckt ein Suchergebnis aus. Komplizierter darf es anscheinend nicht mehr werden: Ein Mitarbeiter von Alta Vista erklärte mir kürzlich, dass der meist gesuchte Begriff nicht ‘Sex’, sondern ’leer’ sei – Benutzer geben nichts in das Suchfenster ein und klicken auf ‘Suche’. Das ist die Realität und die dumpfe Masse, die OpenCola aber auch braucht, um erfolgreich zu sein. Denn je mehr Benutzer das System benutzen, desto feiner und relevanter werden die Suchergebnisse.

Ich befürchte, OpenCola muss zu viel erklären und das könnte viele abschrecken. Ein weiteres Problem ist, dass die Informationen nicht ständig verfügbar sind, da nicht jeder Benutzer eine Standleitung besitzt. Da hockt einer auf den Informationen, die ich brauche, ist aber offline oder nicht bereit, damit heraus zu rücken. Denkt man das weiter, wird man schnell wahnsinnig. Bleibt also abzuwarten, ob wir mit P2P das Netz tatsächlich näher zusammen bringen oder es weiter aufbrechen.

Ob OpenCola oder der bisherige Mitkonkurrent Infrasearch erfolgreich werden wird, steht in den Sternen. Aber das Open Source-Brausegetränk ist nicht mehr aufzuhalten. OpenCola will an amerikanischen Universitäten zum Spaß ein paar Getränkeautomaten aufstellen. In schweren Zeiten ist es immer gut, mehrere Pferdchen im Rennen zu haben.

Konzentration auf die Essenz. Ein Kolumne, wahrscheinlichh kurz nach einer Meditationssitzung geschrieben.

Haben Sie schon einmal vom „Monkey Mind“ gehört? Der Affe springt von Ast zu Ast. Rastlos. Er bleibt ein paar Sekunden sitzen, dann geht es weiter. Oft fragt er sich, was er denn hier macht. Weiter springen natürlich, zum nächsten Ast. “Soll ich hier bleiben, oder woanders hin?” fragt er sich. Er zermartert sich sein Gehirn, findet keine Antwort. Also weiter. Irgendwann mal wird der Affe müde, hockt sich hin, kommt zur Ruhe. Dann wird im klar: Das viele Rumgehopse bringt ihn auch nicht viel weiter.

Was hat das alles mit dem Internet zu tun, werden Sie sich fragen. Der Affe symbolisiert nichts anderes als unseren Verstand; das ständige Geplapper, der Mann im Ohr; all das, was wir uns einreden, wenn wir unter der Dusche stehen oder auf den Bus warten: “Was kommt heute auf mich zu?“ oder „Vielleicht hätte ich doch das blaue Hemd anziehen sollen.” Glauben Sie mir, niemand interessiert es. Auch nicht auf dem Web. Dennoch schießen sogenannte Weblogs nur so aus dem Boden. Mein Nachbar führt auch so ein Tagebuch online. Warum muss er es veröffentlichen, ist doch alles sehr privat, frage ich ihn. Er meint, sein Leben wäre so spannend, dass jeder davon erfahren müsse. In Echtzeit, vom Affen gejagt. Niemand liest es. Warum auch?

Trotzdem beneide ich sein Durchhaltevermögen. Und zugegeben, Weblogs wie Blogger.com reizen mich schon. Seit einem guten Dreivierteljahr spiele ich damit herum, baue mir Templates, schreibe drei Tage hintereinander in mein Journal und vergesse es wieder. Dann stoße ich zufällig auf ein Weblog und denke mir: Schon cool, sollte mich wieder an meinen Blogger setzen. Vier Tage später ist das nächste Projekt halb abgeschlossen und wieder Geschichte.

Sie sehen, ich bin hin- und hergerissen. Schon springt der Affe los: Weblogs erscheinen mir rauer, ehrlicher, nicht gekünstelt. Ich wünschte, ich könnte meine Artikel so schreiben. Zudem haben viele Weblogs und Diskussionsforen wie Slashdot.org, Plastic.com oder Metafilter.org einen unglaublich hohen Informationswert. Hier lese ich Dinge, die ich niemals in der New York Times finden würde. Und auch nicht in Google, weil ich zunächst nicht danach suchte.

Die Idee ist gut, Artikel und Neuigkeiten – oft von den herkömmlichen Medien – wie Regenwürmer umzugraben, aufzulockern und zu recyclen. Doch trotz Filtermechanismen und “Karma-Punkten“ empfinde ich die derzeitige Diskussionskultur eher abschreckend. Je spezieller das Thema und länger die Threads, desto engstirniger, polarisierter und verletzender scheinen die Beiträge zu werden. Von Toleranz kaum eine Spur. Stattdessen ermüdende Nickeligkeiten, postpubertäre “Das stimmt nicht, ich habe Recht.” Irgendwo muss die überschüssige Energie von männlichen Benutzern in den Mittzwanzigern ja Ausdruck finden.

Die meisten Weblogs sind ebenfalls unausgewogen, sehr subjektiv, aber gerade deswegen sind sie ja wieder interessant. Kaum jemand kommt auf die Idee, Verknüpfungen zu Beiträgen und Meinungen andersdenkender Menschen zu setzen. Warum eigentlich nicht? Damit wird die eigene Meinung ja nicht entwertet, sondern eher veredelt.

Wer kann bei so vielen Blogs noch den Überblick behalten? Das schreit gerade nach vertikalen „Best of Blog“-Syndikaten, die von den kostenlosen Inhalten der Blogger profitieren und möglicherweise sogar ein Geschäft daraus machen. Deswegen gehen ja die “klassischen Contentanbieter“ auf dem Web den Bach herunter: Die Erstellung der Inhalte kostet Geld. Die neue Welle von “Hobbyjournalisten“ macht es (noch) kostenlos und in der Summe wahrscheinlich sogar interessanter als selbstgefällige, satte Journalisten, die zunehmend auf besser informierte Leser treffen.

Der Diskurs ist zu Ende, eine wahre Diskussion mit dem Leser ist die Zukunft. Wer sich als Journalist dagegen sträubt, geht unter. Dabei ist gegenseitiger Respekt wichtig: Autoren müssen lernen, Kritik besser zu vertragen; Leser sollten sich in einem konstruktiveren Ton üben. Denn es ist immer einfacher, Bestehendes zu kritisieren, statt selber etwa neues zu produzieren. Jetzt müssen wir nur noch unser “Monkey-Mind“ zähmen.

Antizyklisch denken: Das mag ich so an dem American Spirit: Man fällt, doch es muss weitergehen.

Die gegenwärtige Entwicklung in der “New Economy” erinnert mich an wenig an die Phasen nach einer Trennung von der Freundin oder Freund: Zuerst der Schock, man will es nicht wahrhaben. Danach glaubt man, man hätte es schon überstanden, doch es bleibt ein Schuss Bitterkeit, Wut vermischt mit Verdrängungsstrategien. Es dauert länger, bis so etwas verdaut ist; Nostalgie, Bilder von besseren Tagen führen letztendlich zur wahren Trauer, Selbstreflektionen und hoffentlich zu neuem Mut.

Während wir in Deutschland noch am Anfang des Zyklus sind, scheinen sich die Amis wieder zu berappeln; stehen auf, lecken die Wunden und kühlen den Kopf. Noch im Frühjahr sah das ganz anders aus: Viele meiner ausgepumpten und arbeitslosen ‘DotCom’-Freunde genossen die „Freizeit“ in vollen Zügen, sind erst mal für ein paar Wochen nach Europa zum Abschalten gefahren. Danach wird schon wieder alles gut sein, dachten sich viele. Aber Pustekuchen. Nichts ist besser geworden, immer mehr Unternehmen kippen Mitarbeiter auf die Straßen von San Francisco.

Von der “Spaßgesellschaft”, die auch in schlimmsten Zeiten noch dekadente „Pink Slip“-Parties organisierte, ist schon lange nichts mehr zu sehen. Doch die Stimmung wandelt sich so langsam: „Denk antizyklisch“ ist das aktuelle Mantra im Valley. Die wenigen großen Unternehmen, die das nötige finanzielle Duchhaltevermögen haben, können sich nun die besten Leute aussuchen und den Markt abschöpfen. “Old money” rettet die New Economy.

Auch im Medienbereich scheinen die belächelten Offline-Dinosaurier zu überleben. Vor eineinhalb Jahren passten die Amerikanischen “New Economy”-Magazine noch nicht mal mehr in den Briefkasten. Inzwischen werfe ich die dünnen Heftchen mitunter aus Versehen sofort in meinen Altpapier-Container, weil ich sie mit Supermarkt-Prospekten verwechsle. Und auch in Deutschland geht es nun los: “New Economy”-Magazine klappen zusammen, Online-Magazine pfeifen auf dem letzten Loch. Die Umsätze sind eingebrochen, mit dem Verkauf von Bannern lässt sich offenbar keine müde Mark mehr machen. Das Ergebnis: Online-Redaktionen werden geschlossen oder eingedampft, Sites nicht mehr so oft aktualisiert.

Ehrlich gesagt empfinde ich das wohltuend. Denn hoffentlich wird dann auch weniger Mist ins Netz gekippt, die Inhalte besser auf den Kunden abgestimmt, eine genauere Vorauswahl getroffen. Aber auch das wird möglicherweise nicht reichen, um zu überleben. Was tun? „Premium Dienste“ einführen, monatlich abkassieren? Das mag bei stark spezialisierten Sites funktionieren. Aber ich glaube nicht, dass Benutzer jemals zum Beispiel für Computer-News zahlen würden. Auch die Abrechnung pro Artikel ist nur in Einzelfällen sinnvoll. Auf die meisten Inhalte kann man doch sowieso verzichten.

Bedenklich ist jedoch eine andere Entwicklung: Die dynamischen Online-Macher von damals sind müde geworden, jetzt kommen die feigen “old school”-Verkäufer, die sich die Entwicklung aus dem „Off“ angeschaut haben und nun mit wenig innovativen Rezepten, aber viel Geld eine Rolle rückwärts vorschlagen. Verschiedene US-Verlage arbeiten gerade daran, Zeitschriften und Magazine im selben Layout wie die Print-Version ins Netz zu stellen und Benutzer dann dafür zahlen zu lassen. Seit ein paar Wochen dürfen Amerikanische Verlage Internet-Ausgaben zur Gesamtauflage addieren, wenn die Onlineversion mit der gedruckten Ausgabe fast identisch ist und mindestens 25 Prozent des normalen Preises kostet.

Ist das der Weg? Hier merkt man, dass die Onlineabteilungen der Verlage offenbar entmachtet sind. Der Chef hat sich das lange genug angeschaut und sowieso nie verstanden. Die Experimente sind vorbei, nun herrscht kühle Kalkulation: Die Auflage wird erhöht, die gedruckte Auflage bleibt konstant, Anzeigenkunden und der Verlag freuen sich. Und die Kunden stehen im Regen. Wo ist der Mehrwertnutzen? Was ist nun mit den vielen Studien, die uns immer einreden wollten, dass online Informationen anders aufbereitet werden müssen? Ob das in zwei Jahren noch jemanden interessiert? Bis dahin sind immer mehr Benutzer online, die vielleicht nichts anderes mehr kennen. So lange es jedoch kein ePaper gibt, das ich auch mit auf die Toilette nehmen und zerknüllt in die Ecke werfen kann, werde ich sicherlich nicht für Online-Magazine zahlen.

Und nun auch noch 9/11: Sie wissen schon, das Flugzeug, zwei Türme. New York. Ich war damals in Portland. Selbst hier hing jeder amerikanische Flaggen heraus und ich fragte mich ernsthaft: Will ich hier mein Leben lang bleiben, gehöre ich hierhin (die Antwort ist bekannt).

Ja spinnst Du, beide Türme vom World Trade Center sind gefällt und im Pentagon klafft ein Loch, größer als der Schlund eines Wals? Ich konnte es nicht glauben. Unfassbar. Die Stimme am anderen Ende der Leitung japste angestrengt und überschlug sich vor Aufregung: Schalte deinen Fernseher ein, dann siehst du es, live in Farbe. Terror, das kann Krieg bedeuten.

Sie kennen den Rest, die unglaublichen Bilder, Menschen springen verzweifelt von Häusern, solide Klötze klappen zusammen wie Kartenhäuser; überall eine chaotische Melange aus Feuer, Rauch, Dreck, Beton, Tränen und zerfetzten Leichenteilen. Was ist mit meinen New Yorker Freunden? Instinktiv der Griff zum Hörer. Das Telefonnetz an der Ostküste: tot. Meine Emails verwinden im Schwarzen Loch: nichts. Ein paar Stunden später trudeln die ersten Emails aus New York ein. “Wir leben”, heißt es lapidar. Dazwischen Spam: Lebensversicherungen, Pornos, Börsentipps, Penisvergrößerungen. Ich denke an Janice. Sie hat sich nicht gemeldet. Endlich erwische ich den Anrufbeantworter. Sie trällert: Bin gerade nicht verfügbar. Wo ist sie? TV und Radio analysieren lautstark um die Wette. Im Web stürzt alles zusammen. Die großen Zeitungen und Magazine sind dem Online-Ansturm nicht mehr gewachsen, kommen mit Notausgaben. Grafisch abgespeckt, dafür schneller. Guter Service, warum nicht immer so?

Manche Server sind völlig dicht. Selbst Google schreibt auf der Startseite: ‘Wenn Sie nach Neuigkeiten zu den Terrorattacken suchen, die aktuellsten Nachrichten bekommen Sie im TV oder Radio.’ Also, Radio an, nebenbei andere Web-Sites suchen. In den Diskussionsforen der verschiedenen Tageszeitungen geht es heiß her: Die Täter sind schon ausgemacht, die Sprache ist gewalttätig, Schuldzuweisungen, jeder ist plötzlich ein ‘Mittlerer Osten’-Experte. Grüße aus der ‘Peanut Gallery’. Mir wird schlecht. Ich ärgere mich über die unausgegorenen, aggressiven Postings und gehe offline.

Wie finde ich Janice? Das Telefonnetz ist noch immer überlastet. Sie wird sich schon melden, denke ich mir und bin wieder online. Inzwischen habe ich ein paar sehr gute Diskussionsgruppen gefunden. Also gibt es im Web doch noch vernünftige Menschen. Jede Diskussionsgruppe bekommt die Teilnehmer, die sie verdient. Im Fernsehen werden feixende Kinder gezeigt, die triumphal auf den Straßen Ost-Jerusalems tanzen.

Die Macht der Bilder. In den Newsgroups wird sogleich versichert: Das sind nur Kinder, alle anderen weinen. Die sofortige Antwort darauf: Von wegen, Tod allen imperialistischen Amerikanern, wir feiern! Meine Nackenhaare stellen sich hoch, ich fühle blinde Wut, lähmende Apathie und Trauer. Nun werden die ersten Augenzeugenberichte online gestellt. Ich lese drei der langen, emotionalen Beschreibungen. Dann verschwimmt alles in meinen Augen. Ich muss raus. Draußen scheint die Sonne, Vögel zwitschern, ein Eichhörnchen rennt mit einem Apfel im Maul den Baum hoch.

Einen Tag später noch immer keine Nachricht von Janice. Mache mir jetzt langsam Sorgen. Ich finde eine Liste der Verstorbenen im Netz. Zuerst schaue ich mir jeden Namen genau an. Dann verhärtet sich mein Zeigefinger auf der ‘scroll down’-Taste, die Namen verschmieren zu einer unlesbaren schwarzen Masse. Begraben unter Geröll. Die Bastards! Das FBI rückt an bei den ISPs und bringt ´Carnivore’, einen ‚Fleischfresser’ mit. Das System wird an den Server des ISPs gedockt, durchsucht sämtliche Emails und Messengernachrichten. Als ob Terroristen AOL benutzen würden. “You’ve got mail: von Osama666.” PGP ist bombensicher und ich bin mir sicher, Anonymizer sind auch inzwischen bei den langhaarigen Bombenlegern aus der Wüste bekannt. Wie sehr wird nun unsere Freiheit eingeschränkt? Wie weit sind wir bereit, unsere persönliche Freiheit gegen die öffentliche Sicherheit auszutauschen?

Amerika wurde mit Low-Tech, vermutlich Küchen- und Teppichmessern, Bombendrohungen bekämpft. Organisiert wurde es jedoch mit Hightech, modernster Kommunikation. Die Terroristen benutzen die selben Kabel wie wir – und die USA lieferte die Technologie, um es so abhörsicher wie möglich zu machen. Lässt sich so etwas wieder zurück drehen? Ich glaube es nicht, habe gerade aber auch keine klugen Lösungen. Nur dringliche Fragen. Janice hat sich noch immer nicht gemeldet.

Es gibt nichts umsonst. Das wurde nun klar. Aber wofür würden wir zahlen? Nun ein Versuch meinerseits. Das würde ich auch heute noch unterschreiben.

Langsam reicht es: Schluss mit der Schadenfreude über abgestürzte Startups im Silicon Valley, die Situation ist nun wirklich bitterernst. Allein in San Francisco sollen laut einer Studie bis Ende des Jahres 80 Prozent aller Internet-Unternehmen sterben und 30.000 Arbeitsplätze weg brechen. Aber das Kapitel ist noch lange nicht geschlossen. Meine einzige Befürchtung ist, dass bald auch die wenigen sinnvollen Dienste, an die wir uns so gewöhnt haben, über den Jordan gehen. Schuld ist nicht nur ein schwachbrüstiges Geschäftsmodell, sondern vor allem unsere Saugermentalität, unsere Ignoranz und Arroganz, alles kostenlos bekommen zu wollen.

Doch das wird sich ändern: In den USA und auch bald in Deutschland sind immer mehr Unternehmen gezwungen, Geld von den Benutzern zu verlangen, ansonsten droht der Exitus. Sie wollen ja auch Geld für Ihre Arbeit bekommen, oder?

Ich würde für folgende Dienste bezahlen:

  • Es gibt nichts schlimmeres als ein unzuverlässiger E-Maildienst: Letztens leitete mir ein Freund eine an mich geschickte Email weiter, die mit “Reiner – unknown user” an ihn zurück geschickt wurde. Allein mit dem ständigen Unbehagen zu leben, dass Emails an mich nicht zuverlässig ankommen, wäre mir einiges Wert. Wer auf Freemail besteht, sollte sich mal www.myrealbox.com anschauen. Myrealbox ist ein Service von Novel, kommt ganz ohne Banner aus, ist schnell, bietet POP, IMAP und SMTP, macht einen aufgeräumten und sehr soliden Eindruck. Vielleicht geht der Trend zu ähnlichen Projekten: Große Softwarefirmen wie Novel bekommen schnell eine kritische Masse zusammen, um die Skalierbarkeit der Produkte zu testen.
  • Content-Sites: Hätte ich genügend finanzielles Gewicht an den Füßen, würde ich für Aktienticker- und Nachrichten in Echtzeit zahlen. Allgemeine Nachrichten werden wir wohl immer kostenlos bekommen. Ausserdem brauchen wir ja nur das Radio oder den Fernseher einschalten. Dafür zahlen wir ja übrigens auch. Das Problem mit Online-Abos ist, dass es die alte Idee des Webs – Verbindung von Information mit Links – ziemlich aus den Angeln hebelt: Wer setzt schon einen Link zu einen Artikel, den nur ganz wenige Abonnenten lesen können? Und auch Suchmaschinen haben Probleme mit solchen Sites. Das Ergebnis: Weniger zugängliche Informationen und eine weitere Zersplitterung des Webs. Was fehlt, ist ein einfaches, globales und vor allem transparentes Micropaymentsystem. Ich wäre bereit, für einen Artikel ein paar cents zu zahlen, würde aber in einem kleinen Fenster in Echtzeit sehen wollen, wie viel ich für diesen Monat ausgegeben habe. Ansonsten setze ich vor allem auf die vielen individuellen Weblogs (blogger.com) und vernünftige Syndikatstools, um damit die Spreu vom Weizen, um die unreifen Lautredner von den feingeistigen Denkern zu trennen.
  • Suchmaschinen: DejaNews war für mich eines meiner wichtigsten Recherchetools. Im NInktomiachhinein wäre ich bereit gewesen, dafür monatlich einen Betrag zu zahlen. Wie lange bleiben Suchmaschinen noch kostenlos? Content-Provider werden in Zukunft zahlen müssen, gelistet zu werden. Looksmart, Yahoo US und Inktomi haben es schon angekündigt. Werden auch wir bald zur Kasse gebeten? Für Google würde ich vielleicht fünf Mark im Monat abdrücken. Aber es gibt ja verschiedene andere Alternativen am Horizont wie die P2P-Suchmaschinen OpenCola oder Infrasearch und ich bin mir sicher, dass wir noch einiges von der Open Source-Gemeinde sehen werden, weil Suchmaschinen und Email einfach die wichtigsten Anwendungen im Web sind.
  • Musik und andere Dienste: Mal abgesehen von anderen Möglichkeiten wie Gnutella oder iMesh: Fünf Dollar pro Monat wären okay, wenn das System schneller und stabiler wäre.
  • Generell würde ich nur für etwas zahlen, das auch tatsächlich reibungslos funktioniert – damit fallen schon 90 Prozent aller Anwendungen weg. Ich könnte locker auf Web-Kalender, Gelbe Seiten, Synchronisationsdienste und auch Pager verzichten. Obwohl im Pagerbereich momentan Jabber.com eine interessante kostenlose Alternative darstellt. Lediglich für Stadtplandienste wie MapQuest oder Mapblast könnte ich mir pro Benutzung eine kleine Summe, vielleicht 30 Pfennig vorstellen.

Natürlich werden sich einige lauthals beschweren, aber letztendlich haben wir keine große Wahl: Entweder wir belohnen die Programmierer und Unternehmen für eine gute Arbeit oder wir lassen die Unternehmen am langen Arm verhungern. Wofür würden Sie zahlen und wie viel? Lassen Sie es mich wissen.

Ich habe den Sprung nach Portland geschafft und freue mich, dass es auch hier genügend Nerds und Themen gibt – wenngleich ich mich nun immer mehr in das Thema “Erneuerbare Energien” und “Nachhaltigkeit“ bewege.

Ich spüre eine Revolution in der Luft: Breitband, wo immer Sie wollen; Internetzugang für fünf Mark im Monat. Jetzt. Und Ihre Nachbarn lernen Sie auch noch besser kennen. Sie glauben mir nicht? Zugegeben, ich war auch skeptisch. Aber ein Café Latte in San Francisco, der verrückte Bob und ein genialer Antennenmann konnten mich vom Gegenteil überzeugen.

Alles fing an im “Bean There” im Haight-District von San Francisco: Dort sitze ich ganz gerne an langsamen Nachmittagen und surfe mit meinem Funkmodem ein wenig im Web herum. Vor gut vier Jahren war das Ricochet-Funkmodem noch so richtig cool: 33,6 kb/s, überall in der Bay-Area. Notebook aufklappen, Modem einschalten, Standleitung. 30 Dollar für die Leitung, den Zugang und neidische Kollegen in Deutschland. Inzwischen ist das ein müder Zock und die kürzlich vorgestellte 128kb-Variante mit fast 100 Mark pro Monat ist nicht gerade billig.

Doch seit Anfang des Jahres gibt es “Surf and Sip”: Das Unternehmen installiert in Bay-Area-Kaffeehäusern sogenannte “WAPs” (Wireless Access Points). Letztendlich sind das sind nichts anderes als Router mit kleinen Antennen, die dann an die T1-, Kabel- oder DSL-Verbindung gehängt werden. Wer eine “Wireless Network”-Karte in sein Notebook rammt, kann über die 2,4 GHz-“Mikrowellenfrequenz” und dem 802.11b-Standard mit bis zu 11MB/s surfen. Es genügte „Bis zum Ende des Jahres kostenlos“ im Bean There ausgelegten Faltblatt zu lesen, um zum Computerladen zu laufen und dort eine Funkmodemkarte für 99 Dollar zu kaufen.

Surf and Sip funkt nun in mehr als 30 Cafes in der San Francisco Bay Area. Die Kaffeehauskette Starbucks will in Zusammenarbeit mit Microsoft (in San Francisco sagt man: „evil meets evil”) in allen Starbucks-Filialen solche drahtlosen Netzwerke aufbauen. Ob “Surf and Sip” es überleben wird, ist fraglich: Nur die Arbeitslosigkeit ist momentan noch kostenlos zu haben. Ein Angebot, so unwiderstehlich, nur wenige kommen hier daran vorbei.

Was haben nun Bob und der Antennenmann damit zu tun? Beide haben noch einen Job. Vielleicht, weil sie nicht in San Fran, sondern in Portland im Bundesstaat Oregon leben. In Portland gibt weder Ricochet noch Surf and Surf. Aber mich gibt es hier: Kurzzeitig aus der saftlosen, gewaltig implodierenden Silicon Valley-„Bubble“ geflüchtet, offline, unerreichbar und auf DSL wartend. Bob traf ich ebenfalls in einem Kaffeehaus gleich um die Ecke und er erzählte mir, dass er einen privaten, drahtlosen Zugangsknoten habe. Glücklicherweise wohnt er nur einen Block von mir entfernt. So richtete er mir eine IP-Adresse ein, stellte die Antenne aufs Dach und schon konnte ich Zuhause auf der hölzernen Hollywood-Schaukel wippend seinen DSL-Anschluss benutzen.

Bob gehört zur ‘Old School’, sein Keller ist voll mit altem Computerschrott, wir steigen über vergilbte Computerbücher, vertrocknete Zimmerpflanzen. Er trägt ein altes Jerry Garcia-Hemd in verwaschenen Regenbogenfarben und schreibt neben Flash Japanische Haikus, die er mit XML in einer anderen Dimension für weitere Interpretationen darstellen will. Bob war es, der mich mit den Organisatoren des Portland-Stadtnetzes und dem Antennenmann zusammen brachte. Auf einer Sitzung von pdxwireless.org zeigte er, wie man eine vernünftige Antenne für einen Materialwert von 30 Mark bauen kann. Er war der Held des Abends.

In Portland, Seattle, New York und San Francisco schießen momentan ‘Community-Netzwerke’ aus dem Boden. Die WAPs, die Hardware-Samen der kommenden “Luftigen Revolution”, kosten in den USA nur noch 250 Dollar und damit kann jeder sein eigener ISP werden. Warum 50 Mark zahlen, wenn man sich eine DSL-Leitung auch mit 20 anderen teilen kann? Für Email und ein wenig Websurfen reicht es allemal. Und wer eine vernünftige Antenne hat, kommt richtig weit damit.

In Seattle überbrücken Antennen Distanzen in Sichtweite von bis zu 8 Meilen. Noch ist es ein Spielzeug mit vielen Kinderkrankheiten und Sicherheitsbedenken, keine Konkurrenz für ISPs und den Telekommunikationsunternehmen. Niemand weiß, was daraus wächst. Aber es bringt einen neuen Aspekt in Sachen ‚Community’: Offline-Nachbarn werden plötzlich Alliierte, vielleicht klingeln auch Sie demnächst an Nachbars Tür und fragen, ob er oder sie Teil der drahtlosen Revolution werden will. Spüren Sie es schon?

9/11 schwingt nach. Ein Vergleich der Internet-Aktivitäten drei Jahre zuvor (Kosovo-Krieg) und nach 9/11. Noch ein Zeitdokument.

Tel Aviv, vor knapp drei Jahren: Ich komme gerade von einem Interview beim Israelischen Wirtschaftsministerium, will aus dem Fahrstuhl in die Eingangshalle treten, da stürzt sich ein olivgrün uniformierter und schwer bewaffneter Sicherheitsbeamter in meinen Weg und ruft: Sie dürfen nicht weiter! Aber warum?, frage ich. Er zeigt auf die andere Seite der Halle, dort sehe ich das Schild der Postbehörde.

“Suspicious object, BOMB!”, schreit er mit seinem roten Gesicht. Nur ein paar Sekunden später höre ich einen lauten Knall, die Bombe wurde von den Fachleuten der Bombenentschärfungssquad gesprengt. Damals fragte ich meinen Gastgeber, wie die Israelis mit den täglichen Bombenexplosionen umgehen. Er erklärte mir, dass es im Mittleren Osten zwei verschiedene Gruppen gibt: Die “thrivers”(Blühenden) und die „survivors“ (Überlebenden). Während die “Überlebenden” jede kleinste politische und militärische Entwicklung verfolgen, jede Neuigkeit interpretieren, analysieren und in ständiger Angst nur noch paralysiert und im Verfolgungswahn durch die Straßen laufen, nehmen die “Blühenden” nur die notwendigsten News auf und versuchen ein “normales” Leben zu führen. Das Flugzeug fliegt sehr niedrig? Na gut, es wird mich schon nicht treffen, also weiter zum Strand.

In heutigen Zeiten ist es gar nicht so einfach, ein thriver zu sein. Damals im Golf-Krieg war alles noch überschaubar: Wir verließen uns auf die Meldungen und Analysen der Korrespondenten in den Tageszeitungen, Magazinen oder auf CNN. Die von Zensur gesäuberte Kriegsberichterstattungen zeigten uns nur sorgsam zusammen geschnittene Schwarzweißbilder mit grünen Fadenkreuzen und hellen Explosionen; aber niemals die Gesichter der Sterbenden. Doch nun haben wir die freie Auswahl: Im Netz finden sich die traditionellen Medien, aber auch alternative Meinungen, Fotos, Analysen, Experten aus Asien und dem Mittleren Osten, eine Vielfalt an Meinungen und Stimmen, die uns sonst vorenthalten würden.

Dennoch: Im Vergleich zum Kosovo-Krieg spielt das Internet eine andere Rolle. Das Internet machte damals den Kosovo-Krieg gleichzeitig menschlich und unmenschlicher: Plötzlich konnten wir in Newsgroups mit den “Gegnern” reden. Schnell stellte sich heraus, dass auf “der anderen Seite” ja auch nur „Menschen wie Du und Ich“ an den Rechner saßen; Menschen, die Angst vor dem Sterben hatten und das Internet als Transportmedium benutzten. Zum ersten Mal bildete sich in der Netzgemeinde ein neues Bewusstsein heraus: Wir sitzen tatsächlich im selben Boot, Menschen müssen unter politischen Herrschern leiden, Kriege wurden plötzlich menschlicher, persönlicher und grausamer. Und nun? Auf AOL gibt es keine Chat-Session mit den Terroristen. Schon vor längerer Zeit wurde in Afghanistan das Internet und auch TV aufgrund “moralischer Korruption” verdammt und verbannt. In den abgeworfenen Care-Paketen der Amerikaner liegen keine Palm-Pilots, sondern Radios, auf denen „Voice of America“ voreingestellt ist. Eine Berichterstattung vor Ort findet nicht mehr statt, wir hören nichts von sterbenden Afghanis, keine Augenzeugenberichte, nur Spekulationen oder gesteuerte Informationen des Talibans. Alles läuft vorbei wie in einem Film.

Al-Jazeera, der einzige TV-Sender, der noch Bilder aus Kabul sendet, soll auf Drängen von Colin Powell die “Anti-Amerikanischen Tiraden“ einstellen und möglichst überhaupt nicht mehr aus Kabul berichten. Damit hätten die Amerikaner erreicht, was schon damals in Irak geklappt hat: Die Kontrolle der Medien. Den vielen Kommentatoren im Netz bleibt nur noch eine frustrierende „Second-Hand“-Berichterstattung: Das kollektive Fischen im Dunkeln, immer abhängig von den Informationshäppchen der Bush-Regierung. Und die surft sicherlich nicht im Netz herum und schaut, welche Verschwörungstheorien in den Newsgroups gedreht werden.

Ich muss zugeben, die letzten Wochen war auch ich eher ein „survivor“, nahm jede Neuigkeit auf wie ein nasser Schwamm, surfte die vielen Websites an, immer mit sonoren Radiostimmen im Hintergrund. Doch inzwischen tendiere ich wieder zum „thriver“, bleibe lieber in Kontakt mit Freunden weltweit, höre Geschichten aus dem persönlichen Umfeld. Wir teilen unsere Ängste und Hoffnungen. Das schweißt zusammen. Und das gibt Hoffnung, dass wir Menschen dann doch noch verstehen, dass wir alle im selben Boot sitzen und auch nur zusammen untergehen oder überleben.

Schadenfreude im Netz. Jetzt gehen den Startups reihenweise das Geld aus. Ich werde bald nach Portland ziehen, weil ich einfach nicht mehr die ganze Zeit Startups schriftlich beerdigen mag.

Neulich rief ein amerikanischer Kollege an und fragte mich, ob ich etwas mit dem deutschen Begriff “Shädanfoeude” anfangen könne. Schadenfreude. Ein neues Konzept für die Amerikaner. Wenn in Deutschland jemand auf einer Bananenschale ausrutscht, dann lachen sich alle auch noch halb schief. In den USA schaut man verstohlen weg, versucht sogar zu helfen — oder man bewegt sich dezent in einen Nebenraum, um dort in Sicherheit dem schallenden Gelächter freien Lauf zu lassen.

Auch das Prinzip des bayrischen “Granteln” ist den Amerikanern recht fremd. Alles ist “very exciting” — “oh, wie aufregend, eine neue Softwareversion.” Kritik wird nur sehr diplomatisch geübt, der sprachlich grobe “Das ist doch alles Schwachsinn”-Holzhammer wird niemals in aller Öffentlichkeit auf den werten Mitmenschen geschlagen. Doch das ist jetzt anders. Bei fuckedcompany.com wird jeden Tag ein neues Fass angeschlagen, Büchsen mit fiesen Würmern geöffnet und Lecks in die mit Piratenflaggen geschmückte Sportboote gebombt.

Alles ‘Kaput’, ein weiteres Lieblingswort der Amis: In diesem Jahr sind im Silicon Valley bereits über 140 Startups gesunken oder liegen wie gestrandete Robben hilflos am Strand, allein gelassen von den Gezeiten und Ernährern. Allein im Oktober mussten nach Angaben von Nachlassverwalter webmergers.com 22 Startups den goldenen Löffel abgeben. 75 Prozent der Unternehmen kamen aus dem B2C-Bereich. Wer will auch seine Zahnpasta online bestellen?

Bei fuckedcompany sitzt man in der ersten Reihe: Die Gerüchteküche brodelt, jeden Tag trudeln neue Maulwurf-Meldungen herein: Garden.com gräbt sich sein eigenes Grab, Pets.com eingeschläfert, Furniture.com stiftet sein gesamtes Inventar dem “Burning-Man”-Festival. In den angeschlossenen Nachrichtenbrettern zerreißen sich alle die Mäuler. “Haben wir doch immer schon gewusst, mit so einem Schwachsinn muss man doch untergehen” ist der einhellige Tenor.

Schadenfreude pur. So lange es uns nicht trifft. Jetzt kriechen sie alle aus den Löchern. Wer rechtzeitig den Absprung schaffte oder bei einem soliden “Infrastruktur”-Unternehmen angestellt ist, hat gut lachen. Auch Headhunter haben Schaum vor dem Mund: “Carsdirect.com wirft 90 Leute auf die Strasse? Gut, die verstehen sowieso nichts von Autos, die kann man auch in anderen Startups unterbringen.”

Wir wussten es immer schon, die Geschichte zeigt es doch. Ach, ich kann es nicht mehr hören. Jeder will nun in Vergleichen mit der Autooder Flugzeugbauindustrie zeigen, dass das alles absehbar war. Nur, offensichtlich lernen wir doch nicht aus der Vergangenheit. Und auch nicht aus Zukunftsprognosen. Von den “Top 10”-Trends für das Jahr 2000 des Silicon Valley-Schwergewichts “Red Herring” konnten sich gerade mal zwei (B2B, Internet noch immer Stiefkind der Politiker) frei schwimmen. Auf wen sollen wir nun hören? Auf die Jubler oder auf die Grantler? Am besten auf beide, mit dem letzten Wort für die Miesmacher, aber der Aufgeschlossenheit der Jubler.

Wer nicht auch untergehen will, sollte schleunigst bei startupfailures.com oder fuckedcompany vorbei schauen, denn trotz bitterem Zynismus kann man dort einiges lernen. Zum Beispiel, was potenzielle Kunden von den gescheiterten Geschäftsmodellen halten und wie man es besser machen kann. Nun fehlt nur noch das Gegenstück, vielleicht etwas wie “dasgefaelltuns.com”, wo gute Geschäftsmodelle hoch gelebt werden dürfen und Benutzer Punkte bekommen, wenn sie den Erfolg von Startups frühzeitig prognostizieren. Von NASDAQ will ja heutzutage niemand mehr was wissen.

Wo sind nun die ‘Trümmerkinder’, die in den Ruinen der ausgebombten Startups spielen? Künstler und gemeinnützige Organisationen, die erst vor kurzem erst von den Startups aus den günstigen Lofts vertrieben wurden? Und laufen jetzt überall arbeitslose Netniks herum? Von wegen, fast alle finden in wenigen Tagen einen neuen Job. In San Francisco trinkt man seinen Cafe Latte auch noch in Ruhe aus, wenn der Boden mal was stärker bebt. Von einer Krise ist kaum etwas zu spüren. In die leer stehenden Lofts zieht schnell ein anderes Startup ein. Die Startup-Hipster mutieren zu modernen Söldnern oder ‘Free-Agents’, die zum nächsten Gig weiter ziehen. Wie war noch mal der Name des Startups? Irgendwas mit Dot-Com, noch nicht auf der Todesliste, also ultracool. Zumindest bis morgen.

Es gibt sie noch, die Startups, die gute Nachrichten produzieren. Surfen Sie die Websites mal an, leider keiner mehr da.

Wer im Silicon Valley einen europäischen Akzent hat, wird neuerdings auf Händen getragen. Es reicht, wenn man zwischendurch mal von seinem “Handy” – hier das neue coole Slangwort – spricht und den staunenden Amerikanern SMS erklärt. Geht es um mobile Telekommunikation, darf sich die USA ganz weit hinten einreihen. Schuld daran sind nicht nur die verschiedenen untereinander inkompatiblen Mobilfunknetze, sondern auch die Preisstruktur: In den USA zahlt man wirklich für alles “Airtime” – selbst wenn man angerufen wird, kostet es Geld.

Wer bei Sprint Kurznachrichten bekommen will, zahlt etwa 22 Mark, bekommt dafür 200 Nachrichten an das Handy weitergeleitet. Nachrichten von Handy an Handy? Fehlanzeige. Die Nachrichten lassen sich nur per Web eingeben. Schon interessanter sind die “Web-auf-Telefon”-Dienste, die seit Mitte des letzten Jahres aus dem Boden schießen. Statt das Web grafisch auf einem kleinen Display abzubilden, wird das Web hörbar gemacht. Dienste wie Tellme, Bevocal oder HeyAnita funktionieren alle ähnlich: Sie wählen sich über eine kostenlose Zugangsnummer ein und bellen zum Beispiel “Wetter” in den Telefonhörer.

Die Spracherkennung funktioniert inzwischen so akkurat, dass sogar ich meine nicht vorhandenen Aktienkurse per Telefon ansprechen kann. Alle Informationen kommen aus dem Web, selbst die Fahranweisungen, dank Mapblast. Sie sagen: Ich will von Punkt A nach Punkt B und eine synthetische Stimme gibt die richtigen Anweisungen. Männer brauchen also auch weiterhin niemanden an der Tankstelle zu fragen. Einfach auf die Toilette gehen und diskret BeVocal.com anrufen.

Kunden von Tellme dürfen sogar kostenlos zwei Minuten telefonieren. Einfach “Phone booth” sagen und nach einer Werbeeinblendung wird man verbunden. Das Konzept gibt es in Skandinavien schon zehn Jahre. Da kann man ja doch richtig was sparen, sagten sich viele und benutzten den Dienst von regulären Telefonzellen. Vor ein paar Tagen wartete ich im New Yorker JFK-Flughafen auf meinen Weiterflug nach San Francisco und dachte, ich schädige Tellme wieder einmal und rufe einfach ein paar Freunde an. Aber von wegen: “Gespräche von öffentlichen Fernsprechern sind ab sofort nicht mehr zulässig.” Tellme muss sparen.

Das nette Zusatzfeature hatte sich zum Renner gemausert. Gibt es wirklich so viele Informationsjunkies da draußen, die sich unterwegs in das hörbare Web einwählen müssen? Laufen wir demnächst nur noch mit unseren Handys am Ohr durch die Gegend und reden mit synthetischen Stimmen wie Obdachlose, die mit ihren unsichtbaren Freunden im Kopf palavern?

Wenn ich die nächste Pizzeria in der Nähe suche, warum sollte ich Go2Pizza.com anwählen, wenn ich auf der Straße auch jeden fragen kann “Wo kann man hier gut und, sagen wir mal, günstig essen?” und wahrscheinlich ein Eins-A subjektives Rating “probier die Fischsuppe” dazu bekomme? Es geht auch menschlicher: Wer bei Quixi.com anruft, wird nicht mit einem Computer, sondern mit echten Menschen verbunden. Die sitzen dann einem Internet-Terminal und surfen für Sie nach Unterwäsche, Möbeln und Bleistiften – also alles, was man so im Internet kaufen will.

Fühlen Sie sich sicherer, wenn Sie Ihre Kreditkarte durch ein so sicheres Medium wie das Telefon übermitteln? Wohl nicht. Geld bringen die Dienste noch nicht. Ständig wird eine Werbebotschaft gespielt, was ist zu lang: 10 Sekunden Gehirnwäsche oder tolerieren Sie auch eine halbe Minute, nur um die neuesten Nachrichten aus dem Web zu hören? In der Zukunft werden die hörbaren Webbanner interaktiver, dann dürfen Sie auch einkaufen, ohne das Produkt jemals gesehen oder angefasst zu haben.

So hilfreich die Dienste auch sein mögen, wenn die Unternehmen damit kein Geld verdienen, geht auch diese Idee unter. Ein Tip für mögliche ‘Kopierkatzen’: Überlegen Sie sich, ob Sie den Dienst auch wirklich täglich selber benutzen würden. Wenn nicht, zurück in die Ideenfabrik, was neues ausdenken. Und gewöhnen Sie sich bloß keinen amerikanischen Akzent an!

Was bleibt übrig von den vielen Inhalten, die generiert wurden? Ein weiterer Blick ins Internet-Archiv.

„Zwölfjähriger auf Spielplatz durch Reifenschaukel erschlagen,“ steht am vierten November 1996 auf der Website des Kölner Express. Na und? Das könnte genauso gut auch gestern in der Zeitung gestanden haben. Interessant ist jedoch nicht der Inhalt, sondern eher die Form: Das Webdesign mit den großen Kästen und der viel zu großen roten Schrift wirkt altbacken, irgendwie grobschlächtig und ungelenk, so richtig ’90er’ eben.

So waren die damaligen „Pionierzeiten“: Alles wurde mühsam ohne Webtools geschrieben, viel ausprobiert, rumgetrickst und einfach mal auf Netz geworfen, oft halbgar und experimentell. Aber egal, dachten viele, schließlich kann man ja alles wieder löschen oder schnell überspielen. Vor allem die peinlichen “Hier mein Haus, das ist meine Freundin und meine Hobbys sind“-Füller, die eigentlich längst unter “Jugendsünden“ abgelegt und verjährt schienen, könnten schon bald ein neues Eigenleben entwickeln. Denn möglicherweise fühlen Sie sich zu sicher.

Der alte Krempel ist vielleicht gar nicht vergessen, sondern für jedermann zugänglich. Die “Wayback”-Maschine” (“Vor langer Zeit“ – www.waybackmachine.org) macht es möglich. Alexa.com-Gründer Brewster Kahle arbeitet bereits seit 1996 daran; das Hauptquartier des Internet-Archivs steht im Park Presidio, einem ehemaligen von der Öffentlichkeit abgeschotteten Militärgelände direkt unterhalb der Golden Gate-Brücke. Seit 1996 surfen die Crawler des Internet-Archivs das Web ab, die gefundenen Seiten wurden zunächst auf großen Magnetbändern gespeichert, später auf verteilten Serverfarmen abgelegt.

Und so kamen in über fünf Jahren etwa 100 Terrabytes zusammen. Das sind 100 Millionen Megabytes oder etwa 10 Milliarden Websites – Kahle sagt, es wäre die “größte Datenbank” der Welt und damit mag er wohl Recht haben. Ende des letzten Jahres öffnete Kahle das Internet-Archiv für die Webgemeinde, die daraufhin mangels aktuellem Frohsinns dankbar in kollektive Nostalgie verfiel und schwermütig alte Feed Magazine- und Wired-Ausgaben aus dem Jahr 1997 konsumierte. Einfach den URL eingeben, die gefundenen Seiten werden dann chronologisch ausgespuckt.

Und damit kommen wir schon zum großen Schwachpunkt der Wayback-Maschine, die eigentlich nichts anderes ist eine Sammlung von veralteten IKEA-Katalogen, achtlos auf dem Wohnzimmertisch verstreut. Denn ein Archiv ohne vernünftige Suchfunktion lädt vielleicht zum Stöbern ein, doch ansonsten ist es unbrauchbar. Eine Verbindung mit Google – die haben mittlerweile auch schon drei Milliarden Webdokumente gespeichert – würde sich hier doch fast schon aufdrängen.

Schon jetzt entwickelt sich der „Google Cache“, auf Google-Servern abgespeicherten Dokumente, zum wahren Internet-Archiv – ganz zum Unbehagen der Inhaltsanbieter. Denn warum sollte man zum Beispiel bei der New York Times bis zu zwei Dollar für ein aus dem Archiv abgerufenes Dokument zahlen, wenn man es bei Google oder auch über die Wayback-Maschine kostenlos abrufen kann? Den großen Verlagen schmeckt das natürlich überhaupt nicht und so lässt sich über Wayback lediglich die täglich aktualisierte Homepage der New York Times mit den kurz angerissenen Artikeln ansurfen.

Wer den gesamten Artikel lesen will, wird nicht etwa zur New York Times-Site weiter geleitet, sondern mit einem forschen “Entschuldigung, diese Site ist blockiert” abgewiesen. Gut. Und wie kann ich meine alte Homepage aus dem Jahre 1996 ausradieren? An so etwas wurde natürlich nicht gedacht. In der Zukunft wird auf das Internet-Archiv noch einige Probleme bekommen: sowohl rechtliche als auch technische.

Wer seinen Inhalt verkaufen will, muss ihn auch besser schützen. Es werden sich immer mehr melden, die keine unerlaubte Weiterverwertung der Inhalte dulden. Zudem werden Informationen schon jetzt zunehmend vor den Suchmaschinen in Datenbanken weg geschlossen. Ein derart kastriertes Internet-Archiv wäre dann nur noch ein verstaubtes Geschichtsmuseum, aber kein dynamisch mitwachsendes Gebilde. Es würde mich jedoch nicht wundern, wenn das Internet-Archiv und vielleicht auch Google-Cache bald ebenfalls mit einem “Premium-Dienst” am Start stehen würden. Bis dahin erfreuen wir uns doch noch ein Weilchen an den Homepages der 90er Jahre unserer Freunde und Feinde.

Sie glauben, das Web nimmt schon jetzt einen großen Teil Ihres Lebens ein? Warten Sie nur ab, bald ist noch viel mehr möglich. Ein fiktiver Blick in ein besuchtes Wohnzimmer von Morgen. Das Stück schrieb ich im Flugzeug auf dem Weg nach Vancouver. Es geht um das “Internet der Dinge”, in dem wir ja mittlerweile immer mehr stecken.

Achtlos schob ich den gräulichen, etwa schmuddelig wirkenden Duschvorhang zur Seite. Da saß schon wieder so ein kleiner, metallisch blinkender Blechkasten in meinem Waschbecken. Groß war der Kasten nicht. Er hatte vielleicht die Maße einer Zigarettenschachtel. Vorne klebte eine winzige Fotolinse und zwei LEDs, grün und gelb; oben ragte eine schmale Antenne heraus.

„Wer bist Du?“, fragte ich erstaunt und bedeckte mich währenddessen flüchtig mit einem alten Handtuch. „Ich bin ein Googlerobot“, sagte das kleine Etwas mit einer schrillen, unverschämt künstlichen Stimme.

Ich hatte mich bisher nicht so richtig getraut, die kleinen Metallkästen nach ihrer Herkunft zu fragen. Auf einmal waren sie da: Im Wohnzimmer saßen eines Tages gleich zwei dieser Schachteln auf dem Wohnzimmerschrank. Später entdeckte ich ein weiteres auf dem Küchentisch. Es hatte sich in der Obstschale, gleich hinter den Bananen und neben den Äpfeln versteckt. Sie redeten nie mit mir. Nur in der Nacht schien es, als sprächen die ab und zu blinkenden LEDs. Gelb und Grün, eine Sprache, die ich nicht verstand. Ich fühlte mich unangenehm beobachtet. Aber irgendwann gewöhnte ich mich an meine neuen Mitbewohner und hoffte nur, dass sie bald den Eintagsfliegen aus dem Sommer folgten.

Um so mehr erstaunt war ich da natürlich, an diesem Morgen endlich eine Antwort zu bekommen. “Aber was machst Du hier bei mir?”, wollte ich wissen. „Google schickt mich. Wir durchforsten jetzt mehr als nur das Web“, quiekte es mir entgegen. „Aha“, mir fehlten ein wenig die Worte, “aber, sag, was genau ist denn Dein Auftrag?“ Das silbern glänzende Schächtelchen bewegte sich auf billig wirkenden schwarzen Plastikrädchen langsam näher an den Beckenrand und flüsterte geheimnisvoll: „Na, wir indexieren Deine Wohnung. Wir nehmen Dein gesamtes Inventar auf, machen Fotos davon, suchen nach Informationen, die der Allgemeinheit nützlich sein könnten und dann verknüpfen wir alles mit dem Web. Aber pssst, alles noch in Alpha.”

Jetzt wurde mir einiges klarer. Ich wunderte mich schon seit ein paar Wochen, warum meine Nachbarn rote Plastikschilder an die Türen hängten, auf denen in fetter weißer Schrift “Suchfreie Zone” stand. Ich hätte niemals gedacht, dass es so schnell gehen würde. Erst gestern redeten wir davon, dass elektrische Geräte wie die Kaffeemaschine oder der Kühlschrank intelligenter und mit dem Web verknüpft würden. Damals sah ich darin noch keinen Sinn.

Mein Leben im Web repliziert und zum “Nutzen für die Allgemeinheit” in einer einzigen Webadresse konzentriert zugänglich machen? Das gefiel mir überhaupt nicht. Und so klingelte ich bei meinem Nachbarn, der mir alles erklärte. Technisch würde es jetzt werden, sagte er noch und dann legte er auch schon los: Alles fing mit einer Spielerei an. Wissenschaftler an der Universität in Los Angeles entwickelten dieses kleine Blechkästchen und tauften es ”Robomote”. Robomote wurde mit einer drahtlosen Netzwerkschnittstelle, einem Sender, kleinen Rädchen, optischen Encodierern und einer Solarzelle versehen. “Also ein drahtloser Satellitenroboter für den Hausgebrauch, quasi ein ‚Googleite’?”, fragt ich. Naja, das sind keine Satelliten, sagte mein Nachbar. Die Robots tauschen sich nämlich gegenseitig über ein Multihop-Netzwerk aus, echtes P2P, lernen voneinander und können dadurch Informationen über längere Strecken weiterleiten.”

Die Wissenschaftler wussten zunächst nicht so richtig, was sie damit anfangen sollten, führte mein Nachbar weiter aus. Aber dann bekam Google einen der Roboter in die Hände und nun haben wir den Salat. “Aber kann man nichts dagegen machen?“, fragte ich entnervt. „Du musst Dir auch so ein Schild an die Tür hängen, dann verschonen Dich die Googlerobots.

Lass Dir das nicht gefallen”, feuerte mich mein Nachbar an. Das genügte. Ich rannte zurück in meine Wohnung, sammelte alle Bots ein, schleuderte sie in eine Ecke und schrie: ”Schluss jetzt, ich kenne meine Rechte, Ihr dürft hier gar nichts machen.” Die Robots waren still und wahrscheinlich auch traurig, einer wimmerte ganz leise vor sich hin. Das half auch ihm nichts, denn dann warf ich alle Bots in den Papierkorb. Seitdem findet Google bei mir nur noch Müll.

Spam nervt. Auch schon damals. Und wir haben es noch immer nicht richtig im Griff.

Mein Postbote liest meine Briefe und Postkarten. Ich habe ihn erst kürzlich dabei erwischt. Dabei war das gar nicht meine Absicht, ich hatte es nur eilig. In meinem üblichen blinden Aktionismus hätte ich ihn fast noch umgerannt als ich die Haustüre ansatzlos aufriss. Da stand er, gleich hinter der Türe und war wohl mindestens genauso erschrocken wie ich.

Genervt hielt er die an mich adressierte Postkarte zwischen Daumen und Zeigefinger und dann beschwerte er sich auch noch: „Das kann ja kein Mensch lesen – German?“ Andere Länder, andere Sitten. Meine Kanadischen Freunde sagen, das wäre ein Einzelfall. Kanadische Briefträger wären sehr zurückhaltend und vertrauenswürdig, würden das Briefgeheimnis achten – oder zumindest sich nicht so dumm anstellen.

Wir einigten uns dann darauf, dass der Briefträger wohl Amerikaner gewesen sein muss, der im heiligen Auftrag der Amerikanischen Staatssicherheit und der gesamten Freien Welt im “Kanadischen Terroristennetz“ nach Bösewichten suchte. Ausgerechnet hier in Vancouver.

Ich lebe hier nun seit einem knappen Jahr und schon jetzt quillt jeden Tag mein Postfach über. Ich weiß auch, wer meine Adresse verkauft hat: Mein Mobiltelefonunternehmen. Die konnten nichts mit meinem Deutschen Nachnamen anfangen und haben sich dann einfach einen neuen Namen ausgedacht: Gortuer. Jetzt bekomme ich ständig Post für ‘Reibe Gotuer’.

Seit Wochen versuche ich, meinen Namen aus der Datenbank zu tilgen. Vergebens: Gestern kam eine weitere Rechnung. Wieder Gotuer. Da auch die Kanadische Post nicht in der Lage ist, die Post zu filtern, habe ich nun einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Gestern lud ich meinen Postboten auf einen Muffin ein und heute schon habe ich keinen SPAM mehr im Briefkasten. Manchmal ist es gut, einen Briefträger zu haben, der mitliest. Im Web lesen die meisten Briefträger auch inzwischen mit. Ich weiß nicht, ob ich das so gut finde. Denn obwohl ich meine verschiedenen Emaildienste jeden Tag besuche, habe ich kein persönliches Verhältnis zu meinem Web-Postboten. Und auch der beschwert sich ständig: Kein Platz mehr in der Mailbox, sagt Yahoo wieder einmal.

Ich habe das nie verstanden, denn ich lösche unwichtige Emails sofort. Bis ich das ‘Bulkmail-Verzeichnis’ entdeckte. Dorthin verschiebt Yahoo alle Emails, die mögliche SPAM-mails sind. Pro Tag landen dort etwa 80 Emails und wenn ich nur zwei Tage vergesse, den Bulkfolder zu löschen, läuft mein Postfach über. ‘Spamguard’ heißt die Yahoo-Spamfalle. Nun darf ich in einem kleinen Feld ‘Das ist Spam’ anklicken. Dazu muss ich jedoch die Email erst öffnen. Mache ich natürlich nicht, denn normalerweise markiere ich alle Emails und lösche gleich alles. Meine anderen Emailkonten öffne ich mit Pegasus und wer mir etwas mit einer Hotmail-Adresse schickt, hat leider Pech.

Alle Hotmail-Emails gehen automatisch in meinen ‘Killfile’. Ich habe es satt, mir reicht es. Ihnen wahrscheinlich auch. Was muss nur in den Köpfen der Spammer und Virenschreiber vorgehen? Vielleicht sollte man denen mal sagen, dass deren Freundinnen, Eltern und Großeltern wahrscheinlich Outlook benutzen, also ebenfalls mit dem Mist infiziert werden. Also, was tun? Die erst kürzlich von der EU beschlossene Anti-Spam-Direktive ist ein Schritt in die richtige Richtung, greift jedoch nur wie nasse Hände nach einem Stück Seife.

Demnach müssen mich Spammer erst fragen, ob ich Spam-Mail erhalten will. Amerikanische Spammer brauchen auch weiterhin keine Erlaubnis – eine halbgare Lösung, aber zumindest ein Signal. Denn die technischen Lösungen setzen nicht an den Wurzeln – den Spammern, den Unternehmen und den gutgläubigen Dumpfbacken, die darauf reinfallen, denn sonst würde es ja weniger Spam geben – sondern an den Symptomen an.

Kollaborative Filterung a la Vipul Razor scheint mir ein Kampf gegen Windmühlen zu sein. Frei nach dem Motto: “Mir doch egal, ob 95 Prozent im Netz stinkender Müll ist; Hauptsache, nicht vor meiner Haustüre.” Mir geht das alles nicht weit genug. Von mir aus sollten alle Virenschmierer und Spammer als Netzbösewichte gejagt, öffentlich geächtet und vertrieben werden. Bis dahin ändere ich wieder einmal meine Emailadresse. Irgendwas mit Gotuer.

Der verzweifelte Kampf gegen die Zeit und den negativen Cashflow: Inhaltsanbieter setzen verstärkt auf Premiumdienste und Surfer zahlen – doch nicht jedes Angebot war auch wirklich Premium.

Vor genau anderthalb Jahren listete ich an gleicher Stelle in der Kolumne „Bitte zahlen“ auf, wofür ich im Web zahlen würde: zuverlässige Email, nützliche und exklusive Inhalte, Stadtplandienste und selbst Suchmaschinen. Das ist schön und ehrenhaft, Papier ist ja auch geduldig. Aber mal ehrlich: Habe ich mittlerweile mein Surf- und Kaufverhalten verändert? Nein. Ich zahle noch immer keinen müden Euro für Premiumdienste. So exklusiv sind die meisten Inhalte nicht und schon gar nicht lebenserhaltend. Auch der Artikel im pdf-Format ist mir keinen zusätzlichen Cent wert.

Vielleicht lebe ich in einem Paralleluniversum; und mit mir alle meine Kollegen aus der Medienbranche. Frage ich die, bekomme ich die gleiche Antwort: Nee, dafür gebe ich kein Geld aus. Von den Inhaltsanbietern liest man wenige Erfolgsmeldungen. Keiner gibt mit hohen Umsätzen durch Premiumdienste an. Meine Schlussfolgerung war deshalb bis vor kurzem: Premiumdienste sind das letzte verzweifelte Zucken der Dienste; das Verhalten der Websurfer lässt sich nicht so schnell ändern, die zahlen nichts. Aber denkste: Allein FirstGate, der Micropayment-Dienst, wickelte in den letzten Monaten etwa 1,8 Millionen Bezahlvorgänge für seine 2.000 Anbieter wie Spiegel, Stiftung Warentest und andere ab. Tendenz: stark steigend, jeden Tag kommen etwa 2500 Neukunden hinzu. Bei FirstGate sind etwa 850.000 Kunden im System, tätigen pro Monat durchschnittlich drei bis fünf Transaktionen. Offensichtlich sind Surfer also doch langsam bereit, Geld im Web auszugeben.

Ich höre schon wieder die alten Männer in den Verlagshäusern jubeln: „Jetzt geht’s los!“ – aber leider nur für die wenigsten. Denn die Premiumdienste werden vor allem bei den Platzhirschen wie Spiegel, Stiftung Warentest oder Auto, Motor & Sport angenommen. Dabei handelt es sich oftmals nur um zweitverwertete Inhalte des Print-Objekts. Reine Web-Inhaltsanbieter haben da natürlich ein Problem: Die Erstellung der Inhalte kostet Geld, eigentlich kann man es sich nicht leisten, künstliche Schranken aufzubauen und das Angebot zu verknappen.

Und wer nun verstärkt auf Premiumdienste setzt, Abos verlangt oder Geld für Inhalte kassieren will, die kaum Nutzen bieten, schießt sich in die eigenen Füße. Das verprellt höchstens die Stammkunden, die dann woanders surfen gehen. Das Geld der Surfer sitzt nicht so locker, Qualität zählt. Aber eben auch die richtige Marke, das Prestige. Deswegen gibt es nun einige Kollegen von mir, die ihre Artikel sogar kostenlos an die übrig gebliebenen Papier-Magazine verschenken – nur, um einen Fuß in der Türe zu halten.

Andere Kollegen werfen sich auf die Gleise des langsam anrollenden Micropayment-Zugs, wollen Artikel online verkaufen, ganz ohne Verlag. Das mag in ein paar Jahren vielleicht funktionieren, aber in sparsamen Zeiten kauft Otto-Normalwebverbraucher – wenn überhaupt – lieber bei bewährten Quellen mit einem guten Offline-Namen.

Wie geht es weiter: Viele mit großem Tamtam gestartete reine Onlineangebote werden eingedampft, ausgedörrt oder „gehen offline“, entweder als Sonderheft; als beliebte „Heft-im-Heft“-Variante oder landen als skurriles Sammelsurium ausgesuchter Online-Inhalte in einem Offlinemagazin. Zurück zum Papier: Wer hätte noch vor ein paar Jahren prophezeit?

Wer es aber bis jetzt geschafft hat, mit seinem Angebot eine engagierte und interessierte Community anzusprechen, sollte falschen Stolz beiseite schieben und es mal mit ein paar Spendenaufrufen versuchen. Das funktioniert jedoch nur dann, wenn man alles so transparent wie möglich hält, Einnahmen und Ausgaben offen legt. Reich wird man davon nicht. Aber man beglückt ein paar loyale Leser und bleibt weg von der Straße.

Können wir den vielen Rezensenten bei Amazon.com trauen? Das frage ich mich heute noch. Wie damals auch wünsche ich mir das.

Bill Gates liest ein Buch pro Woche. Harriet Klausner verschlingt gleich zwei Bücher pro Tag. Und Donald Wayne Mitchell schafft etwa 2000 Wörter pro Minute. Bill Gates mag in vielen Bereichen die Nummer Eins sein. Aber bei Amazon.com wäre er nur ein kleines Nümmerchen.

Harriet ist die unbestrittene Königin der Rezensenten: Fast 3000 Bücher, Videos und CDs hat sie bereits besprochen. Damit führt sie fast uneinholbar vor Donald Wayne, der bisher “nur” 1850 Kritiken geschrieben hat.

Ich habe mich schon lange gefragt, was Menschen dazu antreibt, so viele Rezensionen zu verfassen. Zunächst dachte ich mir mit einem gesunden Schuss dummer Voreingenommenheit, dass solche Rezensionen ja wohl nur Leute schreiben, die zu viel Zeit und kein Leben haben. Echte Verlierer eben, die vor dem Rechner hängen, sonst kein Hobby und Freunde haben. Irgendwie muss man sich ja profilieren. Und schließlich will jeder Anerkennung und ab und zu ein aufmunterndes Klopfen auf die Schultern.

Inzwischen denke ich anders, habe einen Höllenrespekt vor allen, die sich die Mühe machen, Feedback geben und eine Rezension schreiben – gut oder schlecht, stilvoll ausgefeilt oder achtlos hingeworfen. Larry Looney leitete bei mir den Sinneswandel aus: Im Sommer des letzten Jahres streifte ich mal wieder durch Amazon.com auf der Suche nach CDs. Ich zähle mich noch zur “old school”, kaufe tatsächlich noch CDs, suche nach Parkplätzen hinter dem CD-Laden und stehe in Schlangen vor der Kasse. Tiefste old school also. Aber trotzdem recherchiere ich gerne vorher bei Amazon.com und finde immer wieder interessante CDs, die ich sonst offline nie gefunden hätte.

Und so stieß ich auf Larry: Immer wieder sprangen mir Larrys CD-Rezensionen ins Auge, gut geschrieben und genau auf meiner Wellenlänge. Irgendwann mal kaufte ich eine von ihm hoch gepriesenen CDs – sogar online – und war begeistert. Das teilte ich ihm anstandshalber per Email mit und fragte ihn, was er denn so mache und warum er so viele Rezensionen schreibe – damals dachte ich noch, dass seine 150 Rezensionen „viel“ wären.

Larry ist Busfahrer im texanischen Austin und Musik ist sein Hobby. Die Rezensionen sind seine Art der Entspannung, eigentlich sollte er joggen gehen, aber sitzt einfach gerne, schreibt er mir. Ihm gehe es nicht um den Ruhm, er will nur mit Gleichgesinnten interessante Bücher und CDs finden. Für Larry bedeutet Amazon.com mittlerweile “Familie”: Wenn Freunde von ihm Bücher oder CDs beschreiben, dann bekommt er es automatisch mitgeteilt; seine Wunschliste ist auf etwa 50 Titel angewachsen und er steht in regem Kontakt mit Musikfans – so wie mit mir – aus der ganzen Welt.

Da ist mir klar geworden, dass eben nicht nur egoistische Wichtigtuer auf Amazon Kritiken schreiben, sondern inzwischen die „Larries dieser Welt“ mit Herz und Verstand die Mehrheit stellen. Damit hat Amazon nach über fünf Jahren die viel diskutierte “kritische Masse” erreicht.

Die Masse macht’s: Die aggregierte Meinung von Tausend Leuten ist mir inzwischen oft mehr wert als der unabhängige Plattenkritiker, der mit geschenkten Promo-T-Shirts der Musikverlage herumläuft. Während das Amerikanische Amazon es geschafft hat, liegt das Deutsche Amazon noch erheblich weiter hinten. Das liegt am späteren Start und vielleicht auch an der Diskussionskultur der Deutschen: Konstruktives Feedback scheint einfach nicht die Stärke unserer “einerseits-andererseits-schwarz-weiß”-Kultur zu sein.

Während sich Amerikaner keinen Zacken aus der Krone brechen, ungeniert loben und sich damit auch mal vor Europäern blamieren, weil es allzu oberflächlich erscheint, wird in Deutschland oft die wahre Stärke solcher Aktionen übersehen: Es geht um Gesten. In Deutschland mögen die Beiträge mit einem geschärften intellektuellen Messer akkurater geschnitten werden, aber oftmals fehlt mir das persönliche in den Rezensionen. Vielleicht kann das Amazon mal recherchieren, aber ich wette, dass die Wertungen bei Amazon.com insgesamt besser sind als beim kleinen Bruder in Deutschland.

Meine Strategie ist daher, zunächst bei Amazon.com zu schauen, danach surfe ich zu Amazon.de und mache den Reality-Check: Wenn auch die Deutschen Benutzer nichts zu mäkeln haben, dann muss es eine Bombenplatte sein. Peinlich nur, dass ich bis heute noch keine Online-Rezension geschrieben habe. Ich verspreche Besserung. Harriet braucht sich jedoch nicht zu fürchten.

Ich war Journalist, aber auch Blogger. Und ich war und bin ein Freund der “Macht der Masse”. Trotzdem beäugte ich die Nicht-Journalisten-Blogger immer mit Argwohn, aber auch mit Begeisterung. Davon handelt diese Kolumne, die ich in meinem Lieblingscafe in Vancouver, dem SOMA, schrieb.

Klassisch gelernte Journalisten degradieren Weblogger gerne zu „Second Hand-Journalisten“. Fragt sich nur, wer tatsächlich im Abteil der zweiten Klasse sitzt.

Erfindet vielleicht endlich mal jemand einen anderen Begriff für “Blogger”? “Blöken”, das kommt mir immer in den Sinn, wenn ich von Bloggern lesen. Und dann projiziert meine Gehirnwand unweigerlich riesige Schafherden; dümmlich schauende Schafe, monotones Nölen, unglaubliche Langeweile. Das liegt aber wirklich nur am Wort. Ein einziges Wort reicht oft, um in mir eine Flut von Bildern freizusetzen. Aber möglicherweise bin ich mit meinen freien Assoziationen nicht alleine. Denn ich lese zunehmend Artikel in “klassischen Medien“ wie der New York Times oder Fortune Magazine, die das “neue Blogger-Phänomen“ – Hallohooooo, was ist denn wirklich neu daran? – ebenfalls mit einer zahnlosen Schafherde vergleichen.

Auch wenn sie es so nicht schreiben. Und die Cellulose-Pappkameraden haben es noch immer nicht verstanden: Sie schreiben von uninteressanten Hintergrundgeräuschen, von belanglosen Tagebüchern, radikalen Gedanken ohne jegliche journalistische Informations- und Fürsorgepflicht. Liest man weiter, dann bekommt man den Eindruck, die Blogger würden nichts anderes als einen Haufen stinkender Fische ins Netz kippen. Was die Zeitungsjournalisten nicht sagen: Wir brauchen die Zeitung von gestern nur noch, um darin unsere Fische einzuwickeln. Die Skepsis der klassischen Journalisten ist verständlich, sie basiert auf Annahmen des 20ten Jahrhunderts. Und da gab es eben nur ein paar knöchrige Gelehrte mit spitzem Gesicht und langen Zeigefingern. Das muss bedrohlich wirken, wenn plötzlich eine Horde von No-Names auftaucht und am Podium der selbsternannten Egomanen kratzt – und das alles, ohne dafür nur eine müde Mark zu kassieren.

Auf der anderen Seite spüre ich bei Bloggern diese Mischung aus “Hey, wir wissen, wir sind besser” und “aber niemand beachtet uns”. Eine Mischung aus Arroganz und Minderwertigkeitsgefühlen. Und auf beiden Seiten herrscht Ignoranz, weil die klassischen Journalisten kein Zeit für Weblogs haben und nicht in der Lage sind, den internen oder externen Redakteur vom Rücken zu werfen und frei von der Leber zu schreiben; echt, herzlich, voller Emotionen, ohne wirtschaftliches Kalkül.

Vielen Bloggern hingegen fehlen nützliche journalistische Tools wie zum Beispiel das Nachrecherchieren von Quellen, faire ausgeglichenere Analyse und vor allem der Zugang zu Informationsquellen. Viele Türen öffnen sich für Autoren von renommierten Tageszeitungen, der fiktive “Blue Monkey”-Weblogger darf draußen im Regen warten. Das wird sich auch in den nächsten Jahren nicht ändern, denn die “Schrankenwärter der Informationen” gehören noch immer zur alten Schule. Wichtig ist, was man selber liest und für wichtig hält. Keine Chance für Blue Monkey. Noch nicht.

Daher tummeln sich auf dem Netz auch eher Kolumnisten, die ihre Meinung bis aufs Messer verteidigen. Oftmals dienen dazu als Ausgangsbasis Artikel von klassischen Journalisten. In den Zeitungen finden sich viele langweilige, farblose Artikel von Nachrichtensöldnern, die oft nicht wissen, worüber sie schreiben und sich dann lieber an die aufgenommenen Zitate halten, statt sich mit einer unqualifizierten Meinung als dummes Schaf zu outen.

Wie überall, gibt es gute und schlechte Journalisten und auch gute und schlechte Blogger. Der Unterschied ist, dass sich viele schlechte klassische Journalisten dennoch über Wasser halten können, weil sie pünktlich und zuverlässig liefern oder mal ein Bierchen mit dem Redakteur trinken. Für viele Journalisten ist es auch nur ein “Job”, x-beliebig austauschbar. Im Web überlebt man mit Mittelmäßigkeit kaum, zumindest finanziell nicht. Für Blogger sind die hastig herunter geschriebenen Nachrichtenmeldungen der Newsagenturen und Tageszeitungen ein Segen: Lausige Artikel geben mehr Anlass zu Diskussionen. An perfekt ausbalancierte Artikel aus spitzer Feder wagen sich wenigere. Zunehmend kommen solche Beiträge aus der blökenden Schafherde. Jetzt müssen wir nur noch ein besseres Wort finden. Wer hat eine Idee?

P2P lebt noch. Nette Idee, das Wörterbuchprojekt. Und den Open Thesaurus gibt es ja immer noch.

Ein neues P2P-Wörterbuchprojekt baut auf das ‘Globale Gehirn’ des Webs – statt ungenutzter Rechenleistung wird das Sprachzentrum der einzelnen Benutzer aktiviert. Eine ambitionierte Idee mit vielen Unbekannten.

Wann haben Sie zuletzt eine so richtig schlecht übersetzte, haarsträubende Bedienungsanleitung gesehen? Ich weiß nicht, wie es Ihnen dabei geht. Ich finde das recht amüsant und versuche mich in die Situation der Auftraggeber einzudenken. Stellen Sie sich vor, Sie würden Ihr Produkt gerne in Asien verkaufen. Das Geld für Übersetzungsarbeiten sitzt nicht so locker, aber Sie wollen es trotzdem versuchen. Da kommt Ihnen Robert, der Praktikant in den Sinn. Immerhin hat der 40jährige Geisteswissenschaftler mit enormer Reiseerfahrung auch ein paar Jahre in Asien verbracht. Robert weiß alles über Teerituale und gibt immer mit seinen Japanischkünsten an. Er übersetzt das Dokument und Ihre Japanischen Geschäftspartner lachen Sie schallend aus – und das will schon einiges heißen.

Globalität fängt mit dem richtigen Sprach- und Kulturverständnis an. Darauf baut sich alles andere auf. Das Web bringt Menschen zusammen, es öffnet Türen zu neuen Märkten, Gucklöcher in andere Kulturen und ein globales Podium für neue Ideen. Das wird uns jedenfalls eingeredet. Allerdings findet unsere Kommunikation mit der Welt überwiegend in Englisch statt. Das mag momentan einen großen Teil des Webs ausmachen, aber in so richtig global ist das ja doch nicht.

Jedenfalls haben wir zu so vielen Informationen keinen sprachlichen Zugang. Dabei wäre es sicherlich sehr spannend, was so auf Chinesisch oder in Hindi veröffentlicht wird. Die kostenlosen Übersetzungsmaschinen auf dem Web sind allenfalls für den groben Überblick sinnvoll. Wer wirklich mit einem Text in einer fremden Sprache arbeiten will, muss noch immer mit einem professionellen Übersetzer zusammenarbeiten.

Manche automatisch übersetzte Sätze schaffen es jedoch zum unerwarteten Kultstatus. “All the base are belong to us” – auf Deutsch, laut Babelfish: “Ihre gesamte Unterseite sind gehören uns” – aus dem Videospiel Zero Wings schaffte den großen Durchbruch vor einem guten Jahr. Was man mit ein paar Photoshop-Kenntnissen nicht alles manipulieren kann. Suchen Sie in Google nach dem Satz und schauen Sie sich das Video dazu an. Bilder verbinden, Worte spalten.

Das P2P-Wörterbuchprojekt (www.worldwidelexicon.org –WWL) will das ändern und die „verteilte Denkleistung“ im Netz anzapfen. WWL setzt auf Freiwillige, die bereit sind, ab und zu Worte oder Sätze zu übersetzen, die dann im Lexikon aufgenommen werden, von der Webgemeinde überprüft und bei Bedarf durch ein treffenderes Wort ersetzt werden.

Sollte solch ein offenes P2P-Wörterbuch wie eine schwere Bowlingkugel ins Rollen kommen, dann könnten die Herausgeber der herkömmlichen Wörterbücher einpacken. So jedenfalls die Theorie. Doch wie mobilisiert man die Surfer? Projekte wie Seti@Home sind so erfolgreich, weil man nicht viel machen muss. Einfach den Bildschirmschoner installieren, die Kiste laufen lassen und sich gut fühlen. Saugermentalität. Das WWL-Projekt ist anspruchsvoller als man zunächst glaubt: Übersetzen Sie einmal ein paar Englische Sätze ins Deutsche und versuchen Sie die Zusammenhänge, Stimmung und den Stil zu erhalten. Gar nicht so einfach, das macht man auch nicht einfach so zum Spaß mal in der Mittagspause. Und wie immer, haben die wirklich guten Übersetzer zu viel zu tun, um an einem solchen Projekt kostenlos mitzumachen.

Da kann man nur hoffen, dass der Japanische Übersetzer tatsächlich seine eigene Sprache beherrscht und kein Jokusbruder ist, der „Wie viel Uhr ist es?“ in „Sie haben Mundgeruch“ übersetzt. Wem kann man vertrauen? Das “Open Dictionary”-Projekt (www.opendict.org) gibt jedoch vage Hoffnung. Die Beiträge sind von erstaunlich hoher Qualität, allerdings sind die Themen greifbarer und die Zielgruppe eher akademisch veranlagt. Mein Tipp: Rechtschreibprüfung einschalten, maschinell übersetzen lassen und dem Sushi-Chef an der Ecke zum Gegenlesen geben. Danach gibt’s dann Sake für alle.

Schlechte Stimmung und böse Kritiker sind die natürlichen Feinde jeder PR-Abteilung. Im Netz lässt sich die öffentliche Meinung zwar schwerer kontrollieren, aber dafür auch einfacher beeinflussen. Manche Unternehmen schießen jedoch weit über das Ziel heraus. Das könnte man auch heute noch unterschreiben.

Mary Murphy und Andura Smetacek: Zwei Namen, frei erfunden, anonyme Hotmail-Adressen. Niemand weiß, wer genau hinter Mary und Andura steckt. Aber plötzlich tauchten sie auf; zeitgleich mit der Veröffentlichung eines Artikels in der US-Zeitschrift „Nature“ über genetisch manipulierten Mais in Mexiko.

Schon während der Untersuchungen in Mexiko wurde das Autorenteam, zwei Wissenschaftler der Universität Berkeley, zunächst erfolglos plump bestochen und später unangenehm bedroht. “Wir wissen, wo Ihre Kinder sind”, hieß es. Auf alles und jeden waren die beiden Wissenschaftler am Veröffentlichungstag vorbereitet. Nur nicht auf Mary und Andura. Gleich morgens gingen die ersten Emails von Mary und Andura an die AgBioWorld-Newsliste heraus. Die Zielgruppe war clever gewählt: Etwa 3.000 Wissenschaftler im Biotech-Bereich sind an die Liste angeschlossen. Mary gab zu bedenken, dass einer der Autoren als Umweltaktivist wohl kaum einen neutralen Bericht produzieren könne; Andura fragte keck, wer denn die Reise und Übernachtungskosten in Mexiko bezahlte.

Etwa 60 Emails schoss das virtuell erfundene Pärchen an die Liste. Damit zogen sie sich nicht nur den Unmut der arrivierten Stammgäste zu, sondern aktivierten auch eher neutrale Listenmitglieder, die Marys und Anduras Argumentationen für immerhin bedenkenswert und plausibel hielten. Zuletzt forderten aufgehetzte Listenteilnehmer die Kündigung der beiden Wissenschaftler aus Berkeley. Auch „Nature“ beugte sich dem Druck und veröffentlichte in der folgenden Ausgabe nicht nur eine Gegendarstellung, sondern gab sogar kleinlaut zu, die Veröffentlichung sei von Anfang an ein Fehler gewesen. Sieg für Mary und Andura.

Zunächst jedenfalls. Denn ein halbes Jahr später stellt sich heraus, dass die beiden in Verbindung mit einem “Internet-Lobbying“-Unternehmen stehen, das wiederum von dem großen Giganten der Biotech-Branche bezahlt wurde: von Monsanto. Früher erfanden die Unternehmen auf dem Papier unabhängige Institute und Organisationen. Nun werden Privatpersonen erfunden. Ist der Fall der gezielten Meinungsmache im Netz ein unglücklicher Zufall oder gehört er bereits zum Standardrepertoire einer neuen Generation von gewissenlosen Meinungsbildnern? Im Gegensatz zu unqualifizierten Flames oder zum Spam, der uns ja an allen möglichen Stellen ins Gesicht fliegt, sind die Werkzeuge der Netz-Infiltratoren erheblich subtiler, intelligenter und schwerer erkennbar.

Das Netzlobbying läuft meistens nach ähnlichen Regeln ab: Zunächst werden die relevanten Diskussionsgruppen und unmoderierten Emaillisten gesucht, gelesen und analysiert. Dann kommen die ersten harmlosen Postings. Oft tauchen dann auch Spannleuten auf, die nach alter Anreißermethode das Thema weiter aufkochen, es einfach zum Thema durch hämmern. Das Thema wird jedoch erst hoffähig, wenn sich die arrivierten ‘Alphatiere’ der Newsgruppe dazu äußern. Viele eher passive Lurker lesen erst mit, wenn sich ein bestimmter Autor an der Diskussion beteiligt.

Newsgroups haben zunehmend mit solchen gezielten Infiltratoren zu kämpfen, die wohlartikuliert und mit ausgefeilten Argumenten verzerrte Informationen verteilen. Damit beeinflussen Sie vielleicht nicht den festen Kern, wohl aber den weniger informierten Leser, ein potenzieller Multiplikator. Das Ergebnis ist entweder ein gescheiterter Übernahmeversuch der Diskussionsgruppe, eine Zerklüftung innerhalb der Gruppe oder die bisherigen Platzhirsche ziehen genervt zum nächsten Diskussionsforum.

Guerilla- oder Grassroots-Kampagnen sind natürlich nichts Neues und werden schon seit Jahren von non-profit-Unternehmen genutzt, um sich gerade gegen die Offline-Medienmacht der Konglomerate hörbar zu machen. Den Kanal werden sie sich zunehmend mit den professionellen Flammenspuckern und den “PR-Bunnies“ teilen müssen, die erst gestern gelernt haben, dass JPEG kein Videospiel ist.

Und wenn in Zukunft auch der letzte PR-Berater mehr oder weniger tollpatschig gedankenlos Botschaften per ‘cut and paste’ ins Usenet und Diskussionsgruppen kippt, dann bin ich mal gespannt, was bei der Masse das Prinzip der Selbstkorrektur im Web noch wert ist. Wohl dem, der die Kunst des richtigen Filterns beherrscht, zuverlässig und vertrauenswürdig informiert ist. Dann haben Mary, Andura und dunkle Konsorten ein schweres Spiel.

Viele haben sich ans Online-Shopping gewöhnt und ignorieren die ewigen Zweifler und Warner. Kreditkartendiebstahl? Das kann mir nie passieren, sagen sich viele. Mir passierte es. Ich wurde gehackt.

RUR – Russische Rubel. Ich glaube, ich sehe nicht richtig. Zwischen den Euros, den Kanadischen und US-Dollars taucht auf meiner Kreditkartenabrechnung ein RUR auf. 1.312 Russische Rubel soll ich Anfang Juni bei „Epay-Sol-15“ ausgegeben haben. Umrechnungskurs zum Euro: 29,6 RUR.

In anderen Kreditkartenabrechnungen wären die 44 Euros wahrscheinlich gar nicht aufgefallen; in den elendig langen Kolonnen von Tankstellen- und Supermarktabrechnungen unbeachtet untergetaucht, automatisch vom Bankkonto abgebucht. Schauen Sie sich Ihre Kreditkartenabrechnung tatsächlich ganz genau an? Oder gehören Sie vielleicht auch eher zu den Menschen, die Dokumente nur einmal anfassen, den Briefumschlag ungeöffnet auf den großen Stapel werfen?

Dann wächst der Haufen unkontrollierbar an und über den Kopf, irgendwann packt man alles in einen Schuhkarton, wirft ihn in eine dunkle Ecke. Ich weiß, wovon ich rede. Und mein Steuerberater hasst mich dafür. Er sagt, ich würde so viel Geld verschenken, das wäre einfach unnötig. Schlichtweg dumm wäre das. Das weiß ich natürlich auch selber. Aber behalten Sie mal den Überblick über neun Plastikkarten und fünf Konten in drei verschiedenen Ländern. Das Leben als virtueller Weltenbummler hatte ich mir damals auch einfacher vorgestellt.

Blinder Aktionismus treibt mich. Der schnelle Griff zum Telefonhörer folgt. In Krisensituationen will man reden, kein Onlineformular ausfüllen. Die freundliche Dame meiner Direktbank sagt, ich müsse die Abrechnung gleich faxen, alles würde geprüft, eine eidesstattliche Erklärung geschickt, die ich dann unterschrieben zurück faxen müsse. Erst dann wird mir geglaubt, dass ich nichts in St.Petersburg gekauft habe und das abgezogene Geld erstattet.

Offensichtlich hat da jemand meine Kreditkartennummer benutzt. Aber wer? Leider ist das alles nicht mehr überschaubar. Schließlich habe ich in den Golden Dot-Com-Zeiten gerne online mit meiner Kreditkarte bezahlt. Alles war so günstig, teilweise 70 Prozent billiger. Aber nun, Kreditkartenleichen überall: Man kann nur hoffen, dass mit den vielen Startups auch die Kreditkartendatenbanken abgesoffen sind. Aber darauf sollte man nicht bauen: Ein Freund in San Francisco ersteigerte kürzlich auf einer Liquidierungsauktion einen Server, auf dem noch alle Datenbanken saßen. Da hilft nur eins: Neue Kreditkartennummer beantragen und verantwortungsvoller damit umgehen.

Bedeutet das eine Chance für den zentralisierten Microsoft-Passport-Dienst, der alle privaten Daten mit einer Emailadresse und einem einzigen Kennwort verbindet? Wohl kaum. Warum sollte ich alle persönlichen Daten und meine Kreditkarte ausgerechnet bei Microsoft speichern und darauf warten, dass die vielen Hacker in ihrem Anti-Microsoft-Hass das System hacken? Microsoft mag schnell reagieren, wenn mal wieder in eine der vielen Sicherheitslücke gepickt wird. Aber vertrauenerweckend ist das nicht. Während in Deutschland die Zukunft des MS-Passport noch in Sternen steht, gibt Microsoft in den USA bereits Gas: Microsoft versucht mit aller Marktmacht, Passport als Quasi-Standard bei E-Shops durchzudrücken.

Demnächst könnte es heißen: Super-Deals, wenn Ihr mit dem MS-Passport eincheckt. Allerdings ist die Konkurrenz nicht von Pappe: E-Bay kaufte erst kürzlich Pay-Pal auf und AOL – die mit der schieren Masse so ziemlich alles durchdrücken können – arbeitet ebenfalls an einer Alternative. Mein Favorit ist momentan Pay-Pal. Den listigen Russischen Kollegen aus St. Petersburg wird eine solche Konzentrierung generell gefallen. Das viele Kleinzeug bremst doch nur herunter. Mich schmerzt aber auch das schon und so werde ich meine Kreditkartenabrechnungen auch in Zukunft akribisch überprüfen. Das freut auch meinen Steuerberater.

Die Art zu Kommunizieren ändert sich im Netz. Wer erwartet schon Antworten? E-Mails sind immer unverbindlicher. Vor über 10 Jahren war das schon. Interessant, dass ich schon wieder eine Kolumne über Microsoft geschrieben hatte. War das Unternehmen damals etwa noch wichtig? Aber halt, ich muss einen Spaßfrosch verschluckt haben oder es war der 1. April…

Manchmal kommt Microsoft doch auf ganz pfiffige Ideen. Ich durfte neulich ein wahrlich revolutionäres Zusatzpaket für Outlook ausprobieren: Die elektronische Zentrale der Verbindlichkeit. Meine elektronische Kommunikation verläuft nun völlig flüssig, niemand beschwert sich mehr über unbeantwortete Emails von mir. Auch Leute, die normalerweise niemals auf Emails regieren, schreiben nun brav zurück.

Das Beste: Für meine morgendliche Email-Toilette benötige ich nunmehr statt zwei Stunden nur noch eine Viertelstunde. Nicht möglich? Ich hätte es auch nicht geglaubt. Schließlich vertrat ich noch bis kurzem die These, dass die elektronischen Medienkanäle einfach immer unverbindlicher, ineffizienter und damit belangloser werden; zu Wischiwaschi-Medien verkommen. Ob Email, Webpager, SMS oder Handy – wir sind immer erreichbar. Und eben doch nicht.

Denn wir filtern, was das Zeug hält: Es klingelt, kurzer Blick auf die Telefonnummer, weiter klingeln lassen und später den Anrufbeantworter checken. Bloß jetzt nicht ablenken lassen. Auch mit der Kontaktanbahnung per Email kommt man mittlerweile nicht mehr so richtig weiter. Da wir alle mit einer Flut von Emails zu kämpfen haben, fallen einfach immer mal wieder Antworten unter den Tisch. Das darf man halt nicht persönlich nehmen. Sie werden auch weiterhin geliebt. Nur sagt es niemand mehr, weil jeder zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist. Nur wer die Erwartung auf eine Antwort herunter schraubt, trotzdem die Hoffnung bewahrt, niemals aufgibt und sich dann noch kindlich über eine überraschende Email freuen kann, kann sich das Outlook-Zusatztool sparen.

Aber nicht jeder ist so ein Karma-Kasper und deswegen gilt für den Rest „Augen zu und durch“: Kaufen. Viele haben versucht, ohne die Zentrale der Verbindlichkeit auszukommen, zum Beispiel mein Kumpel Pascal, berüchtigt als „Email-Terrier“. Er fängt dann an, wenn andere schon aufhören. Gut organisiert fordert er gnadenlos Antworten ein. Erst recht passabel mit einer freundlichen Erinnerungsmail. Dann wird er schon deutlicher, die dritte Email besteht eigentlich nur noch aus Beschimpfungen und halbstarken Bedrohungen. Er ist erfolgreich, aber auch verhasst. Eben eine Nervensäge.

Die Zentrale der Verbindlichkeit (ZDV) funktioniert da schon erheblich geschmeidiger, sie beantwortet jede Email zuverlässig, verbindlich, mit einem persönlichen Ton. Der Benutzer darf die Verbindlichkeitsstufe und Dreistigkeitsquote festlegen. Das ist praktisch, denn das System beantwortet auch ganz verbindlich SPAM-Emails: von einer netten „Vielen Dank, aber ich kaufe nichts“-Hartmann-Email bis hin zum schwarzen Gürtel des SPAM-Kung-Fus: Jeder Spammer wird dann ganz verbindlich geflutet und mit Emailbomben beworfen.

Aber auch für die private und berufliche Kommunikation eignet sich ZDV. Das Programm rechnet aus einem Google-ähnlichen Algorithmus den Wichtigkeitsquotienten des Versenders und damit der Email aus und teilt dieses per Email ganz verbindlich sofort mit: “Ihre Email ist eingegangen und steht an Beantwortungsposition Nummer 678, voraussichtliche Wartezeit:4 Monate oder nie mehr”.

Umgekehrt beobachtet ZDV auch den Postversand-Ordner und erinnert Ihre Emailempfänger daran, dass die Antwort bereits seit 2 Stunden, 7 Tagen oder 3 Jahren aussteht. Nichts wird vergessen. Wirklich hilfreich ist das „Silicon Valley Roulette-Feature”: Auf verbindlich-unverbindliche Art werden abgekühlte Kontakte wieder aufgewärmt. Das Programm analysiert dazu alle ausgetauschten Emails, geht automatisch online und leitet dann eine aktuelle und relevante Newsseite mit persönlichem Anschreiben an einen fast vergessenen Adressaten.

Ob ZDV jedoch jemals verkauft wird, ist fraglich, denn selbst von ganz oben bekommt es momentan Gegenwind. Der Grund: Ein solch verbindliches System würde letztendlich Ausreden, Ausflüchte und damit Arbeitspausen auffressen. Und Billy würde niemals auf seine Online-Bridge-Spielchen mit Warren Buffet verzichten.

P2P-Suchmaschinen kommen und geben einen ersten Vorgeschmack auf das semantische Web. Das semantische Web – darauf warte ich noch immer. Ich fürchte, wir packen es nicht mehr, die Reise geht woanders hin.

Cory Doctorow hatte ich eigentlich gar nicht mehr auf meiner Liste. Ich traf ihn Anfang des letzten Jahres auf einer P2P-Konferenz in San Francisco. Unter all den pickeligen Kids in Kapuzenpullis hob sich der pausbäckige, mit einem listigen Lächeln und stilsicherem Retro-Augenschmuck ausgestatte Doctorow angenehm hervor. Vor allem hatte er etwas zu erzählen, eine Vision, die zudem Sinn machte. Chief Evangelist – selbst ernannter Internet-Visionenverticker – steht auf seiner Visitenkarte.

Seine Ersatzreligion verspricht technologische Erleuchtung, Wissen für alle und hört auf den Namen OpenCola. So reiste er in den letzten Jahren wie ein Wanderprediger durch die Lande, verteilte silberne Dosen mit süßlicher Cola-Substanz und seine nicht minder süßen Worte versprachen uns Antworten auf die universellen Fragen des Lebens. Wir würden sogar Antworten auf Fragen finden, die wir uns momentan noch gar nicht stellen, erklärte er mit leuchtenden Augen. Sein Publikum war dankbar für solche farbenfrohen Worte. Denn es herrscht ja sonst viel zu sehr die Farbe Rot vor. Und die Hawaiihemden der Branche hängen schon seit 1995 frisch gebügelt und nun vermottet in den kalifornischen Schränken der Visionäre von Gestern.

Doctorow schreibt Science Fiction-Romane und irgendwie wurde ich den Verdacht nie los, er erfindet solche Szenarien wie ein berauschter Improvisations-Kleinkunstkabarettist und schreibt abends alles in sein Buch, düpiert irgendwann die gesamte Branche und outet sich nebenbei als kreativer Hochstapler. Und alles nur, um sich die vielen Reisen ins Disneyland leisten zu können. OpenCola als Science Fiction-Projekt?

Es wurde also Zeit, dem Thema „P2P-Suchmaschinen“ nachzugehen, dem beliebten „Was macht eigentlich xxx“-Motto folgend. Der damalige Konkurrent, InfraSearch, wurde mittlerweile von SUN übernommen und dort in eine dunkle Ecke zugeparkt. Gene Kan, der damalige Entwickler und Gnutella-Mitstarter wurde Mitte Juli tot in seiner Kalifornischen Wohnung gefunden. Kopfschuss, Selbstmord. Von OpenCola gibt es erfreulichere Neuigkeiten: Anfang Oktober wurde endlich die Windows-Version 1.0 im Web veröffentlicht und Doctorow bekommt seine Karma-Punkte. Die Software sieht nett aus, aber ist OpenCola tatsächlich die neue Killerapplikation im Web oder doch alter Cafe-in?

Disco’02 auf der Comdex: Bill Gates schlüpft in ein enges Ilja Richter-Kostüm und ruft einen neuen Star aus: Den intelligenten Wecker. Das Internet der Dinge in einer Kolumne.

Zwei Geschichten, eine davon weit verbreitet und oft erzählt, aber nur ausgedacht; die andere bringt alles in Perspektive, erweist sich aber als Spielverderber für alle Techno-Luddisten und Ewiggestrigen: In den 60er Jahren, in denen alles so schön aufgeräumt und schwarzweiß war, es um wirkliche technologische Fortschritte und ehrwürdige Ziele ging, steckte die NASA Millionen Dollar in die Forschung eines Stifts, der selbst in der Schwerelosigkeit und unter Hochdruck zuverlässig schreiben sollte. Die Russen wollten natürlich auch so einen tollen Stift, forschten ebenfalls und auch sie fanden eine Lösung: den Bleistift.

Solche Geschichten erzählt man gerne, wenn auf den ersten Blick sinnlose Gadgets auf den Markt geworfen werden. Erfindungen von weltfremden Wissenschaftlern, die nichts anderes im Kopf haben als sich denselbigen zu zerbrechen, um etwas zu erfinden, das die Welt sowieso nicht braucht. Doch der NASA-Stift hatte durchaus einen Sinn: Die Amerikanischen und Russischen Astronauten benutzten bereits Bleistifte, doch hatte man Angst, dass abgebrochene Bleistiftspitzen die hochsensible Technologie außer Gefecht setzen würde.

Wahrscheinlich haben deswegen die Russen auch Peterchens Mondfahrt verloren; zu viel Blei im Getriebe. Wer hätte gedacht, dass drei Jahrzehnte und ein Jahrhundert weiter ausgerechnet ein elektronischer Wecker der ultimative Hoffnungsträger einer Branche ist, die verzweifelt nach dem “Next Big Thing” fahndet. Da lässt sich Bill Gates mit funkelnden Augen von einem Microsoft-Entwickler erklären, warum Kühlschrankmagnete und ein silberner Wecker einen neuen Paradigmenwechsel einleiten werden: Der Wecker ist intelligent, der weiß genau, wann ich aufstehen muss, weil er sich mit meinem Outlook-Kalender abstimmt, den ich nur sporadisch mit detaillierten Information füttere. Der Wecker ist Teil der neuen “Smart Personal Object Technology”, kurz SPOT getauft, ist drahtlos mit dem Web verbunden, checkt automatisch die Außentemperaturen und ruft über das Web Verkehrsinformationen ab, weil der Wecker weiß, dass ich in zwei Stunden in einer anderen Stadt sein muss – aber nur, wenn ich es nicht irgendwo auf ein loses Blatt Papier geschrieben habe.

Doch zum Glück gibt es auf dieser Welt straffer organisierte Menschen als mich und genau diese Zielgruppe will Microsoft ansprechen: Was man auch immer tagtäglich in die Hände nimmt, soll intelligent werden, mitdenken, Informationen aus dem Web ziehen. Dazu arbeitet Microsoft mit Chipherstellern zusammen, die eine vernünftige Hardware dafür entwickeln sollen, die vielleicht sogar auf Wifi funken.

In Zukunft erwarten uns sprechende Türmatten, die uns daran erinnern, bloß nicht den Regenmantel zu vergessen; der Kühlschrankmagnet informiert uns über Börsennachrichten, die uns nicht interessieren und selbst in meinem Kugelschreiber kann ich bald meine Emails lesen und bin so abgelenkt, dass ich nur noch auf den Stift glotze und kein einziges Wort geschrieben bekomme. Jetzt mal ehrlich, wer braucht so etwas?

Bevor ich nun böse Emails von Lesern bekomme, die mich als Spaßbremse bezeichnen, nur weil ich deren technologischen Fundamentalismus ankratze, kurz meine Checkliste für sinnvolle Gadgets: Zunächst sollte das neue Gerät günstiger, besser und kleiner sein als das zu ersetzende. Warum sollte sich ein intelligenter Web-Stift durchsetzen, wenn er 99 Dollar kostet und man ständig in Sorge lebt, ihn irgendwo zu verlieren?

Auch sollte das neue Gerät einen wirklichen Mehrnutzen bieten; genauso gut kann ich das Radio einschalten und aus dem Fenster schauen. Zudem muss das neue Gerät zuverlässiger und wartungsfreier sein: In meiner Schublade liegen inzwischen zwei defekte Palmpilots und ein Handspring. Auf die Dinger kann man sich einfach nicht verlassen, die hätte man vorher mal im Regenmacherlabor von GoreTex oder nach Ikea schicken und dort von den automatischen Matratzenklopfern abchecken lassen.

Ein weiterer Knackpunkt bleibt die Batteriespeisung, wir brauchen Solarzellen, die man vernünftig recyclen kann. Denn wenn die kleinen Geräte wirklich denken könnten, dann würden sie “nicht wegwerfen” schreien. Mein alter Radiowecker braucht sich also nicht zu fürchten.

Das Netz wird noch bunter, lauter und mobil: HandyCams und AudioBlogs übertragen Gefühle ins Web. Es geht mehr in Richtung Web 2.0. Aber wir sind höchstens bei Web 1.2.

Neulich erreichte mich per Email ein verwackeltes Bildchen, mit zwei umnächtigten Gestalten drauf, dahinter schemenhaft ein Tannenbaum, alles schlapp beleuchtet. Das sei jetzt der neueste Schrei in Europa, schrieb mein Kumpel. Das Foto wurde mit einem Handy geschossen, das erst einige Stunden vorher eben unter diesem Baume gefunden wurde. Nicht gerade eindrucksvoll.

Die Hypemeister des Jahres 2003 sehen das natürlich anders: Bald sollen wir alle Fotos mit dem Handy knipsen; per Knopfdruck an Freunde, Familie und die Oma verschicken, die jetzt ebenfalls “drin” ist. Allerdings im Altersheim. Sie sagt, sie wäre jetzt auch im AOL – dem “Altenheim ohne Langeweile”. So wurde es jedenfalls im bunten Prospekt versprochen. Mich würde nicht wundern, wenn dort auch bald Internet-Terminals aufgestellt würden. So hält man die rüstigen Rentner von der Straße und voll auf Trab; es spart auch den Besuch. Einfach ein Bildchen mit dem glitzernden Handy aus London per Email schicken und Omi hat gehörig Spaß in den Backen.

Da die Zugkraft der Hypemeister schon lange nicht mehr stark genug ist, um tatsächlich für Bewegung zu sorgen – wer glaubt noch an die rosigen Wachstumsprognosen für 2028? –, nehmen es die Firmen in die eigene Hand. Nokia ließ im September des letzten Jahres sechs Kunststudenten mit Kamerahandys durch London flitzen. Merke: Wenn wir unscharfe, mies beleuchtete Fotos schießen, dann sind sie direkt für die Tonne; die gleichen Fotos von Kunststudenten sind schräg, cool, funky.

Manchmal macht schon der Haarschnitt, die Brille und ein schreiendes Synthetikhemd den Unterschied aus. Nokia war von sich und den Studenten so begeistert, dass nun ein Buch mit den kunstvoll geknipsten Werken veröffentlicht wurde, das später direkt neben “Silicon Snake Oil” verstauben wird. Den Handykameras haben wir auch ein neues Buzzword zu verdanken: das oder den MoBlog, den “mobilen weblog“. Die ersten Systeme sind schon in der Inkubationsphase.

Bald springen Websites aus dem Nichts in unsere schon jetzt überforderten Augen, die nun auch noch von schlecht geschossenen HandyCam-Bildern beleidigt werden. Die Vorteile der MoBlogs liegen auf der Hand: Man braucht nicht umständlich nach einem Internetrechner zu fahnden, um die mit der DigiCam geschossenen Bilder zu übertragen. Zudem fällt die Formatierung weg, weil jedes Bild in ein vorher festgelegtes XML-Template in Echtzeit übertragen wird.

Der wohl größte Vorteil ist, dass man sich nicht mehr an den Rechner setzen muss, um sinnlosen Text in seinen Weblog zu hacken. Die meisten Weblogs sind halt doch nur fades, wiedergekäutes Zweitehandgelaber. Die Fotos sind frisch, lebendig, bringen Persönlichkeit und Farbe ins Web. Noch interessanter finde ich jedoch die AudioBlogs, die wir zunehmend im Web hören werden. Frei nach dem Motto: Wenn schon Gelaber, dann wenigstens das volle Programm. Minidisk- und MP3-Rekorder bringen neue Dimensionen und Emotionen in die Webwelt.

Und warum sollte man nicht gleich mit seinem Handy einen AudioBlogdienst anrufen, von der “tollen Atmosphäre bei Tobis Party berichten”, vielleicht im Suff noch ein paar Interviews führen und dann alles automatisch als MP3 auf die Website posten? Dazu meinetwegen noch ein paar Fotos von der flotten Moni mit der HandyCam und ab aufs Web. Dann wären Sie nicht nur Ihr eigener Publisher, sondern hätten auch noch eine eigene Radiostation – wenn Sie es sich leisten können.

Viele Amerikanische Radiostationen können es jedenfalls nicht mehr und stellen den Radiostream wieder ein. Grund: Es kostet zu viel Geld, die Zuhörer saugen, aber kaufen nichts. Trotzdem: AudioBlogs kommen. Auch bei Macromedia macht man sich Gedanken dazu. Jeremy Allaire, von Macromedia aufgekauft, bastelt bereits an einem AudioBlog-Werkzeug, dass Audio in ein Shockwave umwandelt. Das Web wird also noch multimedialer, bekommt damit aber nicht unbedingt mehr Nährwert. Aber Omi soll’s recht sein.

Neue Anwendungen auf dem Web erfordern eine neue Generation von Designern, Programmierern und Beratern: Wer weiterhin nur „Seiten“ produziert, darf nach Hause gehen – offline bekommt wieder mehr Bedeutung. Auf dem Weg zurück von Vancouver nach München besuchte ich nochmals San Francisco.

Es muss am ungewohnt kalten Wetter gelegen haben. Ständig schossen mir alte Bilder in meinen Kopf. Bilder von nervösen Junkies und Obdachlosen, die Einkaufswagen schieben; von Kapuzenpulliträgern, die mit dem Skateboard die Rutsche am South Park in San Francisco herunter rutschen. Ich fühlte mich ins Jahr 1996 zurückkatapultiert an diesem regnerischen Nachmittag Ende April in San Francisco.

Zwischendurch galt der South Park als das Epizentrum der Internet-Bewegung. Davon ist nun wenig zu sehen. Das neue “Big Thing” sind Yoga-Studios, die hier überall in die Lofts der Startups einziehen – allerdings werden vorher alle bösen Geister aus den Hallen vertrieben. “Space Clearing” nennt man das. Ein paar Blöcke weiter mehrere Backsteinbauten, in denen sich Macromedia breit gemacht hat.

Dort treffe ich mich mit Michael Williams und Joel Dreskin, die mir Macromedia Central näher bringen wollen. Joel ist der Marketingmann und Michael der vorbestellte Nicht-Marketingmann. Joel trägt ein feines weißes Hemd, Michael ein dunkelblaues Macromedia DevNet-Polohemd.

Und so erklären sie mir wie wichtig es doch wäre, Inhalte und Anwendungen auch offline im Central-Browser benutzen zu können und dass die meisten Benutzer auf längere Zeit noch immer mit 56k surfen werden. Moment mal. Sitze ich im falschen Film? Seit Jahren wird mir von allen Seiten „Bandbreite ist kein Thema“ eingehämmert und jeder redet von mobilen „always on“-Anwendungen. Bei Macromedia denkt man da offensichtlich anders. Es gäbe ja noch immer Orte, wo man keinen Internetzugang hat – zum Beispiel im Flugzeug, sagt mir Joel.

„Offline“, Joel und Michael wiederholen das Wort ständig. Und ich dachte, offline wäre uncool. Wann haben Sie zuletzt mit einem Offline-Browser gearbeitet? Genau das soll Central werden: Erst hebt Macromedia auf Ihrem Rechner einen Sandkasten aus. Dann laden Sie interaktive Flashanwendungen herunter, mit denen Sie dann auch offline spielen können. Vor allem Flash-Entwickler werden davon profitieren. Denn wer eine gute Idee hat, muss sich keinen Auftraggeber suchen, sondern verlangt für die Anwendung eine Gebühr, im Gespräch sind 20 bis 30 Dollar.

Das bedeutet jedoch auch, dass Designer und Programmierer noch einen Schritt weiter gehen müssen: Nun sind Anwendungsentwickler gefragt. Programmierer werden auch weiter vollbeschäftigt bleiben, aber Designer müssen sich nun endgültig vom “Seitenweisen-Design“ lösen und “Blockweise“ denken. Das erfordert von den Designern eine neue Flexibilität, denn die Kombination aus Flash mit Datenbanken rückt nun zunehmend in den Mittelpunkt. Daher sollten sich Designer einen Programmierer adoptieren, ihn gut füttern und sich mal genau erklären lassen, was für eine gute Datenbankanbindung vom Designer vorgeleistet werden kann. Wird Central einschlagen und alle bisherigen Webanwendungen in den Schatten stellen? Wohl kaum.

Momentan verstehe ich Central nur als eine gute Möglichkeit für Entwickler, ebenfalls ein wenig Geld zu kassieren. Aber mir fehlen noch ein wenig die nützlichen Anwendungen dafür. Warum sollte ich mir eine Shopping-Anwendung herunter laden und dann offline benutzen? Letztendlich muss ich ja dann doch wieder online sein, um das Flugticket zu kaufen.

Die momentan einzige sinnvolle Anwendung für Central ist der WiFi-Hotspot-Sucher von Intel. Denn wie findet man einen Hotspot, wenn man nicht online ist? Es wird jedenfalls schwierig, dem Surfer beizubringen, eine Anwendung herunter zu laden, statt auf die jeweilige Website zu surfen. Entwickler werden wohl zunächst zweigleisig fahren und Anwendungen sowohl für das Web als auch für die Offline-Benutzung schreiben. Wenn sich die Mehrarbeit jedoch nicht auch finanziell lohnt, weil die Benutzer keinen Sinn darin sehen, Geld dafür zu zahlen, dann wird es sehr schwer für Central. Aber vielleicht helfen den Designern ja ein paar inspirierende Stunden in den Yoga-Studios.

Pop-Up-, Kick-Through- und Floating-Ads reichen mittlerweile nicht mehr, um Kunden zu vergraulen. Deswegen packen die Werbetreibenden nun den Hammer aus. Im Sommer 2003 zog ich aus Vancouver nach München und versuchte eine Weile mein “bohemian life” auch in München fortzusetzen. Also saß ich auch hier stundenlang in Cafes wie dem Café Puck in Schwäbing, weil es hier kostenloses Wlan und hübsche Menschen gab. In dieser Zeit musste ich mich erst wieder zurechtfinden und steuerte in meiner Internet-Redaktion in Richtung “usability”. Langweilig, aber der Chef wollte es so.

Wer hätte das gedacht: In einer kürzlich von advertisement.com veröffentlichten Studie über die Werbewirksamkeit verschiedener interaktiver Werbungen belegten die Pop-Ups den ersten Platz – und zwar nicht in der Kategorie “Nervensägen”, sondern in der Effizienz. Demnach generierten Pop-Ups etwa 13 Mal mehr Klicks als herkömmliche Banner. Das ist doch erstaunlich, denn ich kenne wirklich niemanden, der freiwillig auf Pop-Ups klickt.

Vielleicht liegt es auch an den vielen Grobmotorikern und an veralteten Mäusen, deren verdreckter Mausball den Mausezeiger nicht so richtig in die rechte obere Ecke des Pop-Ups transportiert und dann rein zufällig das Pop-Up aktiviert? Laut Nielsen/Netratings wurden allein im ersten Quartal des Jahres 2003 13,4 Milliarden Pop-Ups auf den Bildschirm geworfen. Pop-Ups machen zwar noch immer nur etwa 5 Prozent der gesamten Anzeigen aus, doch immerhin, die Masse ist schon erschlagend. Das war mir gar nicht so bewusst, denn ich benutze eigentlich nur Opera oder Mozilla und dort werden die Pop-Up-Fensterchen unterdrückt. Also startete ich mal wieder den Internet Explorer, surfte auf Spiegel.de und als erstes springt mir ein Pop-Up für ein Spiegel-Abo ins Gesicht.

Etwas später rast ein animiertes Motorrad von links oben nach rechts unten über den Bildschirm, wird ausgeblendet und es öffnet sich über der Geschichte des Tages ein neues Fenster für eine Versicherung. Ein Klick rechts oben schließt auch dieses Fenster. Es sind schon gute 30 Sekunden vergangen, ich habe noch keine einzige Zeile gelesen, mir ist die Lust vergangen. Damit schießen sich die Inhaltsanbieter in den eigenen Fuß: So wichtig kann der Inhalt gar nicht sein, dass man seine Kunden warten lässt oder Inhalte mit Anzeigen verdeckt.

Ärgerlich sind vor allem die “Floating ads”, die kleinen Flash-Animationen, die über den Bildschirm hopsen, dann eine Weile irgendwo ausharren, um dann letztendlich verschwinden. eBay hatte mal eine Weile solche schwebenden Anzeigen bei Express.de gebucht. Für den Designer und den Anzeigenverkäufer sind diese netten Gimmicks ja schön anzusehen, aber hat jemand an den Leser gedacht?

Das eBay-Raumschiff landete bei Express in bestechender Beständigkeit im oberen Drittel der Seite, gleich in der Mitte, damit es so richtig heraus sticht. Dumm nur, dass ausgerechnet der erste Abschnitt der Nachrichtenmeldungen überdeckt wurde, denn gerade dort sollten alle wichtigen Informationen stehen. Merke: Wer den ersten Abschnitt einer Nachricht mit Anzeigen überdeckt, schadet sich selbst. Ein solches Vorgehen verärgert und verscheucht die Gäste nur. Eine Spur fieser sind die so genannten “kick through”-Anzeigen: Da öffnet sich schon ein neues Fensterchen, wenn man den Mauscursor nur über das Pop-Up nach rechts oben bewegt, um es zu schließen. Kein Klick erforderlich, eine launige Bewegung aus dem Handgelenk reicht schon und schon öffnet sich ein riesiges neues Fenster.

Für meinen Geschmack sind die Rollover-Ads ein Schritt zu weit, denn vor allem Neulinge und ältere Surfer – und die sind ja wohl die Zielgruppe für die Werbestrategen – werden mit den Rollover-Ads schlichtweg überfordert. Ich sehe vor meinem geistigen Augen meinen Vater, der verdutzt vor dem Rechner sitzt und mit dem neuen Fenster nichts anzufangen weiß: “Was ist denn jetzt schon wieder, ein Virus?”. Die Pop-Up-Fenster ignoriert er, schiebt sie vielleicht weg, wenn sie zu sehr die Sicht versperren.

Endgültig vergraulen könnten ihm die neuen Anzeigenformate von Unicast, die sich zwischen der angewählten Seite wie eine Art Werbeunterbrechung schiebt. Für die etwa 300k großen und 15 Sekunden langen Anzeigenfilmchen gibt es keinen “Skip Intro”-Button, da muss man durch – ein Traum für alle Flashdesigner, aber eine Horrorvorstellung für alle AOL-Dialup-Kunden und den Rest der Webgemeinde. Es wird noch eine Weile dauern, bis wir uns an die kleinen Werbefilmchen gewöhnen. Wenn es Ihnen stinkt, wählen Sie einen anderen Browser und schalten Sie einfach alles aus, was Ihnen ins Gesicht springen würde.

Der erste Eindruck wird immer wichtiger. Suchmaschinenbenutzer werden wählerischer und tolerieren auch weniger schlechte Webdesigns. Auf die richtige Perspektive kommt es an. Auch hier geht es natürlich im Inhalte. Muss ich mich wiederholen? CONTENT IS KING.

50 Prozent – die kürzlich von der Pennsylvania University veröffentlichte Suchmaschinenstudie ist nur so gespickt mit Fifty-Fifty-Werten. Die Wissenschaftler beobachteten an einem Tag die Suchvorgänge bei AlltheWeb.com, sammelten dabei eine Million Daten und verzogen sich dann eine Weile ins dunkle Kämmerchen, wo der Supercomputer steht.

Eine Weile später kamen sie dann da wieder raus und hatten alle Antworten auf unsere Fragen: Wie viele Seiten auf der Trefferliste werden eigentlich angesurft, wie viele Webseiten werden angeklickt und vor allem, wie relevant sind die Suchergebnisse tatsächlich. Die Ergebnisse sind wenig überraschend, denn sie geben nur wider, dass die Surfer eigentlich gar nicht so komplizierte Suchbegriffe eingeben. 54 Prozent aller Suchenden reicht die erste Seite der Trefferliste, 53 Prozent starten nur eine Suche, ohne sie später zu verfeinern.

Manche suchen auch nur, weil sie eben auf der Suche sind. Vor ein paar Jahren fragte ich mal den Produktmanager von Altavista, welche Suchbegriffe eigentlich am häufigsten eingegeben würden – und er sagte: “leer”. Nicht Sex, auch nicht Porn oder was auch immer, die meisten Benutzer klickten dumpf auf „Suche“, ohne etwas eingegeben zu haben. Willkommen, hier kommt Ihre Zielgruppe – und für die sind 52 aller gefundenen Treffer relevant. Das bedeutet, dass sie auch nur zwei Sites anklicken werden, nämlich die erste und die zweite auf der Liste. Etwa acht Webdokumente werden durchschnittlich in den gewählten Websites angeklickt, im Schnitt halten sich die Surfer gute 16 Minuten auf der Site auf. Das klingt nach einer Menge, aber Moment: 30 Prozent davon brauchen weniger als seine Minute und sind wieder verschwunden.

So viele Zahlen, was bedeutet das aber nun für Sie? Klar, zunächst müssen Sie einmal gefunden werden und in der Trefferliste möglichst ganz oben stehen. Es ist ja bekannt, dass zum Beispiel Google auf den Inhalt, die Links zu Ihrer Site, ALT-Attribute und TITLE-Tags schaut. Aber vor allem mag Google Sites, die vernünftig X/HTML-validiert sind. Wann haben Sie das zuletzt gemacht?

Mal abgesehen vom Aufbohren für Suchmaschinen, letztendlich bekommen Sie nur Besucher, wenn Sie auch interessante Inhalte anbieten und das auch gleich auf der Trefferliste klar wird. Wer sich auf ein bestimmtes Nischenthema stürzt und gute Arbeit leistet, der sollte auch schnell nach oben kommen. Aber jetzt kommt’s: Wer sich auf Ihre Site wagt, der muss in knapp 10 Sekunden entscheiden, ob es Sinn macht, ein Weilchen länger nach relevanten Infos zu suchen. Laut der Wissenschaftler besteht dafür eine Fifty-Fifty-Chance. Die sollten Sie sich nicht entgehen lassen.

Und hier ist der Knackpunkt, weil viele selbst verliebte Designer das “Las Vegas-Casino-Prinzip” falsch verstanden haben: Rein kommt man immer ganz leicht, nur raus eben nicht. Nicht umgekehrt. Bei vielen Websites ist schon der Eingang so verwirrend, dass man sich sofort unwohl fühlt. Aber wie finden Sie das auch selber heraus, wenn Sie die ganze Zeit schon vor dem Design sitzen und nichts Abstoßendes finden? Sie brauchen eine neue Perspektive: Stehen Sie auf dem Kopf oder schauen Sie in den Spiegel.

Das kennen Sie vielleicht noch aus der Schule: Eine Handschrift wird erst so richtig schön oder hässlich, wenn Sie das Papier um 180 Grad drehen, auf den Kopf drehen. Manchmal erscheinen krakelige Schriften wunderschön und plötzlich symmetrisch; kunstvoll gemalte Schriften ästhetisch abstoßend, weil einfach der richtige Blickpunkt fehlt.

Das Gleiche sollten Sie einmal mit Ihrer Website versuchen: Zum Beispiel mit Irfan View einen Screenshot schießen, dann mit ‘H’ das Bild spiegeln. Das nimmt die Aufmerksamkeit vom Text und gibt einen guten Überblick über das Design. Fragen Sie mal einen Freund, was er denn nun sieht – wahrscheinlich sagt er zunächst: Kann ich nicht lesen. Aber dann sollte er alles schnell entziffern können. Wenn nicht, dann sagen Sie ihm, dass er eben zu den restlichen 50 Prozent der Designtrottel zählt, beschimpfen Sie ihn als farbenblinder Programmierer und ändern heimlich das Design Ihrer Site.

Spam, Würmer, schlappe Filter: Wird E-Mail bald unbenutzbar? Neue Technologien sollen helfen – doch das Hauptproblem lösen sie damit nicht: Pure Dummheit. Und das ist auch noch heute das Grundproblem.

Ich durfte mich lange glücklich schätzen, bei mir hielten sich die Spamnachrichten meistens in Grenzen. Vielleicht 20 Stück pro Tag; das geht, lässt sich schnell wegklicken. Meine private E-Mailadresse, die nur Freunde kennen, zieht so gut wie keine Spam-E-Mails an und die vielen Webmail-Accounts, die ich in den letzten Jahren angelegt habe, laufen sowieso über, weil ich sie kaum noch überprüfe.

Wer da E-Mails hinschickt, hat eben Pech gehabt. Doch vor ein paar Wochen wurde ich nicht zum Opfer, sondern zum Täter. Ich wurde ein Spammer und ich merkte es nur, weil so viele Surfer wie ich die E-Mailadresse nicht mehr benutzen, das Postfach voll ist oder der Mailserver eine automatische Urlaubsbenachrichtigung zurück schicken.

“1354 wartende E-Mails“ sagte mir mein System eines Morgens. Kaum war alles heruntergeladen und gelöscht, drängelten sich weitere 400 E-Mails nach. Und dann weitere 400. Zuerst habe ich das alles gar nicht so verstanden und gedacht, mich hätte eine Spam-Attacke kalt erwischt. Doch dann stand sah ich meine eigene E-Mailadresse in den vielen E-Mails.

Jemand hat meine E-Mail entführt! “Joe Jobbing” nennt man das, wenn ein Spammer eine Werbemail schickt, wenn sich hinter der gefälschten E-Mailadresse des Spammers tatsächlich eine existente E-Mailadresse versteckt. Inzwischen bin ich unter dieser E-Mailadresse nicht mehr erreichbar, das Postfach ist abgestellt. Wieder eine tote E-Mailadresse im Netz.

Mir würde so etwas niemals passieren, dachte ich immer. Schließlich achte ich penibel auf Sicherheitsupdates, öffne keine unbekannten Anhänge und benutze so wenig Windows-Software wie möglich – auch wenn mein Betriebssystem noch immer auf Windows basiert. Pegasus Mail statt Outlook: Damit ist das Problem ja nicht völlig gelöst wie uns so mancher fanatischer Linux-Jünger glauben lassen will. Microsoft-Produkte sind nicht die sichersten, das wissen wir inzwischen alle. Aber wenigstens reagiert Microsoft meistens recht fix, das darf nicht vergessen werden, aber auch nicht als Entschuldigung für unsichere Software gelten.

Fakt ist doch, dass die Spammer offensichtlich noch immer Geld verdienen, sie also immer noch Gutgläubige finden, die tatsächlich auf Spam reagieren und sogar noch etwas kaufen. Bei der Masse der verschickten E-Mails reichen relativ wenige Dumpfbacken dazu aus. Ich würde mich nicht wundern, wenn bald auch die Würmer nicht nur den Rechner verlangsamen, vielleicht wichtige Dateien löschen, sondern gleich auch noch Spam verteilen. Spam-Würmer, warum eigentlich nicht. Die Spammer haben ja nichts zu verlieren. Schon jetzt kreuchen und fleuchen so viele Viren und Spam-Nachrichten durch die Netze, die “Killeranwendung“ E-Mail wird immer ineffizienter.

So lange sich Geld herausziehen lässt, so lange werden wir auch Spams sehen. Entweder wir erschweren es den Spammern, bauen neue Barrieren auf oder erheben eine Art Strafzoll für Spam-Emails. Das “E-Mail-Porto” oder die “E-Mail-Steuer” wird wohl auf absehbare Zeit nicht kommen, doch sollen den Spammern technische Lösungen den Spaß verderben.

Eine kürzlich vorgestellte Lösung ist das AMTP-Protokoll (Authenticated Mail Transfer Protocol). AMTP basiert auf dem SMTP-Protokoll auf und soll eine vertrauenswürdige Verbindung zwischen so genannten “Mail Transfer Agents” (MTA), den authentifizierten Mailservern, herstellen. Nach diesen Plänen müssten die Mailserver zertifiziert werden. Nette Idee und gute Nachrichten für Verisign und Konsorten, aber löst es irgendwelche Probleme? Wohl nicht.

Wir sollten doch mittlerweile wissen, dass wir uns mit „Authorisierung“ nicht vor Kriminellen schützen können. Wie oft haben Sie schon einem “zertifizierten” ActiveX zugestimmt, das sich dann in einen Dialer verwandelte? Und auch hier wird es an den Kosten scheitern, denn die Umstellung auf ein MTA und die Zertifikat werden zu viel Geld kosten und noch viele Jahre mit SMTP-Servern gemailt.

Technologischer Fundamentalismus hilft da wenig. Spammer lassen sich vor technischen Barrieren vielleicht kurz aufhalten, aber nicht stoppen. Dabei liegt die Lösung so nahe: Wir sollten die wenigen Idioten aus dem Verkehr ziehen, die sich immer noch von Spam-Mails einlullen lassen.

Das Lieblingskind der Webgemeinde steht zunehmend unter Beschuss. Verschluckt sich Google am eigenen Erfolg? Das fragte ich mich schon 2004.

Vielleicht prüfen Sie auch hin und wieder in Google, an welcher Stelle Ihre Website oder Ihr Name auftaucht. Wer keine Erwähnung auf der ersten oder zweiten Seite schafft, ist raus, ein Nobody. Das erzählte mir kürzlich ein Kollege, der mit seiner Website intensives “Ego-Googling” betreibt. Ganz aktiv verknüpft er seine Website mit anderen relevanten Sites und schreibt den gelinkten Betreibern eine Email mit der Bitte um Rückverknüpfung. So hat er seine Website nach ganz oben in der Trefferliste katapultiert.

Na gut, dachte ich mir, versuche ich es auch einmal. In mühevoller Arbeit schrieb ich alle von mir verknüpften Websites per Email an und fragte in höflichst, ob sie meinen kleinen Beitrag zur allgemeinen Zerstreuung und Zeitverschwendung ebenfalls erwähnen könnten. Die Resonanz war ernüchternd: Die meisten Emails blieben unbeantwortet und unbearbeitet; einige Adressaten beschimpften mich, ich solle sie doch in Ruhe lassen und nur ganz wenige schrieben zurück.

Gestern erhielt ich dann eine recht formal gehaltene Email, in der mein Gesuch nach Verknüpfung aufgrund des „zu niedrigen Google PageRanks“ abgelehnt wurde. Wir verknüpfen nur zu Sites mit einem PageRank von mindestens sechs, hieß es in der Email. Wer hätte gedacht, dass der PageRank von Google einmal so wichtig, ja regelrecht zur zweiten Währung werden würde?

Google hält den genauen Suchalgorithmus geheim, um es “Weboptimierern“ so schwer wie möglich zu machen. Die wiederum fühlen sich schwer benachteiligt. So klagte SearchKing gegen Google, weil die von SearchKing unter Vertrag stehenden Kunden plötzlich nicht mehr auf den ersten Seiten auftauchten und dort landeten, wohin sie aufgrund ihrer wahren Qualität sowieso gehören. Eine Klage eines Kriminellen gegen sein Opfer hätte genauso wenig Erfolg gehabt wie die Klage von SearchKing gegen Google. Die Klage wurde abgewiesen. Doch bleibt ein bitterer Beigeschmack:

Google muss immer mehr eingreifen und bekommt zunehmend Druck von allen Seiten. Soll Google in manchen Ländern bestimmte Suchbegriffe blockieren, warum werden IP-Adressen der Suchenden gespeichert, warum Cookies und wie verfährt man, wenn zum Beispiel die Chinesische Regierung den Zugriff auf Google aussperrt? Google muss sich zunehmend in Realpolitik üben. Dabei legte Google immer großen Wert darauf, lediglich eine Suchmaschine zu sein, mehr nicht. Schließlich eroberte sich Google genau damit die Herzen der Webgemeinde. Inzwischen beschränkt sich Google allerdings nicht mehr nur auf die reine Suchbarkeit. Vor kurzem startete Google ein Anzeigensystem für Websites. Mit der Google-Technologie können Website-Betreiber auf der Site ähnlich wie in Google einen “Sponsoren-Links”-Kasten einbetten. Dort werden dann nach Analyse des Inhaltes der Seite automatisch und dynamisch relevante Links anderer Hersteller eingeblendet – eine Mörderkonkurrenz für die Doubleclicks und co.

Mitte Februar schluckte Google dann das finanziell angeschlagene Blogger. Das war clever, denn schon bald könnten die etwa 100.000 Weblogs, die kostenlos auf BlogSpot gespeichert sind, anstatt mit Werbebannern mit den Google-Sponsored Links versehen werden. Wer beispielsweise in einem Handy-Blog liest, findet dort möglicherweise auch gleich mehr oder weniger ungewollte Links zu den größten Handy-Herstellern – und zwar mit der Verknüpfung zum besprochenen Handymodell.

Über Froogle findet man dann noch den besten Preis. Google überall. Ein Traum für jeden Marketingjongleur. Doch wird so etwas in der bisher sehr loyalen Webgemeinde ankommen? Verspielt Google damit das aufgebaute Vertrauen? Schließlich hätte Google dann ein großes Interesse, dass Blogger-Sites oben auf der Trefferliste stünden. Und auch die gerade abgewiesenen Suchkönige würden sich dann wieder aus dem Dreck erheben und einen weiteren Angriff auf die Integrität von Google wagen. In der nächsten Zeit wird sich zeigen, ob Google weiterhin den Weg zur neutralen Supermacht des Webs geht oder den Fußstapfen von Lycos, AltaVista und HotBot, den Lieblingen von Gestern folgt.

Rich Internet und Flash: Das Web wird interaktiver.

Die Trends des Jahres: Virtuelle Websites werden Voice-over-IP-Netzwerke implementieren, Kundendienstmitarbeiter mit Kunden über das Web Informationen und Kreditkartennummern austauschen; Einzelhändler stellen Internet-Kioske in den Verkaufshallen auf und Kunden sollen mit guter Bedienung, Service und Qualität ein Leben lang Kunden bleiben – diese Prognosen wurden nicht für das Jahr 2003, sondern für 1999 ausgerufen.

Damals war noch der Inhalt König, der ohne Serviceleistungen nicht regieren konnte. Inzwischen sind wir eine Stufe weiter, jeder redet nur noch von der “experience”, der Erfahrung, dem Stück Lebensgefühl, das uns ein bestimmtes Produkt kaufen oder eine Website besuchen lässt. Dabei wird stillschweigend angenommen, dass die gesteigerte Erlebniskultur auch besseren Service und höheren Nutzen bringen würde.

Das kann man nur hoffen, denn so richtig viel hat sich in den letzten vier Jahren im Web doch gar nicht getan: Schauen Sie zum Beispiel auf die Reiseseiten von Travelocity.de und Flights.com: Ich verstehe immer noch nicht, warum man sich registrieren muss, um in Echtzeit nach aktuellen Flügen zu erkundigen. Und allzu oft passiert es, dass man sich endlich für einen Flug entschieden hat, nur um im nächsten Schritt zu erfahren, dass der Flug ausgebucht ist. Genau hier machen die von Macromedia propagierten Rich Internet-Anwendungen (RIA) Sinn: Statt alles auf einzelnen Seiten aufzubauen, werden Auswahl, Ergebnis der Suche und Einkaufswagen auf einer einzigen Seite aufgebaut und interaktiv synchronisiert.

Ein gutes Beispiel dafür ist der Demo-Tierladen von Macromedia. Statt sich durch verschiedene Katalogseiten zu klicken, betätigt man die Schieberegler wie Preis, Gewicht, Auflösung. Die Kameras, die nicht mehr dem Suchkriterium entsprechen werden ausgeblendet und schließlich bleiben nur noch eine Handvoll Kameras übrig.

Wer jedoch auf die jeweilige Kamera klickt und dann mit “Browser back” zurück zur vorsortierten Kameraauswahl will, gelangt jedoch nur zur vorher angewählten Webseite. Bei Petmarket ist das schon besser gelöst, doch gerade weil es sich um eine Flashanwendung handelt und alles so schön interaktiv funktioniert, denkt man nicht daran, den Browser-back-Knopf zu drücken.

Wann wird das Web reich?

Die Vorteile von RIAs liegen auf der Hand und ich glaube, dass wir in den nächsten Jahren spannende RIAs sehen werden. Doch ich verstehe nicht, warum nun alles in eine RIA umgewandelt werden müsste. Ende März stellte Macromedia die neu produzierte Macromedia-Site als RIA-Anwendung ins Netz und wurde dafür sogar von der loyalen Flashgemeinde abgewatscht. Was wollte Macromedia damit demonstrieren? Dass man eine generell schon langweilige HTML-Navigation in eine ebenso schlaffe Flash-Navigation umwandeln kann, auf deren Aufbau man nun länger warten muss? Wohl kaum.

Schon eher steckt dahinter das Bestreben, mit dem Anfang April angekündigten Macromedia Central (http://www.macromedia.com/software/central) den Flashplayer langfristig als Browserersatz, sowohl online als auch offline zu etablieren. Pointcast, ick hör dir trapsen. Hinzu kommt ein alter Bekannter, das Shareware-Prinzip. Den Flash-Programmierern sollte es recht sein, denn dadurch werden neue Vertriebskanäle ausgehoben. Fraglich ist, ob die Webbenutzer ebenfalls darauf abfahren.

Meine Prognose: Es wird erheblich länger dauern, auch wenn uns die enthusiastischen Macromedia-Manager Mut zusprechen. Aber es kann etwas werden, wenn Programmierer und Designer den Benutzer im Auge halten und nicht nur für die Galerie produzieren. Wer es schon nicht mit den alten Werkzeugen kapiert hat, wird auch mit Flash keine besseren Seiten bauen. Mir reicht das gesteigerte Lebensgefühl jedenfalls nicht aus. RIAs bringen nur etwas, wenn sie schnell ausführbar sind, Zeit und Arbeit sparen sowie Zusatznutzen bieten. Das wurde uns aber auch schon vor vier Jahren versprochen.

Endlich zeigen, was möglich ist: Viele Entwicklerteams treten altbackene Sites einfach in die Tonne; setzen neue, schönere Sites ins Web – und die Benutzer revoltieren. Zu früh gefreut. Was nun? Über Puristen und Schöngeister im Web.

Viele Programmierer, vor allem Java-Leute, schütteln sich noch immer, wenn in einem Entwicklungsmeeting der Einsatz von Flash diskutiert wird. Spielkram. Am liebsten würden die Puristen den Marketingleuten so richtig ans Schienbein treten, wenn die strahlend einen Prototyp bejubeln, weil alles so schön flimmert und glitzert.

Aber es ist nun einmal so, dass Flash mit vernünftiger Datenbankanwendung mittlerweile weitaus mehr kann als lästige Skip-Intros. Das sickert nun auch zunehmend in Unternehmen, die zwar eine Webpräsenz haben, aber seit Jahren wenig draus machten, die Site einfach nebenher mitlaufen ließen. Wer viel für und mit mittelständischen Unternehmen arbeitet, kennt die Spielsituation: Vor fünf Jahren hat der Filius vom Chef eine Site gebastelt, die sah ganz nett aus und auch die Kunden fanden alles, wonach sie suchten. Dann kamen Zusatzfunktionen hinzu, vielleicht ein Bestellsystem, rudimentäre Abwicklung, irgendwie funktionierte das auch. Aber das Design wurde nicht verändert. Und nun druckt der Geschäftsführer schon nicht mehr den URL auf seine Visitenkarten, weil er sich so sehr für seine HTML-Seite mit Frames, viel zu vielen Grafiken und großer Schrift schämt. Das müsste er gar nicht, denn das Problem liegt an anderer Stelle, an der Kundenzufriedenheit: Die Benutzer mögen die Site nämlich, weil sie so übersichtlich ist und gerade weil sie sich so an die große Schrift und die schräge Farbauswahl gewöhnt haben.

Der Mensch ist nun einmal ein Gewohnheitstier. Designer dagegen überhaupt nicht: Warum an einem toten Fisch festhalten, wenn man mit der besten Angelrute dickere Fischen fangen könnte? Also, alles neu machen, Total-Relaunch. Schließlich kann nur so die Konsistenz des Designs gewährleistet werden.

Das macht auf den ersten Blick auch Sinn, doch wird dabei vergessen, dass Benutzer selbst ein weniger rundes Design tolerieren, wenn sie ihre Aufgaben trotzdem schnell erledigt bekommen. Paradebeispiel Google oder auch ein Yahoo, das sicherlich auch keine Designpreise einheimst. Davon kann man sich ja auch nichts kaufen. Außerdem sitzt das Geld nicht mehr so locker, da sollte man sich lieber auf Details konzentrieren, die aber letztendlich den Erfolg bringen.

Schauen Sie sich die erfolgreichsten Sites auf dem Web an: Ebay, Amazon, Dell, Yahoo, Google. Rein äußerlich sehen die Sites kaum anders aus als noch vor einigen Jahren. Doch tagtäglich erfahren die Seiten subtile Änderungen, die nur Vielsurfer mitbekommen. Können Sie sich noch an den augenunfreundlichen gelben Hintergrund von Ebay erinnern? Ebay schaltete von einem Tag auf den anderen auf Weiß – und die Benutzer schickten massig Beschwerdemails. Also wurde wieder auf Gelb gewechselt und stattdessen innerhalb weniger Wochen das Gelb immer mehr mit Weiß getränkt, bis der Hintergrund völlig geweißelt war. Auch die Eingabeformulare wurden graduell geändert, weil die Benutzer ansonsten das Vertrauen in die Site verlieren würden. Ebay entwickelte verschiedene Alternativformulare, auf die man per Zusatzlink vom Originalformular gelangte.

Wer das neue Formular besser fand, konnte es dann als Standardformular einrichten. Wichtig ist bei einer solchen Strategie natürlich, dass Sie genau verfolgen, welche Formulare bei den Benutzern ankommen. Allerdings sollten Sie dabei aufpassen, dass Sie nicht plötzlich mehrere ‘Beta-Formulare’ für verschiedene Benutzer anbieten.

Den Entwicklerteams bietet eine solche Strategie der kleinen Schritte und Designänderungen gleich mehrere Vorteile: Der Druck für den perfekten Relaunch fällt weg und auch das Feedback der Kunden lässt sich besser überwachen. Gleiches sollten Sie auch bei der Konzeption von Flashelementen, insbesondere der kommenden RIAs (Rich Internet Applications) beachten. Auch wenn Sie beispielsweise nicht mehr mit der Farbenwahl zufrieden sind, werfen Sie bloß nichts über den Haufen. Auch wenn der Designer sagt, die neue Trendfarbe wäre “creme-caramel“. Designer kommen und gehen, aber ein Relaunch von einem Relaunch ist tödlich. Der Schienbeintritt unter dem Tisch für den Marketingmann dagegen nicht.

Die Zeitungsverlage sind schon sehr lange in der Krise. Das darf man nicht vergessen, wenn man heute Beiträge über die armen Verleger liest. Sie hätten schon früh genug gegensteuern können.

Zurückgehende Abonnentenzahlen, fehlende Einnahmen und immer weniger loyale Leser: Vor allem die Zeitungsverlage haben mit den veränderten Lese- und Kaufverhalten einer neuen Online-Generation zu kämpfen. Während die Auflagen der Tageszeitungs-Druckausgaben stetig abnehmen, steigen die Zugriffszahlen online. So richtig Kapital daraus schlagen nur die wenigsten Verlage, denn nur wenige Leser würden für Inhalte zahlen. Warum auch? Nur einen Klick weiter gibt es die Inhalte beim Konkurrenten kostenlos.

Seit einigen Monaten beobachte ich nun Google-News, das sich in der deutschen Version noch immer im Beta-Status befindet. Das merkt man auch, denn die Nachrichten sind mitunter falsch in die Rubriken einsortiert: „In Berlin droht der Verlust von 180 Arbeitsplätzen“ steht da plötzlich in der Sektion „Sport“. Die Stärke von Google-News liegt darin, verschiedene Meldungen zu einzelnen Nachrichten übersichtlich zusammenzufassen. Eine Nachricht wird dann exemplarisch in Google-News angezeigt, auf Wunsch können Sie sich anzeigen lassen, wo sonst im Web noch die Rede davon war. Wer sich einmal durchhangelt, die anderen Nachrichten zum Thema liest, wird sehr schnell feststellen, dass alle voneinander abzuschreiben scheinen. Keine weiteren relevanten Fakten.

Die meisten Nachrichten stammen sowieso von den einschlägigen Nachrichtenagenturen. In der Regel geht es bei den Nachrichtenagenturen immer darum, wer als erster mit der Nachricht auf dem Ticker war, denn Schnelligkeit bestimmt den Wert einer Nachricht. Aber nicht nur das, es geht auch um die Ehre: Selbst Spiegel Online schreibt mitunter ein rotes „Eilmeldung“ über Artikel. Als ob es nicht reichen würde, die Nachricht ganz oben zu platzieren. Doch auch mit Eilmeldungen verdienen die Verlage kein Geld, denn nur wenige Minuten später ziehen andere Medienunternehmen nach. Da reicht ein Blick in Google-News.

Wir haben uns inzwischen daran gewöhnt, dass Nachrichten kostenlos sind. Haben Sie sich aber schon einmal gefragt, warum Sie für die Nachrichten von gestern aus dem Archiv zahlen müssen? Dabei heißt es doch, dass nichts uninteressanter als die Tageszeitung von gestern ist. Jeder Verlag hat sein eigenes System: Die FAZ verkauft den Zugriff auf das Archiv wie ein Telekommunikationsunternehmen mit einem Freizeit- und Normaltarif, bei Spiegel Online stehen die Meldungen immerhin drei Monate kostenlos im System und kosten dann der Abruf aus dem Archiv kostet dann auch nur 50 Cent.

Financial Times Deutschland verlangt moderate 1,70 Euros pro Tag und die Schweizer NZZ schließt die Artikel sofort nach dem Erscheinen weg: Ein vier Tage alter Artikel kostet dort 2,32 Euros. Wer ein bestimmtes Thema recherchieren will, wird ganz schön geschröpft. Viele, darunter die meisten Journalisten, sparen sich das Geld und googlen lieben nach kotenlosen Quellen. Ärgerlich wird es, wenn Blogs auf damals aktuelle kostenlose Nachrichten verweisen, die nun im Archiv verschlossen sind. Dieses „Deep Web“, die vom Web aus nicht zugänglichen Datenbanken, soll laut Bright Planet etwa 400 bis 500 mal so viele Daten enthalten wie im die frei zugänglichen Web.

Ein Goldesel sind die Archive für die Verlage nicht: Selbst die New York Times, die alles penibel ins Archiv verstaut, macht nur etwa zwei bis drei Prozent des Umsatzes aus Archiverträgen der New York Times und des Tochterblattes Boston Globe. Die New York Times denken nun allen Ernstes darüber nach, etwas für die bisherigen kostenlosen Nachrichten des Tages zu verlangen. Statt das Archiv verschlossen zu halten, sollten die Verlage neue Einnahmequellen erschließen. Denn wer Nachrichten wegschließt, wird auch in Google nicht gefunden.

Warum öffnen also die Verlage nicht endlich die Archive und verknüpfen die gefundenen Nachrichten mit Textwerbung wie die GoogleAds? Auf diese Weise bekommen Besucher wieder eine engere Bindung zum Blatt und die Verlage höhere Einnahmen. Und da viele Zeitungen vor allem von lokalen Werbern leben, könnten die Textwerbeanzeigen in den Archiven als lokale „Kleinanzeigen“ leben.

Manche Beiträge in den Tageszeitungen mögen nur für eine sehr begrenzte Gruppe relevant sein. Doch die Bloggerszene, die sich in Deutschland zwar weniger wortgewaltig als in den USA, aber dennoch zunehmend stärker formiert, wird dankbar zu interessanten Nachrichten verlinken. Damit steigt auch der Suchrang in den Suchmaschinen.

Ob die Tageszeitungsverlage damit überleben können ist allerdings weiterhin fraglich. Die Kinder von heute kennen Nachrichten nur aus dem Computer und das kostenlos. Niemand wird so wie unsere Eltern ein Leben lang eine Tageszeitung abonnieren. Die Verlage sollten das Medium Online also nicht weiter verteufeln, sondern kreativ damit umgehen.

Schade. IP-Telefonie schafft es wohl auch 2004 nicht.

Kürzlich saß ich in einem Münchner Cafe, das ganz verstohlen auf der Speisekarte einen “kostenlosen Wi-Fi-Zugang“ verspricht. Das müsste sich doch herumsprechen, denn immerhin liegt das Cafe im Uni-Viertel. Aber Fehlanzeige: Niemand hockt vor einem Computer; hier scheinen sich nur nette Pärchen, Geschäftspartner und Freunde zu treffen.

Andere Länder, andere Kaffeehaussitten: In den USA oder Kanada geht man ins Café, um dort alleine eine Zeitung oder ein Buch zu lesen, vielleicht ein paar Zeilen zu schreiben. Dort holt man sich den Kaffee vom Tresen, darf so lange bleiben wie man will. Überall sitzen Leute mit Computern, alle arbeiten selbstverständlich vor sich hin.

Viele meiner Artikel sind im „verlängerten Wohnzimmer”, in Kaffeehäusern in San Francisco, Portland oder zuletzt in Vancouver entstanden. Hier in München komme ich gar nicht so richtig auf die Idee, mit meinem Rechner in einem Cafe zu arbeiten. Das liegt natürlich auch daran, dass die wenigsten Cafes Steckdosen für mein Notebook bereithalten, denn die Batterie meines alten Notebooks ist hoffnungslos überladen und hält gerade mal eine halbe Stunde.

Doch dann kommt doch noch jemand, der den Ruf des modernen, portablen und flexiblen Deutschlands verteidigt: Gleich neben mich setzt sich ein etwas übergewichtiger Mann, vielleicht Ende 30, der mit Schwung ein silbernes Notebook aus seiner Tasche zieht. Triumphierend klappt er es auf, wartet eine Weile und taucht dann leicht grinsend in seine eigene Welt ab. Aber nicht lange, denn schon bald winkt er aufgeregt nach der charmanten Bedienung, die ihn bisher stilecht kühl, aber recht professionell ignorierte.

Erst jetzt wird mir klar, dass der Typ ein Amerikaner ist, der uns eine Nachhilfestunde in Wi-Fi erteilen will. „Internet – kaputt?!“ fragt er in gebrochenem Deutsch. “Das kann gar nicht sein”, sagt sie und verschwindet wieder. Der Ami schaut ungeduldig umher, rennt mit seinem aufgeklappten Notebook unentspannt von Ecke zu Ecke des Cafes, um doch noch ein Signal zu erhaschen. Aber nichts. Die Bedienung kommt wieder und sagt, dass eigentlich alles funktionieren müsse.

Daraufhin inszeniert der Ami einen Riesenaufstand wie ihn nur Deutsche Touristen im Ausland zelebrieren: Seit Stunden wäre er nun schon in München auf der Suche nach einem Wi-Fi-Netz unterwegs und er müsse unbedingt mit “Amerika kommunizieren“, hätte um 10 Uhr eine wichtige Telefonkonferenz über das Internet. Eine Telefonkonferenz! Neugierig mische ich mich in das Gespräch ein und sage: “Respekt, das ist ja ganz schön mutig, ein Telefonat über das Internet einzuplanen.” Da glänzen seine Augen und er sagt nur: “Skype, mein Junge. Skype ist das nächste große Ding.”

Das “Next Big Thing”, fast vergessen, taucht es nun etwa wieder auf. Im Silicon Valley wird so langsam wieder investiert, vor allem in Totgeburten der 90er Jahre, in „Social Network Software“ wie Friendster, Tribe oder Spoke. Niemand braucht das. Aber auch “Voice over IP” soll dieses Jahr den großen Durchbruch schaffen, glaubt man den Marktforschungsunternehmen, die sich nun auch wieder aus der Ecke trauen. Synergy Research Group sagt voraus, dass der Verkauf von IP-Telefonen in diesem Jahr um 80 Prozent steigt. Aber was sind diese Zahlen wert?

1997 war ich ebenfalls ein großer Anhänger von VoIP, redete vom “Next Big Thing”. Gärtner:„IP-Telefonie wird die nächste Killerapplikation. Frost and Sullivan versprechen einen Branchen-Umsatzwachstum von jährlich 150 Prozent und John Sidgmore von WorldCom sieht gar voraus, dass im Jahr 2003 die Telefon- und Datennetzwerke so miteinander verschmolzen sein werden, so dass über das gleiche Netzwerk 99 Prozent Datenverkehr und 1 Prozent Sprachübertragung stattfinden wird.”

Die Realität sieht anders aus und während VoIP bei großen, globalen Unternehmen Sinn macht, die sowieso schon mit dicken Kabeln vernetzt sind, sehe ich auch für 2004 weder den großen Durchbruch von Wi-Fi (zu wenig öffentliche Wi-Fi-Wolken, zu teuere Einwahl, kleine Zielgruppe ohne technische Vorkenntnisse) noch einen Siegeszug von Skype (nichts Neues, unzuverlässig, Sprachqualität nicht besonders, wer telefoniert von PC zu PC?). Dennoch, spannend ist sicherlich die Kombination VoIP und Wi-Fi-Handhelds wie zum Beispiel dem Tungsten von Palm, die dann per Skype oder anderen Produkten „angerufen“ werden können.

Mobilfunkunternehmen brauchen sich deswegen noch nicht in die Hose zu machen, denn nur wenige Geeks werden im Jahre 2004 permanent per Wi-Fi und Skype erreichbar sein. Aber es gibt ja bereits zuverlässigere und günstigere Lösungen, beispielsweise das Telefon. Das reichte ich dann auch dem verzweifelten Ami, der in meiner Homezone zwar nicht kostenlos, aber immerhin glücklich seinen Kommunikationstrieb befriedigen durfte.

OPML ist noch immer nicht im Mainstream angekommen und seitdem Google den Google Reader geschlossen hat (2013) hat es auch RSS schwer. RSS wird sowieso nur von “Freaks” benutzt. Interessant, dass ich hier von Mediendiät spreche. Die Mediendiät ziehe ich ab und an immer noch durch.

Vom Vielfraß zum Hungerkünstler: Seit einigen Wochen bin ich mal wieder auf einer selbst auferlegten Mediendiät. Das kommt bei mir alle paar Monate vor und hält eine gute knappe Woche an. Denn ich muss zugeben, ich bin ein Info-Junkie – wohlgemerkt, nicht abhängig und ich könnte jederzeit damit aufhören. Das sagen sie alle. Und auch ich rede mir das ein.

Die Realität sieht anders aus: Ich aktualisiere etwa 28 Mal pro Tag Spiegel.de und prüfe ständig mein E-Mailpostfach. Was, nichts da? Also, gleich noch mal checken, ob vielleicht in den letzten 5 Sekunden doch noch eine neue Nachricht an mich geschickt wurde. Ich weiß auch, das ist absolut behämmert. Aber es ist einfach sehr schwer, einmal eingeschliffene Routinen wieder abzuwerfen. Kennen Sie das?

Ich mache vor allem meinen Browser und Google verantwortlich für mein Versumpfen im Medientreibsand und deswegen lege ich gelegentlich ein “Browserfasten” ein: Weniger Surfen, nur noch E-Mail-Newsletter lesen, mehr Zeit draußen verbringen. Doch mein Informationshunger hält auch beim Browserfasten an und deswegen installierte ich vor ein paar Monaten mal wieder einen RSS-Reader. Ich habe mich ja schon an gleicher Stelle über RSS “Alter Wein in neuen Schläuchen” ausgelassen und mich über die schwache Softwareumsetzung beschwert.

Letztendlich ist RSS nichts anderes als eine dynamische Linkliste, in der ich auf einen Blick sehen kann, ob auf einer Website etwas verändert wurde. Seit einiger Zeit benutze ich nun FeedReader. So richtig zufrieden bin ich zwar damit nicht, weil man die Newsfeeds nicht kategorisieren und vernünftig verwalten kann. Doch da ja jetzt auch größere Informationsanbieter wie “Die Zeit“ und Spiegel Online RSS-Feeds anbieten, bekommt RSS so langsam eine interessante Eigendynamik.

Allerdings hat RSS noch ein echtes Imageproblem: Der Name stinkt. RSS – was soll das sein? Eine politische Partei in Südafrika? Wenn man einen Newsfeed “abonniert“ – eigentlich holt man sich den ja selber ab – wie heißt dann dieser Vorgang? „Ich habe mir Spiegel ge-eressesst?“. Im Web hat sich mittlerweile das ‘XML’ im orangefarbenen Kasten eingebürgert. Von RSS keine Spur.

RSS hört sich einfach uncool an und deswegen gab es im Web bis Ende Dezember des letzten Jahres einen Namensgebungs-Wettbewerb mit hilfreichen Namen von „Saug auf“ bis „World Wide News“. Was nicht dabei war: “Bookmark-Liste” oder “Favoriten”. Denn es hat sich längst herum gesprochen, dass Microsoft in Windows Longhorn einige RSS-Funktionalitäten einbauen wird. Dann lassen sich in der Bookmarkliste automatisch die aktuellen Newsfeeds abrufen. Das ist dann das Ende von RSS – es wird einfach nur eine weitere Funktion im Internet Explorer werden. Ob sich Microsoft auch an OPML wagt, ist bislang nicht bekannt.

OPML wird gerne von den ewiggestrigen Anhängern des “Social Network” angeschoben. Wer mehrere RSS-Newsfeeds beobachtet, kann daraus eine Liste generieren und dann online stellen. Wer mag, kann dann sehen, welche Newsfeeds ich beobachte. Jetzt kommt die Vision: Viele Newsfeed-Listen werden sich überschneiden. Schnell werden sich Surfer finden, die nach ähnlichen Nachrichten Ausschau halten und nicht nur Newslisten austauschen, sondern über den ähnlichen Geschmack verbunden sind. Das ganze noch mit Community-Blabla gewürzt und schon haben wir eine wunderbare Retro-Vision aus dem Jahre 1995.

Aber wen interessiert das? Wen interessieren meine Bookmarks? Und vielleicht will ich ja auch gar nicht, dass jeder meine Bookmarks liest. OPML-Listen sind also eher eine Spielerei für aufgeblasene Egos: “Schaut her, ich hab die beste Bookmarkliste”. Spannender finde ich da alternative Einsatzmöglichkeiten von RSS-Feeds. Ich bin ein großer Fan von Audiobooks. Nützlich wäre eine zum Beispiel Software, die meine RSS-Feeds per “Text-to-Speech” in ein Sprachformat umwandelt und in MP3 abspeichert, danach per Knopfdruck auf einen MP3-Player, IPod, PDA oder einen Minidiskrekorder überträgt. Dann könnte ich mir meine aktualisierten Nachrichten und Weblogs auf dem Weg zur Arbeit auf dem MP3-Player anhören. 1995 hätten wir davon noch nicht einmal geträumt.

Social Networks – das gibt es schon seit einer Weile.

„Soziale Netzwerke“ gehören momentan zu den großen Rennern im Netz. Interessantere Kontakte finden Sie jedoch, wenn Sie sich mit einer Bierflasche neben den Kühlschrank stellen oder in der Bahn das Handy vibriert.

Haben Sie schon einmal etwas von „Nordic Walking“ gehört? In den Alpenregionen werden inzwischen dafür spezielle Loipen gebaut. Erfunden wurde die neue Trendsportart in Finnland, wo man sich Dank globaler Erwärmung bald auf grüne Winter einstellen muss. Nordic Walking ist nichts anderes als das Wandern mit Stöcken – wie uncool. Aber der neue Name macht’s. Jetzt rennt jeder ins Sportgeschäft und kauft sich die überteuerten Stöcke aus leichtem Karbonkunststoff, um damit affig über einen verschneiten Fußballplatz zu stapfen. 

Was aber hat Nordic Walking mit den “Social Networks” zu tun? Selbsternannte Visionäre verkaufen uns auch hier uralte Ideen als “Next Big Thing”.

Alles schon gehabt, damals hieß das Zauberwort “Community”. Erinnern Sie sich noch? Inzwischen wissen alle, dass man damit nicht so richtig Geld verdienen kann und deswegen musste ein neuer Begriff her: Social Networks.

Der neue Name zieht: Die Venture Capitalist-Unternehmer rennen zum Banktresor und investieren in Startups, die wahrscheinlich auch nicht wissen, warum sie plötzlich mit neuem Geld für leichte Ideen von gestern überschüttet werden. Selbst Sixdegrees.com, die Mutter aller sozialen Netzwerke, bereitet sich für den Relaunch vor. Zu spät, denn schon jetzt wird es eng: Friendster, Ryze, LinkedIn, Tribe, OpenBC, Orkut von Google und bald auch Wallop von Microsoft hoffen alle, dass die angemeldeten Netzwerker auch dafür zahlen, um alte und neue Freunde zu finden. 

Gute Kontakte sind wichtig – gerade in wirtschaftlich schlechten Zeiten: Offiziell werden nur wenige Aufträge und Jobs ausgeschrieben, da hilft ein Kontakt über mehrere Ecken. Darauf spekulieren die sozialen Netzwerke wie OpenBC, die Geschäftsleute miteinander verkuppeln wollen. Die IT-Branche ist gar nicht so groß wie das viele denken und schnell finden sich alte Bekannte, längst vergessene Gesichter. Aber kaum neue Kontakte. Wie überall sind nur wenige wirklich aktiv, während der Rest nur halbherzig ein Profil ins Web gestellt hat und nur passiv gefunden wird. 

Wer viele Kontakte sammelt, findet vielleicht in den Kontakten der Kontakte weitere Kontakte. Zu kompliziert? Eigentlich reicht es, die Kontakte Ihrer Kontakte zu kennen. Denn nur so kommt ein vernünftiger Kontakt zustande (siehe Kasten).

OpenBC bietet einige pfiffige Funktionen an, für die wahrscheinlich einige Benutzer freiwillig bezahlen. Beispielsweise kann ich genau sehen, wer sich meine Kontaktdaten angesehen hat und über welchen meiner Kontakte ich mit dem Interessenten verbunden. bin. Doch nur wenige melden sich aktiv, es bleibt beim feigen Anklicken des Profils, mehr nicht. Das liegt sicherlich auch an unserer verkrampften Kontaktkultur, während die Amis kein Problem haben, mit einem dummen Spruch auch mal eine Abfuhr in Kauf zu nehmen. 

Andererseits haben viele Mitglieder von OpenBC keine Skrupel, sich als Marketingsoldaten rekrutieren zu lassen. Bei jedem Refresh der Startseite erscheint ein Mitglied und biedert sich mit einem Foto und einem Spruch wie zum Beispiel: „Endlich ist die Internet-Killer-Applikation da!“ an. Stimmt ja. Aber Email gibt es doch schon lange.

Während die Geschäftsnetzwerke gute Überlebenschancen haben, weil die Mitglieder für die Suchfunktionen zahlen, sehe ich keinen großen Sinn in den Sozialnetzwerken für Freunde. Denn der Reiz beim Netzwerken ist es doch gerade, ganz verschiedene Menschen mit ähnlichen Interessen und vor allem Werten zu verknüpfen. Die heutigen sozialen Online-Netzwerke sind einfach noch zu starr, um gerade die Kontakte zu finden, die völlig andere Interessen haben, aber gerade deswegen interessant sind. 

Am Besten, Sie lassen sich zu Partys einladen und stellen sich mit einer Flasche Bier neben den Kühlschrank. So kommen Sie ungezwungen ins Gespräch und vielleicht geht ja was. In Japan geht es noch müheloser: Sie geben Ihr Profil und Anforderungswünsche in Ihr Handy ein. Gibt es eine Übereinstimmung mit einem Handybesitzer oder –Besitzerin in Ihrer Nähe, dann klingelt oder vibriert es in der Hose – und hoffentlich nicht nur in Ihrer. Romantiker sterben aus, Sozialnetzwerker punkten schneller.

Kaum drückt Google auf den G-Punkt, da beschweren sich Datenschützer und die gesamte Community spekuliert schon über ein GoogleOS, GoogleIM und die bevorstehende Weltherrschaft. Die steht zumindest noch aus. Aber meine Google-E-Mailadresse habe ich immer noch.

Vielleicht ist es gerade auch nur einfach zu ruhig in der Internetbranche. Keine revolutionären technischen Durchbrüche, kalter Kaffee von gestern wird immer mal wieder aufgebrüht: IP-Telefonie, Soziale Netzwerke, hier und da ein paar Sicherheitsbedenken und das übliche Gejammere über Spam. Da kam eine kurze Meldung von Google gerade richtig.

Ausgerechnet am ersten April teilte Google mit, dass Google nun auch “kostenlose” Webmail anbietet. Kein Aprilscherz und eigentlich auch ein Gähner: Ich habe ungefähr 12 Webmail-E-Mailadressen, die meisten davon wahrscheinlich sowieso wieder abgeschaltet. Also wozu brauche ich jetzt eine weitere E-Mailadresse von Google? 1GB Speicherplatz, nie mehr E-Mails löschen, sie aber schnell wieder finden Dank der Google-Suchtechnologie. Das wird viele anlocken. Aber warum laufen die Datenschützer Amok?

Heutzutage bekommt man nichts mehr geschenkt und so platziert Google in jeder E-Mail Text-Anzeigen, die sich nach dem Besprochenen in der E-Mail richten. Sie diskutieren mit einem Freund per E-Mail, wohin Sie nach Südfrankreich in den Urlaub fahren sollten und in der kleinen Textwerbung neben oder unter der E-Mail steht eine Anzeige für Ferienwohnungen in der Provence. Ach, wie hilfreich! Die Datenschützer finden das schaurig, denn das bedeutet ja auch, dass Google die E-Mails vorher auch “öffnen”, filtern und die richtigen Anzeigen in die E-Mail kopieren muss.

Ich verstehe allerdings nicht die Aufregung. Vielleicht haben viele Datenschützer noch immer nicht verstanden, dass E-Mails doch sowieso ziemlich ungeschützt durch das Netz jagen. Und die E-Mails werden nicht von mexikanischen Arbeitsdrohnen geöffnet und gelesen, sondern natürlich von einer Maschine. Das machen die meisten Web-E-Maildienste sowieso schon, das nennt sich „Spam-Filter”. Generell gilt doch: Wer Bedenken hat, dass die Privatsphäre beschränkt wird, soll sich halt nicht für den Dienst anmelden. So einfach ist das. Vielleicht hilft die Datenschutzdiskussion doch noch, PGP&Co massentauglich zu machen. So richtig glaube ich aber nicht mehr daran.

Während sich Anwälte, Datenschützer und andere Detailgehirne Gedanken zu GMail machen, ist für Großebilddenker schon jetzt klar: Google strebt die Weltherrschaft an. Denn Google besitzt nun ein social network (Orkut), Community-Dienst (Blogger), E-Mail, Spezialsuchmaschinen für Usenet, Shoppinganbieter und bietet auch einen abgespeckten Desktop-Suchbrowser an. Wenn Google jetzt auch noch einen Instant Messenger vorstellt (Jabber oder Skype vielleicht?), dann könnte man doch alles zusammen mit Linux zusammenstellen und einen Rechner mit “Google inside” zu Kampfpreisen verkaufen. Oder gleich ein eigenes OS bauen, das GoogleOS oder GooOS?

Und wenn Google schon mal dabei ist, dann kauft Google nach erfolgreichem Börsengang bestimmt ganz schnell SUN auf. Oder eben nicht. Denn bei Google arbeiten kluge Kopfmenschen und so lange der nüchterne Sergej Brin und der schüchterne Larry Page noch etwas zu sagen haben, wird sich Google nicht verzetteln, “vergooglen“. Das Netz spekuliert wild, doch Google arbeitet weiter an der Suchtechnologie. Denn eins ist doch auch klar: Wenn ein anderes Unternehmen mit einer besseren Suchtechnologie kommt, dann wird Google trotz Kultstatus wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen. Das war schon so mit Altavista und Hotbot.

Und Google wird auch die Konkurrenz beobachten. Teoma, Wisenut und Vivisimo kommen näher ran. Zudem lässt sich selbst Google noch erheblich weiterverbessern. Von den geschätzten Trillionen Webseiten hat Google gerade mal 4 Milliarden im Index. Die restlichen Seiten sind hinter Datenbanken und anderen geschützten Archiven versteckt.

Das Suchmaschinenrennen ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Wer alles im Internet spidern kann – was ziemlich illusorisch ist – und die gefunden Informationen nicht nur vernünftig gewichten, sondern auch noch hilfreich aufbereiten kann, wird gewinnen. Ein solches Projekt kostet sehr viel Geld und Ressourcen. Bitter: Wenn Microsoft es doch noch schafft, dann zählen alte Loyalitäten nichts mehr. Wetten? Da kann man Google nur wünschen, den G-Punkt weiter gefühlvoll gedrückt zu halten.

Alles wird kleiner, integrierter, nützlicher – aber auch komplizierter. Nichts funktioniert stabil, virtuelle Nomaden müssen weiterhin improvisieren. Eine Kolumne aus dem Café Puck.

Da sitzen wir nun wieder in einem Münchner Cafe und hantieren mit unseren Spielzeugen herum. Wer mir und meinem Kumpel, einem gewichtigen Herausgeber eines weitwinkligen Medienminderheitenblattes so zusieht, könnte meinen, wir wären die fiesesten Angeber. Doch uns interessieren die neidischen Blicke der Mitkaffeetrinker nicht. Völlig versunken tippen wir mit kleinen silbernen Stäbchen auf den Bildschirmen unserer PDAs. Auch wenn wir es öffentlich niemals zugeben würden, denn wir stehen ja so unglaublich über den Dingen: Wir sind Spielkinder, fasziniert von neuen Gadgets, von neuen Möglichkeiten der Verbundenheit.

Heute probieren wir meinen WLAN-Zugang über meinen neuen Pocket PC aus. Nach sieben Jahren PalmOS bin ich schwach geworden, zum Verräter mutiert, übergewandert zum großen, langsamen Konkurrenten, in dem ein, wenngleich abgespecktes, Microsoftbetriebsystem steckt. Auch mein Kumpel hat einen Pocket PC; einen von O2, den man sich ans Ohr hält, sobald polyphon ein digitalisiertes 70er-Jahre Telefonklingeln ertönt. Nach dem Telefonat muss er dann immer erst das Display sauber wischen. Keiner mag Fettschlieren von verschwitzten Backen.

Lange war ich neidisch auf ihn. Schließlich braucht er jetzt nur noch ein Gerät mitzuschleppen. Handy, Organizer, Kamera – alles drin in dem Gerät, das allerdings nur mit viel Gewalt noch in die Hosentasche passt. Und setzt man sich dann da drauf, dann geht das Ding entweder kaputt oder man sieht aus als würde man einen dieser Chicano-Schlitten aus den 70er Jahre fahren. Na, Sie wissen schon, das sind diese riesigen Straßenkreuzer – “El Camino” –, die auf einer Seite extrem tiefer gelegt wurden und noch immer ganz entspannt in ziemlich instabiler Seitenlage zwischen Los Angeles und der Baja California cruisen.

Aber auf den zweiten Blick erschien mir das praktische Gerät meines Kumpels als ziemlich nutzlos: Die Kamera hat eine Winzauflösung, das Ding kommt ohne WLAN und es wird keine ausklappbare Tastatur dafür angeboten. Vernünftig damit arbeiten geht schon mal gar nicht, auch wenn die Texteingabe per Stift und verschiedener Texteingabemodi besser geworden ist. Dennoch, ich habe mir also auch so einen PDA gekauft, weil ich noch immer an ein Leben als “Virtueller Nomade” glaube.

Damals in San Francisco ging das ja schon: Da saß ich dann mit meinem Notebook irgendwo am Strand, mit dem Funkmodem war ich überall verbunden und E-Mails wurden zusätzlich noch auf meinen Pager – das hatten damals in Deutschland wohl nur Freunde der Freiwilligen Feuerwehr und Rettungssanitäter – verschickt. Aber ich hatte viel zu tragen, mein Rucksack war immer voll gestopft mit Technogeraffel und außerdem war immer eine Batterie leer oder es ist etwas abgestürzt, irgendwas funktioniert nie.

Klar, dachte ich mir, ich bin ganz vorne, ist ja alles Alpha. Da muss man halt improvisieren. Aber jetzt, sieben Jahre später hat sich eigentlich nicht so viel mehr getan. Die Notebooks halten immer noch nicht lange ohne Steckdose aus, die drahtlosen Verbindungen in den Hotspots sind auch nicht zuverlässig. Die Geräte sind leichter geworden, aber wer produktiv arbeiten will, kommt nicht ohne Notebook, Digicam, PDA und Handy aus. Die Kombigeräte werden immer nur minderwertige Kompromissgeräte bleiben.

An diesem Nachmittag versuchten wir, beide Pocket PCs per Bluetooth so miteinander zu verbinden, dass meine WLAN-Verbindung mitgenutzt werden konnte. Hat natürlich nicht funktioniert. Aber genau deswegen geben wir ja nie auf: Wir kaufen uns neue Gadgets, weil wir uns eine bestimmte Situation ausmalen. Ich zum Beispiel würde jetzt gerne im “Bean There” in San Francisco sitzen, mich dort mit meinem Pocket PC in den WLAN-Spot einwählen und über PocketSkype kostenlos mit Freunden in Deutschland reden – wäre doch cool!

Oder noch besser: Mit einem SIP-Softphone und einem SIP-Provider wie Nicotel oder SIPGate mit meinem Pocket PC eine Nummer in Deutschland anrufen und nur 1,7 Cents pro Minute dafür bezahlen. Oder: Jemand ruft meine SIPGate-Festnetznummer in Deutschland an und es klingelt auf meinem Pocket PC, gleich im Bean There. Das wäre doch was. Da würde ich mich sofort wieder als “Virtueller Nomade” auf die Reise begeben, weil nun alles einfacher läuft. Aber wahrscheinlich würde auch das nicht zuverlässig funktionieren, der Pocket PC mit der feuchten Luft nicht zurechtkommen, das Betriebssystem abstürzen und ich letztendlich doch im vergammelten Internetcafe mit einem Notizblock sitzen und mich ärgern, wieder einmal einem technologischen Fundamentalismus aufgesessen zu haben. Da bleibe ich lieber hier im Cafe und spiele noch etwas.

Während die Musikindustrie noch immer gegen Kazaa und co. ankämpft, werden die P2P-Tauschbörsen per WLAN mobil und damit kaum noch kontrollierbar. P2P lebt noch immer. Weil es die Benutzer wollen.

Immer nah am Trend, dem Hype von Morgen auf der Spur: Dafür verzichten selbst renommierte Nachrichtendienste wie Reuters auf weitere Recherchen. Denn Sex verkauft sich gut. Zusammen mit neuen Technologien wird daraus das Traumgespann für die kaufkräftigste Zielgruppe. “Bluetoothing“ heißt der hoch geschriebene Trend.

Dahinter verbergen sich menschliche Gelüste, gepaart mit schüchterner Frigidität: Wie findet man in einem anonymen Umfeld eine willige Gespielin ohne dabei peinlich eine Abfuhr zu bekommen? Protagonist von Bluetoothing ist ein anonymisierter „Jon“ aus England, der auf seinem Weg zur Arbeit im Zug mit seinem Bluetooth-Handy herumfingert und nach Frauen sucht, die mit ihm auf einen schnellen Quickie in der Toilette verschwinden.

In der Theorie schafft es Jon, eine Bluetooth-Verbindung mit dem potenziellen Sexobjekt herzustellen. Die bekommt dann eine Nachricht mit der unmissverständlichen Einladung aufs Handy, guckt lüsternd in Jons Richtung und folgt ihm wallenden Haares und leichten Schrittes in die nächstgelegene private Nische. Hört sich eher nach einem fiktiven Männertraum an. Zumal im morgendlichen Pendlerzug die meisten auch nicht betrunken genug sind.

Auch wenn Bluetoothing ziemlicher Schwachsinn ist – zumal in den meisten Handys die Bluetooth-Funktion sowieso ausgeschaltet ist und die Entfernung der Bluetooth-Antennen nicht mehr als 10 Meter betragen darf – werden die Bluetooth- und WLAN-Schnittstelle in Zukunft nicht nur dazu genutzt, um Kabel zu sparen, sondern um damit andere Benutzer zu kontaktieren. Schon seit Monaten rumort es in der Gerüchteküche, dass Apple eine Bluetooth-Schnittstelle in den iPOD einbauen wird. Mit einem solchen “BluePOD” könnten dann iPOD-Besitzer per Bluetooth Musik austauschen. Auch wenn Apple so stolz auf sein iTunes ist, der wahre Kaufgrund für die iPODs ist doch, dort die eigene Musiksammlung und MP3s unterzubringen. Wahrscheinlich glaubt auch Apple nicht, dass jemand 20.000 Euros ausgibt, um einen 40GB-iPOD mit Musik zu füllen, die bei iTunes gar nicht erst angeboten wird.

Vielleicht wird es in naher Zukunft noch nichts mit dem BluePOD, doch werden sich P2P-Musiktauschbörsen schon bald in mobilen Geräten abspielen. Simeda arbeitet beispielsweise bereits an einer Umsetzung von Rendezvous von Apple für Pocket PCs mit WLAN-Schnittstelle. Um Musik zu tauschen benötigen sie dann nicht mehr einen WLAN-Hotspot, sondern benutzen den Pocket PC als eine Art “portabler Webserver”, der wie ein Stumbler nicht nach WLAN-Netzwerke, sondern nach WLAN-Funkern sucht und mit diesen verbindet. Auf diese Weise hätten sie per echtem P2P Zugang auf die frei geschaltete MP3-Liste und könnten davon MP3-Dateien auf dem Weg zur Arbeit austauschen.

Das mag sich nun etwas abenteuerlich anhören, zumal es einfach noch zu wenige Pocket PCs oder Palms mit WLAN gibt und die kritische Masse dafür fehlt. Doch es sitzen nicht nur ungarische und russische Programmierer an Lösungen, sondern auch Unternehmen wie Intel forschen bereits an “Persönlichen Servern” in iPOD-Größe, mit Terabytes an Speicherplatz sowie WLAN-und Bluetoothfunktionen. Was passiert nun, wenn Handys mit persönlichen Servern gekreuzt werden?

Das bedeutet nicht nur das Ende für die PDAs und vielleicht auch die iPODs, sondern auch Magenschmerzen für die Musikindustrie und Jubelstürme bei den Mobilfunkunternehmen. Denn in deren Interesse liegt es, dass die 3G-Datennetze kräftig genutzt werden. Schon jetzt sollen die P2P-Tauschbörsen etwa 70-80 Prozent des gesamten Datenverkehrs im Netz ausmachen.

Die Musikindustrie wird versuchen, Druck auf die Mobilfunkunternehmen auszuüben, denn spontan gebildete P2P-adhoc-Netzwerke per WLAN sind kaum noch kontrollierbar. Aber auch die Handyhersteller werden den Verkauf von WLAN-Handys forcieren, denn P2P ist einfach eine Killeranwendung. Die Musikindustrie mag den Kampf mit Kazaa und co. noch gewinnen, aber es ist fraglich, ob sie sich auch die Lufthoheit über die mobilen P2P-Tauschbörsen erstreiten kann. Möglicherweise ist es dann zu spät, um ein Modell vorzustellen, dass von einer Masse an Webbenutzern und auch den unter Vertrag stehenden Künstlern auch wirklich akzeptabel ist.

Auf der Suche nach der Traumkonfiguration für virtuelle Nomaden, Aufsteiger, Freiheitsliebende – das war ich immer schon. In dieser Kolumne starte ich einen neuen Versuch das zu erklären.

Ich hätte es wissen müssen: Verleihe niemals Deine Frau, Auto oder Elektronikgeräte. Seit einigen Wochen dränge ich meinen Kumpel, mir endlich die geliehene Digitalkamera zurückzugeben. Die Kamera liegt hier bereit, brauchst du dir nur abzuholen, sagt er. Kurze Zeit später fahre ich im Aufzug hoch zu ihm in den sechsten Stock, dort steht er schon mit einer Plastiktüte und seiner Mutter, steigt ein und sagt, dass ihm die Kamera vorhin durch die Tüte gefallen wäre und nun kaputt sei. Warum die Mutter dabei ist und mitfährt, weiß ich auch nicht. Sie guckt mich mitleidig an, es ist ihr peinlich, der Aufzug kriecht langsam nach unten, die Luft ist stickig, das Licht künstlich fahl – surreale Szene und ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll.

Schnell verraucht der Ärger, denn ich wollte mir sowieso schon seit längerer Zeit eine winzig kleine Digicam besorgen, um damit die totale Mobilität zu erreichen. Zugegeben, meine Anforderungen sind sehr speziell: Ich will möglichst unabhängig von stationären Computern sein, zu jeder Zeit E-Mails lesen und schreiben sowie meinen Web-Blog zeitnah mit Texten und Fotos füllen – und das nicht nur aus dem WLAN-Cafe in San Francisco, sondern auch neben der Chinesischen Mauer, auf einer Alpenhütte zwischen München und Venedig oder am Strand von Rio. Damit bestimmt sich auch der Formfaktor: Es darf wenig wiegen, muss klein sein und vor allem sollte es zuverlässig funktionieren. Dabei setze ich auf die Mehrgerätestrategie: Pocket PC mit WLAN, Bluetooth und externer aufklappbarer Tastatur, kleines Handy und eine Kamera, deren SD-Karte in meinen Pocket-PC passt. Mit einer zusätzlichen SD-Karte wird mein Pocket-PC zum iPOD, auch wenn ich nicht meine gesamte Musiksammlung mitnehmen kann. Gesamtgewicht inklusive Batterien: 550 Gramm. Um das Gewicht wieder hereinzubekommen, braucht man nur einmal auf die Toilette zu gehen.

Batterien – Intimfeind des virtuellen Nomadens

Damit bin ich einigermaßen einsatzfähig. Meinen Blog füttere ich per E-Mail, nur mit meinem Fotolog gibt es Probleme: Zwar legt meine Kamera auf Wunsch vom Bild eine komprimierte Kopie in der Auflösung von 640 x 480 ab, doch benötigt mein Blog eine andere Auflösung. Zudem kann ich das Bild in meinem Pocket PC nicht vernünftig zuschneiden. Bisher habe ich noch keinen Fotolog/Bloggingdienst gefunden, der die Änderung der Auflösung automatisch vornimmt. Und leider kann ich mit Blogger lediglich per E-Mail bloggen. Da würde es doch Sinn machen, das Bild als E-Mailanhang ebenfalls auf diesem Wege auf meiner Site zu veröffentlichen.

Das weitaus größere Problem stellt sich beim Zugang: So lange ich einen WLAN-Hotspot finde, bin ich voll aktionsfähig, könnte sogar per Voice-over-IP telefonieren oder per Instant Messenger kommunizieren. In der Realität ist die Sprachqualität von SkypeOut oder den anderen VOIP-Diensten ziemlich mies und indiskutabel. Doch auch ohne WLAN-Hotspot bin ich mit einer Bluetooth-Verbindung mit meinem Handy per GPRS über meinen Mobilfunkzugang online.

Allerdings sind die Datendienste der Halsabschneider wirklich nur für Notfälle sinnvoll und die günstigen Datentarife, zum Beispiel von O2, gelten nur, wenn man sich über ein langsames WAP-Gateway und WAP-Browser einwählt.

In manchen Fällen lohnt sich daher auch der Einsatz eines analogen Modems, das per Bluetooth angesteuert wird. Warum die Bluetooth-Modems so teuer und vor allem derart klobig sein müssen, konnte mir bisher auch noch niemand erklären. Es würde doch reichen, wenn das Bluetooth-Modem wie ein kleiner USB-Stecker in der Telefonbuchse sitzen würde. Ein „always on“ gibt es sowieso nicht. Denn der Intimfeind eines jeden virtuellen Nomadens sind immer noch die Batterien: Mit aktiviertem WLAN hält mein Pocket PC gerade mal knappe drei Stunden, ohne WLAN immerhin über sechs Stunden. Die Kamera sollte mit normalen AA-Batterien bestückt sein, denn selbst in Peruanischen Tankstellen bekommt man noch Ersatzbatterien.

Zusammen mit den Netzteilen und Konvertern für das Handy und Pocket PC komme ich dann schon auf etwa 750 Gramm. Das ist immer noch weitaus weniger und insgesamt erheblich flexibler, leichter, unauffälliger und günstiger als die Alternative Sub-Notebook oder Handtop mit Handy und Digicam. Wenn Sie natürlich nicht auf Ihr Powerpoint und Photoshop verzichten können, dann reisen Sie halt auch weiterhin mit der fetten Notebooktasche. Der virtuelle Nomade neben Ihnen im Flughafen wird in der Zeit, in der Sie den Rechner ausgepackt, aufgestellt und hochgebootet haben, schon alles erledigt haben und genüsslich mit der Kellnerin flirten.

Google setzt nun massiv auf Werbeflächen in Blogs. Zwar kassieren die Blogger mit, doch die goldene Nase bleibt bei Google. Google tendiert jetzt zu #evil. Oder wollen die etwa Geld verdienen?

E. J. Hughes ist ein kanadischer Maler. Den müssen Sie nicht kennen, der ist auch schon tot. Doch in Kanada sind seine Bilder von einsamen Buchten und Bergwelten so beliebt, dass die Vancouver Art Gallery vor einer Weile eine Hughes-Ausstellung auf die Beine stellte. Ein Bild wie das nächste; naiver Malstil, kräftige Farben. Doch dann der Bruch, plötzlich sehen die Bilder anders aus. Was ist passiert? Hughes hatte die ersten 15 Jahre kein einziges Bild verkauft. Dann kam ein Galerist aus New York und sagte: Ich kaufe Dir alle Bilder ab und bezahle Dir ein paar Tausend Dollar für jedes Bild, das dir aus dem Pinsel fließt.

Wäre das nicht auch etwas für Sie? Stellen Sie sich vor, es käme ein Mann mit weißem Anzug, Hut und einen Koffer voller Geld. “Schreib Deinen Blog”, würde er sagen, “und ich zahle Dir Geld.” Aus purer Selbstlosigkeit macht er das natürlich nicht: “Gib mir nur eine kleine Werbefläche, auf die ich Werbung platzieren kann”, sagt er. Hughes hatte einen Mäzen, doch hier geht es um Geschäfte. Einen solchen weißen Mann gibt es, er kommt von Google und trägt eine dunkle Sonnenbrille.

Nachdem Google bereits in den von Blogger gehosteten Blogsites mit Textwerbung geworben hatte, öffnet Blogger und damit Google nun das „Adsense-System“ für alle Blogger. Wer sich anmeldet, kann mitkassieren. Sie kleben lediglich ein Script für die Textads auf Ihre Seite, den Rest erledigt Google: Sie schreiben etwas über Ihr Traumauto und schon sehen Ihre Besucher Werbung von Autofirmen. Wer auf die Textwerbung klickt, generiert Umsatz für Sie. Manchmal mehr, manchmal weniger. Niemand weiß das so genau, denn das System ist nicht sehr transparent. Wer singt, Details verrät, fliegt aus dem Programm.

Bald werden wir von Bloggern lesen, die mit dem System respektable Umsätze erzielen. Doch viele werden es nicht sein. Die meisten Blogger werden es noch nicht mal schaffen, die Mindestauszahlgrenze von 100 Dollar zu schaffen. Das Geld bleibt dann direkt bei Google. Doch es geht hier nicht nur um Geld, sondern um Unabhängigkeit und Integrität. Und die ist in Gefahr, sagen die üblichen Moralisten und Puristen, die niemals ihre Seele verkaufen würden; die Mitten in der lauten Großstadt ein langweiliges Mönchsleben führen oder an einer Stelle arbeiten, in der schon pure Anwesenheit bezahlt wird: als Hausmeister, Nachtwächter, Beamter oder Netzwerkadministrator.

Nur Alphablogger machen Kasse

Wird sich der Inhalt der Blogs ändern, weil Blogger aus Geschäftsgründen über kaufbare Produkte und Dienstleitungen schreiben? Wohl kaum, denn schnell bleiben die Besucher weg und wer hat schon Lust, PR-Mitteilungen für ein paar Cent zu schreiben. Das Geschäft macht Google und eine Handvoll Alphablogger. So sind wir in Deutschland: Wenn Sie die Googlewerbung in den Blog kippen, dann haben Sie Ihre Seele verkauft. Wenn aber die Herren Jauch, Gottschalk und Schmidt in den Werbesendungen auftauchen, dann sagen wir: Der Schmidt, der benutzt das System, der macht alles richtig. Warum schaffen wir das nicht auch? Setzen Sie doch auf das Modell „Beckenbauer“: Nehmen Sie augenzwinkernd alles mit und reden sie weiter beliebig daher.

Viel wird sich nicht ändern: Blogger schreiben doch keine Zeile mehr, um Clicks zu generieren. Wenn dadurch aber die Providerkosten oder ein Abendessen drin sind, dann sehe ich überhaupt nichts Verwerfliches daran. Klarer Gewinner des Systems ist sowieso Google, das Umsatz mit den Werbekunden macht und innerhalb kürzester Zeit das Web mit Werbeflächen voll stopft. Die Werbekunden werden das Experiment interessiert verfolgen. Doch werden die Werbekunden erkennen, dass 90 Prozent der Blogs nichts anderes als persönliche Tagebücher sind, kaum gepflegt oder besucht werden. Kein spannendes Umfeld.

Eleganter und effektiver finde ich aber immer noch ein anderes System, weil es auch mehr von Herzen kommt: Spenden. Versuchen Sie es doch mal, schieben Sie Ihren Stolz zur Seite, behalten Ihre Seele und starten einen Spendenaufruf auf Ihrer Site. Da kommt es auf den Ton an: Nicht betteln, sondern klarmachen, dass auch Ihre Zeit und Energie kostbar ist.

Das hat auch Hughes gemerkt: Die ersten Bilder nach dem Ausverkauf sahen schlapp aus, ohne kreativen Druck. Danach wurden die Bilder experimentell und in den letzten Jahren vor seinem Tode malte er dann wieder genauso wie zu Beginn seiner Karriere.

UMTS und die WLANs bekommen einen neuen Mitstreiter. Mit WiMAX sollen nun die Visionen von gestern umgesetzt werden. WiMAX? Ist das nicht ein Großkino in der Münchner Innenstadt? Oder eine Aula in der Uni Heidelberg? Nie gehört. Und was ist eigentlich aus der tollen Siemens-Technologie geworden?

„Ich spüre eine Revolution in der Luft: Breitband, wo immer Sie wollen; Internetzugang für fünf Mark im Monat. Jetzt. Und Ihre Nachbarn lernen Sie auch noch besser kennen.“ Manchmal liegen Anspruch und Wirklichkeit wirklich weit auseinander. Vor über drei Jahren berichtete ich an gleicher Stelle aus den USA von der „Revolution aus der Luft“. Ich hoffte damals, dass auch in Deutschland ganze Städte miteinander vernetzt werden, sich Nachbarn absprechen und Internet-Verbindungen teilen.

Drei Jahre später suche ich die Nachbarschaftsnetze noch immer. Zwar gibt es immer mehr Hotels, Cafes, Gaststätten und Flughäfen, die mit WLAN ausgestattet sind, doch im Vergleich zu den amerikanischen Großstädten, in denen ganze Viertel unter einer WLAN-Wolken liegen, sind deutsche Großstädte noch immer nicht vernünftig erschlossen. Während in den USA die Nachbarschaftsnetze weiterhin aus dem Boden schießen, erstickten die Telekom und DSL-Provider die Idee der Nachbarschaftsnetze im Keime.

Ein Blick in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen genügt, um kalte Füße zu bekommen. Dabei stünden die Chancen für Nachbarschaftsnetze so gut wie nie. Schließlich verscherbeln die DSL-Provider DSL-WLAN-Router für kleine Euros. Allein auf meinem Weg zum Bäcker findet mein Stumbler auf etwa 400 Metern etwa 18 WLAN-Netzwerke, davon 5 ungeschützt. Gestern sah ich eine junge Koreanerin zusammengekauert vor einem Geschäft sitzen. Sie löffelte keine Nudelsuppe, sondern kommunizierte per WLAN und MSN-Messenger-Videokonferenz mit der Heimat. Ich fragte sie, mit welchem Provider Sie im Netz wäre. Daraufhin wurde sie ganz hektisch, klappte das Notebook zu und rannte weg.

Möglicherweise wird sich die junge Koreanerin in den nächsten Monaten auch noch eine UMTS-Karte für Ihr Notebook kaufen, um wirklich überall mit den Eltern zu kommunizieren. Wobei sie den Zugang per UMTS wahrscheinlich nur zum Verschicken von Emails benutzen wird, weil die Mobilität per UMTS viel zu teuer ist. Da lohnt es sich sogar, mit dem Taxi zum nächsten kostenlosen Hotspot zu fahren. Weiterhin wird gelten: Wo ein Hotspot steht, wird niemand per UMTS online gehen. Leider gibt es noch immer viel zu wenig Hotspots und daher bekommt UMTS doch noch eine Chance.

WIMAX und neue Standards

Während Mobilfunkbetreiber hoffen, dass sie die hohen UMTS-Lizenzen nun doch noch einigermaßen einspielen können, steht aber bereits ein weiterer UMTS-Killer bereit: WiMAX. Mit nur einem einzigen Sendemast soll eine Reichweite von bis zu 50 Kilometern und Übertragungsraten von bis zu 70 Mps erreicht werden. Die Kosten dafür sollen bei etwa 10.000 Euro liegen – eine ähnliche Abdeckung würde mit UMTS oder WLAN erheblich teurer kommen. Mit den entsprechenden Sendemasten, von denen es ja gar nicht so viele geben müsste, könnte dann sogar das tiefste Hunsrück mit schnellen DSL-Zugängen versorgt werden. Siemens zeigt, dass eine solche Technologie nicht erst in zehn Jahren zum Einsatz kommen wird.

Im September demonstrierte Siemens mit einer ähnlichen Technologie Funkübertragungsgeschwindigkeiten von über 360 Mps. Um eine solche Übertragungsgeschwindigkeit hinzubekommen, müssen die Frequenzbänder immer breiter werden. Damit Bauwerke und Wälder den Funkwellen nicht im Weg stehen, setzt Siemens auf eine Multihop-Stationen, die die Signale von Zelle zu Zelle weiterreichen. Die 360 Mps stehen allerdings auch nur der gesamten Zelle zur Verfügung, die Zellenbewohner müssen sich die Bandbreite teilen. So könnte die Stadt München beispielsweise einen Sendemast aufstellen und damit die gesamten Mitarbeiter des Rathauses mit einer akzeptablen Breitbandverbindung versorgen.

Startet die Revolution diesmal auf dem Land?

Schauen Sie sich einmal die Gründungsmitglieder des WiMAX-Forums an: Nicht nur Netzwerkhardwarefirmen, sondern auch Handyhersteller. Nokia verabschiedete sich zeitweise aus dem Forum, klopfte aber sehr schnell wieder an die Türe. Schon jetzt planen die Handyhersteller die ersten WiMAX-Handys mit Voice-over-IP-Technologie. Vielleicht ergeben sich nun doch noch die Nachbarschaftsnetze: Wir benötigen nur ein paar Übergeeks, die den Keller sowieso voller Hardware stehen haben, dort einen VoIP-Server aufbauen, MythTV aufsetzen und den Mitbewohnern nicht nur kabelloses Internet, sondern auch gleich noch Internet-Telefonie und Fernsehsendungen anbieten.

Die Open Source-Software dafür wäre bereits vorhanden, alles könnte locker auf Linux-Thin clients laufen. In der Stadt wird das sicherlich nicht passieren, aber warum nicht in irgendeinem Dorf hinter den sieben Bergen? Vielleicht wird die Revolution ausgerechnet von den bisherigen DSL-Unterpriviligierten gestartet? Das größte Problem wird bis dahin sein, unseren Geeks der Hoffnung ein Hippie-Eigenversorgungsleben auf dem Land schmackhaft zu machen.

Taggen. Ein Konzept, das sich irgendwie nicht durchsetzt, weil es Disziplin erfordert. Und wer hat das schon?

Für einige ist es ein soziologisches Experiment, vielleicht sogar mit genügend Sprungstärke hin zum intelligenten, semantischen Web; für die meisten ist es nur ein Online-Fotoalbum: Flickr. Ausgerechnet eine Mischung aus Weihnachten und dem verheerenden Seebeben verhalfen dem MoPhoBlog – das ist kein vietnamesisches Reisgericht, sondern ein “mobiles Fotoblog” – zum endgültigen Durchbruch.

Ende Dezember war der Fotodienst völlig blockiert. Allein vom ersten bis zum zweiten Januar verdreifachte sich die Anzahl der hochgeladenen Bilder. Flickr-Benutzer sind aktive Benutzer, sie schieben täglich etwa 30 Millionen Bilder von den Digitalkameras oder Fotohandys ins System. 20 Bilder pro Sekunde: Das mag auf den ersten Blick nicht viel sein, doch das Unternehmen aus Vancouver mausert sich vom Geheimtipp zum Netzliebling, zum “Fliggle”.

Aber warum plötzlich die Aufregung? Fotoalbumdienste gibt es schon seit Jahren genügend. Ich habe meine Bilder eher ungewollt gleich auf mehreren Systemen verteilt: Ofoto, Shutterfly und Yahoo-Bilder. Seit einer Weile verwalte ich meine Bilder auf meinem eigenen Server. Das hat den großen Vorteil, dass ich auch wieder an die Originalgröße der Bilder komme. Denn schnell kann es passieren, dass der Rechner abstürzt, die Bilder weg sind – letztes Backup vor drei Jahren – und die mühsam aufgeladenen Bilder in einem der propritären Dienste in einer schlappen Bildschirmauflösung vergraben sind. Da hilft nur, von allen wichtigen Fotos Papierabzüge bestellen und den Dienst vergessen. Die bisherigen Fotoblogdienste glaubten, dass die Kamerasurfer lediglich einen Ort im Netz bräuchten, um dort Bilder hochzuladen und anzuschauen. Doch das reichte nicht. Es fehlten intelligente Funktionen, mit denen die Benutzer die Masse der Fotos auch verwalten können. Manche Fotos sollen nur Freunden und Verwandten zugänglich gemacht werden, andere Bilder wiederum darf die ganze Welt sehen.

Für die Verwaltung meiner Digitalbilder reicht mir eigentlich ein Offline-Archivierungsprogramm wie Picasa oder iTunes auf meinem Powerbook. Angelockt wurde ich von Flickr mit einem für mich wichtigen Feature: Bei Flickr lassen sich Bilder auch per Email hochladen; und zwar nicht nur ins Flickr-Album, sondern auch gleich in den regulären Blog bei Blogger. Flickr übernimmt die Formatierungen des Grafikformats. Dem Bild lassen sich per Email oder in Flickr jedoch nicht nur ein Bildtitel und eine Beschreibung, sondern auch „tags“, das sind Schlüsselwörter, zuordnen.

Und genau hier liegt die Stärke und das Potenzial von Flickr: Wer immer glaubte, dass wir Benutzer zu faul seien, um Inhalten „Metainformationen“ in Form von Schlüsselwörtern zuzuordnen, sollte umdenken. Plötzlich beschreiben – „taggen“ –die Flickr-Mitglieder wie wild die eigenen Bilder. Die Motivation ist ein klarer Eigennutz. Nur so lassen sich Bilder später wieder finden. Doch auch andere Flickr-Mitglieder finden Ihre Bilder nach Schlagworten. Wahrscheinlich war Ende Dezember das meistgesuchte Schlüsselwort bei Flickr „Tsunami“. Praktisch: Die Flickr-Tags lassen sich auch per RSS auslesen. Ich habe meinen Flickr-RSS auf „Vancouver“ und „San Francisco“ ausgerichtet. So kann ich jeden Tag mit aktuellen Bildern mein Fernweh mildern. Und jetzt kommen die Netzsoziophilosophen aus der Reserve: Wenn die Benutzer durch Flickr lernen, auch andere Informationen wie Dokumente und Webseiten mit Tags zu kommentieren, dann könnten die sowieso schon überforderten Suchmaschinen unterstützt und das Web doch noch intelligenter werden.

Kommt nun das „Taggle“? Ich glaube nicht, dass sich das Benutzerverhalten von Flickr auf andere Bereiche übertragen lässt. Die Masse, mich eingeschlossen, ist einfach zu faul, um Schlüsselworte zu verteilen. Und bei Bildern, Präsentation und Videos hat jeder sein eigenes Benennungssystem. Wenn jedoch Flickr eine Funktion einführt, dass die hochgeladenen Bilder auch an interessierte Benutzer verkauft werden können, dann wäre der Anreiz für das tagging erheblich höher. Bis dahin beobachten wir Flickr weiter als soziologisches Experiment oder speichern dort einfach unsere Bilder.

“Barrierefreies Webdesign“ hilft nicht nur behinderten Menschen im Web – Wer sich an die Grundsätze hält, wird auch von den restlichen Besuchern online und auch mobil viel Applaus bekommen. Noch immer wird darüber viel geredet, aber die Umsetzung wird zu kompliziert, weil die Websites dann einfach nicht mehr so schön aussehen.

Neulich wurde mir auf der Speisekarte eines Cafes ein „Müsli mit vielen Cerealien” angeboten. Bitte? Ein Müsli mit viel, na was, mit “Müsli”, bestenfalls “Getreide”? Auf Englisch heißt Müsli nämlich cereals”, daraus wird dann in Neudeutsch “Cerealien” – und jeder glaubt, man würde dadurch gesünder, klüger, schöner. Also, Kaufen!

Doch es gibt auch sture Übersetzungen von Begriffen aus dem Englischen, die schon dort wenig Sinn machen. “Barrierefreies Webdesign” zum Beispiel: Was soll das denn sein?

Ein Webdesign ohne Hindernisse: Problemfreies Coden; “What you see is what you get”-Design, das dann auch auf allen Browsern funktioniert oder ein Webdesign ohne Grenzen – also grenzenlos cool? Wer denkt bei dem Begriff schon an einen Rollstuhlfahrer, der sich mit zu hohen Stufen oder mit zu engen Türen herumschlagen muss? Aber es kommt noch schlimmer: Seit fast zwei Jahren gibt es die “Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung“ (BITV) – auwei, das hört sich ja noch viel trockener an. Kein Wunder, dass kaum jemand etwas davon gehört davon oder gar die Richtlinien umgesetzt hat.

Die BITV regelt in bekannt verhasster amtlicher Passivverschachtelung, welche Bedingungen eine barrierefreie Website erfüllen soll, bis wann die Websites barrierefrei sein sollen für wen die Verordnung überhaupt gilt. Also, durchatmen, sie gilt nur für Behörden der Bundesverwaltung. Angebote, die vor Inkrafttreten der Verordnung online waren, mussten schon bis zum 31. Dezember 2003 behindertengerecht gestaltet werden. Da braucht es nicht viel Recherche im Web – viel ist jedenfalls nicht passiert. Trotzdem: Schicken Sie nicht gleich die Verordnung samt Verfasser zur Hölle und blättern weiter zum Kollegen Goldmann, der Sie mit kryptischen Codeversatzstücken ködert. Denn die in der Verordnung gesammelten Punkte sind durchaus vernünftig.

Schließlich ging es den Verfassern – letztendlich ist die BITV nichts anderes als eine Übersetzung des W3C (Web Content Accessibility Guidelines – WCAG) aus dem Jahr 1999 – um die Zugänglichkeit der Inhalte auch für behinderte Menschen. Das Hauptziel: Inhalte vom Layout trennen, Inhalte vom Browser unabhängig halten, die Website für jeden zugänglich machen. Das hört sich so einfach an, bedeutet aber auch, dass Webdesigner und Programmierer erheblich gründlicher vorgehen müssen. Die Zeiten sind einfach vorbei, in denen Webseiten aus Faulheit und schlechten HTML-Kenntnissen an allen Validierungen vorbei nur für bestimmte Browser “optimiert” wurden.

Daher spielt die Validierung von HTML und CSS beim barrierefreien Webdesign eine übergeordnete Rolle: Sauberer Programmieren, weniger HTML-Mischmasch. Aber nicht nur das, auch muss der HTML-Code semantisch korrekt sein. Stellen Sie sich vor, ein Blinder lässt sich mit einem Bildschirmleseprogramm wie zum Beispiel ‘Blindows’ Ihre so herrlich gestaltete Website vorlesen. In der linken Tabelle stehen Ihre Links. Endlos viele davon. Das Leseprogramm rattert also erst einmal diese Liste durch, von oben bis unten. Erst dann kommt der Haupttext. Achten Sie also darauf, Inhalte immer möglichst logisch zu strukturieren, halten Sie beispielsweise die Linkliste möglichst klein und platzieren Sie die Links immer auf der rechten Seite oder am Ende des Codes. Kleine Änderungen, große Wirkung.

Eine größere Herausforderung für Programmierer und Designer stellen die Besucher mit eingeschränkter Sehkraft dar. Hier können Sie verschiedene CSS-Stylesheets anlegen und Ihren Besuchern gut sichtbar die Möglichkeit geben, die Vordergrund- und Hintergrundfarben zu verändern (bei Rotgrün-/Blaugrün-Sehschwächen) und die Schriftgröße zu erhöhen. Auch wenn kleine Schriften trendy sind und Webdesigner bei großen Schriftgrößen Ausschläge bekommen. Aber selbst Wired.com bietet seinen Lesern eine Navigation per Tastatur die Möglichkeit der Schriftvergrößerung an, mit CSS ja auch kein Problem. Zudem lassen sich dann Ihre Inhalte auch besser auf mobile Geräte portieren – das wäre dann tatsächlich barrierefrei.

Krieg der Browser? Das gab es mal. Aber nun hat Microsoft überhaupt nichts dagegen hat, wenn Benutzer vom Internet Explorer zu einem anderen Browser wechseln.

Erinnern Sie sich noch an den „Browserkrieg“ aus dem letzten Jahrtausend? Damals bekämpfte Microsoft den kleinen, aufmüpfigen Konkurrenten Netscape mit allen Mitteln, um die Vorherrschaft bei den Browsern zu erlangen. Der Rest ist Geschichte, die Schlacht geschlagen, Netscape platt, Internet Explorer überall drin.

Seitdem bewegte sich nicht mehr so viel im Browserbereich, der Internet Explorer dominierte die Konkurrenz nach Belieben. Und das noch immer: Anfang Juli lag nach Angaben von Webhits.de der Browseranteil des Internet Explorers bei 84,6 Prozent, gefolgt von Netscape mit 8 Prozent und auf Mozilla basierende Browser mit 4,1 Prozent. Bei solchen Zahlen könnte sich Microsoft genüsslich zurücklehnen – und genau das macht Microsoft eigentlich schon seit mehreren Jahren.

Der Internet Explorer ist im Vergleich zur Konkurrenz inzwischen hoffnungslos hinterher, seit der Version 4 gab es kaum noch Verbesserungen und die Programmierer von Microsoft sind nur noch damit beschäftigt, Sicherheitslücken zu beseitigen. Kein Wunder, dass immer mehr Benutzer zu den sicheren und schnelleren Alternativen wie zum Beispiel Firefox und Opera wechseln. Insbesondere das erheblich sicherere und schnellere Firefox entwickelt sich zunehmend vom Geheimbrowser zum Lieblingsbrowser der etwas erfahrenen Windows-Websurfer. Doch nun agieren auch die technisch weniger versierten Benutzer. Aufgeschreckt von Meldungen über Internet-Würmern wie “Scob”, der im Internet Explorer Kreditkarten-Informationen ausspionieren soll, suchen einige nach Alternativen.

Selbst meine Eltern, für mich immer so ein Gradmesser für den ultimativen DAU sind – zum Glück lesen die das nicht und wissen auch nicht wofür die Abkürzung steht – sprachen mich vor kurzem an, ob sie denn nicht auch einen anderen Browser benutzen könnten, weil sie in den Tagesthemen von dem Kreditkartenwurm hörten. So wird es vielen gehen. Selbst die DAUs sind nun in der Lage, externe Software zu installieren.

Steht uns also ein weiterer “Krieg der Browser“ bevor? Von wegen, im Gegenteil. Die Version 7 des Internet Explorers wird wohl erst in Longhorn implementiert sein. Das wird noch zwei bis drei Jahre dauern. Bis dahin wird sich Microsoft damit begnügen müssen, die Sicherheitslücken auszubügeln und PR-Kampagnen zu fahren. Frustrierte Benutzer werden sich zunehmend den Browser-Alternativen zuwenden. Für Microsoft bricht deswegen auch keine Welt zusammen, weil Microsoft mit dem Browser keinen Umsatz macht – und die Konkurrenz auch nicht. Im Grunde kann es nur im Interesse von Microsoft liegen, wenn die Benutzer zu sicheren Browser wechseln.

Denn es gibt nur zwei Möglichkeiten, um sicher zu bleiben: Entweder Sie verzichten möglichst auf das anfällige Outlook und den Internet Explorer oder Sie gehen noch einen Schritt weiter und setzen auf ein sicheres Linux- oder BSD-Betriebssystem. Microsoft will natürlich die Kunden weiter binden, denn das Unternehmen hat Großes vor: Die Version 7 in Longhorn soll auf neue, wiederum proprietäre Standards wie XAML und Avalon setzen, an die sich alle anderen gefälligst halten sollen. Auch wenn wir noch nicht wissen, wann Longhorn tatsächlich kommen wird, es ist doch klar, dass wir dafür wahrscheinlich wieder einen neuen Rechner brauchen, weil der alte, gestern erst gekaufte Rechner sofort in die Knie gehen wird.

Microsoft hofft, dass dann auch alle auf Longhorn springen, da viele für Longhorn konzipierte Sites nicht mehr mit den anderen Browsern, auch nicht mit Firefox besehen werden können. In der Zwischenzeit lässt Microsoft die Benutzer ziemlich kampflos wechseln, schließlich lassen sich die neuen Features von Firefox recht einfach portieren. Frühestens dann heißt es bei Microsoft: “Internet Explorer 7, jetzt mit allen Funktionen von Firefox und co. und zusätzlich mit umfangreichen Webdiensten.“ Einen Kampf der Browser wird es nicht mehr geben. Der Anteil vor allem der Mozilla-Browser wird sich weiter erhöhen, der Internet Explorer bleibt trotz Sicherheitspannen dominant, aber zunehmend verpönt. Möglicherweise wird sich auch die Einstellung von Designern und Programmierern ändern. Dann werden wir zunehmend “Wir unterstützen keine alten IE-Browser mehr – besorgt Euch endlich einen vernünftigen Browser, der was kann” auf Sites lesen. Wer nicht wechselt, ist dann selber Schuld.

Leben und reisen wie ein virtueller Nomade – Traum und Horror zugleich. Eine Email aus „Down Under“. Ich bin immer noch unterwegs, diesmal aber mit meiner Familie.

Viel Zeit habe ich nicht. Ich sitze in einem Internetcafe in Sydney, die Zeit tickt. Neben mir sitzen Koreaner, sonnenverbrannte Engländer und deutsche Touristen, die über die Tastaturbelegung und die Hitze fluchen. Entspannt Euch, Leute, Ihr seid im Urlaub! So richtig locker fühle ich mich Heute aber auch nicht. Hier im Internetcafe zu sitzen bedeutet für mich eine bittere Niederlage.

Vor knapp drei Wochen sah das noch anders aus. Als stolzer „virtueller Nomade“ wollte ich mein in den letzten Jahren zusammengekauftes Elektronikspielzeug endlich mal vollständig ausnutzen – und zwar auf der anderen Seite der Welt, in Australien. „Sie sind aber sehr gut ausgerüstet“, sagte der Sicherheitsexperte im Münchener Flughafen anerkennend als ich meine dort mein Technikkrempel aus dem Rucksack heraus holen musste: silbern glänzendes Notebook, Pocket PC, faltbare Tastatur, Kamera. Ich freute mich und dachte: Alles richtig gemacht.

Dieses Glücksgefühl hielt weiter an. Selbst nach etwa 12 Stunden Flug und dem Zwischenaufenthalt in Singapur: Überall kostenlose Internetterminals und WLAN. Geht doch. Im Münchener und Londoner Flughafen ist der WLAN-Zugang dagegen unverschämt teuer. Triumphierend klappte ich mein Notebook auf, WLAN gefunden, ein wenig in Spiegel Online gesurft. Die Wartenden herum schien das nicht zu interessieren. Ignoranten.

Doch dann begann der Horror: Sydney macht einen recht entwickelten Eindruck und meine Recherche von Zuhause spuckte auch einige WLAN-Hotspots aus – aber wo? Die Liste hatte ich natürlich zu Hause vergessen und so irrte ich durch die Stadt. WLAN, Wifi; das schien niemand zu kennen. Nach einer Weile fand ich dann ein paar Cafes mit Hotspots. Es funktionierte nicht. Auf den Pocket PC war auch kein Verlass. Das Ding stürzte ab, alle Daten weg, die WLAN-Karte war danach nicht mehr ansprechbar und verwandelte den Pocket PC in einen nutzlosen Taschenrechner.

Mit fettigen Händen im Netz

Der goldene Tipp – letztendlich war es eher Katzengold – kam von einem betrunkenen Engländer im Irish Pub: McDonalds. Dreiviertel aller McDonalds in Sydney sollen angeblich vernetzt sein. Der Haken: Wer ins Netz will, muss auch essen. Wer sich mit einem Notebook hinsetzt, wird sofort verjagt. Das Personal ist gut trainiert. Der Aussieburger mit roter Beete verschaffte mir viel Zeit – Zeit, die ich nicht brauchte, denn es gab kein Netz. Sieben Aussieburger später fand ich dann endlich ein McDonalds mit WLAN. Mir war schlecht; nicht nur vom vielen Fleisch, sondern auch von den Kosten. 16 australische Dollar. Ich loggte mich trotzdem ein. Nach ein paar Minuten musste ich auf Toilette, mein Rechner schaltete sich ab und meine WLAN-Verbindung war weg. Weitere 16 Dollar wollte ich nicht mehr zahlen.

Also Dial-up. Australien kennt kein Dial-by-call. Die Suche nach einem Provider kostete mich einen weiteren Tag. Dann stellte sich heraus, dass meine Modembuchse im Notebook einen Wackelkontakt hatte. Das Modemkabel stellte die Verbindung zum Netz lediglich mit einem bestimmten Knick, den man nur mit 1,5 Händen und anschließendem Krampf aufrechterhalten konnte. Einen weiteren Tag verbrachte ich auf der Suche nach einem USB-Modem oder noch besser nach einem analogen Bluetoothmodem.

Irgendwann war dann die Verbindung hergestellt, doch meine beiden POP- und SMTP-Server mochten die Fernbedienung aus Australien nicht. Also Webmail. Eigentlich wollte ich doch meinen Blog und meinen Fotoblog füllen. Immerhin, ich schaffte es, per Email ein paar Bilder im Attachment an Flickr zu schaffen. Zwischendurch biss eine Spinne meine Gastgeberin, sie musste ins Krankenhaus und mir blieb nichts anderes übrig als die mühsam aufgebaute Leitung bei 90 Prozent des Uploads abzubrechen. Das Universum war gegen mich. Ein weiterer ambitionierter Plan war es, per Skype mit meinem Bluetooth-Headset nach Deutschland zu telefonieren. Per Dial-up klappte das schon mal gar nicht. Hallo, Hallo, Hallo?

Und so sitze ich nun im Internetcafe, beantworte wie jeder andere Emails und hätte meinen Technikkrimskrams auch zu Hause lassen können. Wir träumen alle von der „mobilen Zukunft“, in der wir wie virtuelle Nomaden durch die Welt reisen können und immer erreichbar sind. So lange aber die Technologie so dermaßen unzuverlässig ist, will ich nicht abhängig sein von unausgegorenen Systemen. Meinen nächsten Urlaub werde ich jedenfalls entspannt ohne Gadgets verbringen und meine Kolumne meinetwegen schon vorher schreiben.

Podcasting ist der neue Trend im Netz. Eröffnet nun jeder seine eigene Radiostation im Netz? Bitte nicht. Ein anderer interessanter Aspekt: Motorola baut Handys mit itunes? Ha, da hat sich doch auch etwas geändert. Nachdem Google erst Motorola aufkaufte und nur die Filetstücke behielt, ist Motorola nun wieder alleine – ohne itunes

Wenn Sie bloggen, dann hat Sie in den letzten Monaten wahrscheinlich auch eine Kettenmail von einem Freund oder Freundin erreicht, in der Sie aufgefordert wurden, sich in Ihrem Blog audiophil zu outen. In der Email wurde unter anderem gefragt, welches Lied Sie gerade hörten als Sie die Email öffneten, wie viele Gigabytes an MP3s auf Ihrer Festplatte gebunkert sind und welche CD Sie zuletzt gekauft haben. Zuletzt sollten drei weitere Blogger gefunden werden, die noch nichts von der Umfrage gehört haben und entsprechend auskunftsfreudig sind.

Da die Antworten in den Blogs natürlich ordentlich verlinkt waren, hangelte ich mich eine Weile durch die fast schon erschreckend ehrlichen Auskünfte meiner Mitblogger: 340 GB an MP3s auf der Festplatte? Wer braucht so viel Musik?

Gibt es wirklich so viel gute Musik? Geschmacksache. Erstaunlich fand ich aber, dass die meisten Blogger sich noch an die zuletzt gekaufte CD erinnern können – im Gegenteil: Viele behaupteten, erst vor kurzem eine CD erstanden zu haben. Vielleicht sind die Sharingnetzwerke gar nicht hauptsächlich Schuld an der Misere der Plattenindustrie? Ein Blick in die USA zeigt, dass P2P und auch der CD-Verkauf durchaus gleichzeitig wachsen können. Dort wurden im vergangenen Jahr erstmals wieder mehr CDs als im Vorjahr gekauft.

Wer einen feineren Musikgeschmack hat und nicht ständig Robbie Williams und Lionel Richie im Radio hören mag, bekommt nur noch im Web neue musikalische Impulse. Im Web streamen schon jetzt unzählige Radiostationen, doch transportabel war die Musik bisher nicht. Die „Podcaster“ schließen nun diese Lücke. Podcasts sind nichts anderes als in RSS eingewickelte und markierte Songs, die mit der entsprechender Software, beispielsweise iPodder, heruntergeladen, sofort in iTunes importiert und mit dem iPod synchronisiert werden.

Schon melden sich wieder die üblichen Webwegelagerer und Visionäre, die von einer „weiteren Demokratisierung des Netzes“ faseln. Denn bald hat nicht nur jeder seine eigene Visitenkarte im Web, sondern auch seine eigene Radiostation. Brauchen wir wirklich weiteres diffuses Gequake; langweilige Schnacker, die mit ihren eigenen Radiosendern aus der Küche Bandbreite im Netz zustopfen? Besser nicht.

Bereits jetzt gibt es im Web 3.500 Podcasts. Wie findet man da die wenigen interessanten Inhalte? In Zukunft wird es zunehmend Aggregatoren geben, die mit ihren Podcast-Listen neue Bands vorstellen und vielleicht sogar bekannt machen. Denn Podcasting ist weniger „Radio“, sondern viel mehr eine weitere Spielart des „Datenaustauschs“. Die Podcasts werden also überwiegend „Freebie-Songs“ von unbekannteren Bands enthalten. Interessant wird es dann, wenn sich Aggregatoren finden, die wirklich etwas von Musik verstehen und sich bereits einen Namen in der Szene erarbeitet haben. So werden künftig Künstler wie David Byrne, der im Web unter www.davidbyrne.com einen hervorragenden Radiostream anbietet, einen höheren Einfluss auf unsere Hör- und Kaufgewohnheiten als die Marketingmaschinen der Plattenindustrie haben.

Wow, David Byrne legt für mich Platten auf – dafür würde ich sogar etwas zahlen. Geld werden die meisten Podcaster wohl nicht verdienen, obwohl es mit dem „Payback Blogvertisement Standard“ nun einen auf RSS basierenden Mechanismus gibt. Während das Web wohl eher eine Plattform und Sprungbrett für noch unbekannte Bands werden könnte, wird Podcasting erst im Handy den großen Durchbruch schaffen. Erstens sitzt bei Handybenutzern offensichtlich das Geld lockerer und zweitens entfällt der langwierige Download der Podcasts erst in den Computer und von dort in den iPod.

Motorola stellte Ende März bereits ein Handy mit iTunes vor und auch die Smartphones von Microsoft werden bald „Smartfeed“-Funktionen haben. Wenn dann noch die Handys per Bluetooth die Musik ans Autoradio senden, dann hat nicht nur die Musikindustrie, sondern auch Apple ein Problem – oder eben eine neue Chance.

Ich gebe nicht auf: Das „semantische Web“ soll aus der Datenflut im Netz einen Springbrunnen für Informationen machen – aber nur, wenn auch die Benutzer mitdenken und mitmachen. Mittlerweile denke ich, dass das semantische Web einfach zu kompliziert für uns ist. Die Masse wird den Sprung nicht schaffen. Aber einige Sachen sind doch weiter gegangen. Heutzutage heißt das “mashup“.

Ich sitze in der Küche mit meinem Notebook und höre einen Podcast von Clay Shirky, dem selbsternannten P2P-soziales Netz-was-weiß-ich-nicht-noch-alles-Guru zu. Shirky hört sich so an wie eine Mischung aus Kermit-der-Frosch und Seinfeld. Lange hält man das nicht aus. Die Podcasts lassen sich ja nicht vorspulen und so quäle ich mich durch seine Ausführungen über das sowjetische Buchsortiersystem, das natürlich völlig starr und ein weiterer Grund für den Fall des Kommunismus war.

Shirky braucht eine gute halbe Stunde, um endlich zum eigentlichen Thema zu kommen: Das semantische Web. Gerade geht´s los, da will meine Freundin wissen, wie viel 375 Grad Fahrenheit in Celsius sind. Nervig. Ich öffne Google und schreibe auf Englisch: „Wie viel Grad Celsius sind 375 Grad Fahrenheit“. Die Antwort überrascht mich, denn Google listet keine Suchergebnisse auf, sondern gibt ganz schnörkellos die Formel „350 Grad Fahrenheit = 176 Grad Celsius“ aus. Ist das etwa schon ein Vorbote des semantischen Webs?

Wer braucht das SemWeb? Ich beäuge das Thema „SemWeb“ schon seit einer ganzen Weile. Doch wie vielen meiner Kollegen, die Mitte und Ende der 90er Jahre jeden Trend enthusiastisch aufnahmen, bin auch ich noch skeptischer geworden. Mir reichen die technischen und visionären Diskussionen nicht. Zeigt mir Anwendungen; Lösungen, die wirklich Nutzen und Mehrwert bringen. Wenn das semantische Web wirklich Sinn aus dem Datenmüll machen will, in dem es frei umher sausende Daten mit anderen Daten bindet und daraus eine nützliche Information generiert, dann wird es wirklich spannend. Aber: Wer braucht das semantische Web? Damit Suchmaschinen, Anwendungen oder Dienste die Daten etwas intelligenter verwerten können, müssen die Daten gekennzeichnet werden.

Ein Beispiel für eine Anwendung im semantischen Web ist das Friend-of-a-friend-Projekt (FOAF): Darin gibt beispielsweise Paul an, dass er mit Fritz befreundet ist. Selbst wenn auf Fritzens Website Paul erwähnt, würde eine semantische Suche von „Welche Freunde hat Fritz?“ die Antwort „Paul“ ausgeben. Interessant daran ist die Suche nach Zusammenhängen und nicht nach einfachen Schlüsselworten. So ließe sich in Zukunft auf die Frage „Bei welchen Unternehmen ist Herr X im Vorstand beteiligt und wie viel verdient er dort?“ eine sehr interessante Aufstellung nach verschiedenen Kriterien ausgeben. Die Aufstellung könnte dann auch noch mit den Verstrickungen der Unternehmen nach Aktionären und Parteinähe visualisieren.

Huckepack auf bestehenden Diensten

Die Frage ist nur: Wollen das die Informationsanbieter überhaupt? Was hat ein Inhaltsanbieter davon, wenn die Daten von einer Suchmaschine zusammengesammelt werden, mit anderen Daten aggregiert werden und dann im Browserfenster so angezeigt werden, dass sich niemand mehr durch die Website des Inhaltsanbieters verirren mag? Das MIT arbeitet bereits an einer vielversprechenden Technologie, der „Piggy Bank“, dem „Sparschwein“. „Piggy back“, also „Huckepack“ passt eigentlich besser, denn mit dem Firefox-Plugin lassen sich die rohen Daten einer Seite „herausschaben“ (Fachlingo: Scraping) und mit anderen Daten kombinieren. Beispiel: Mit der Piggy Bank lassen sich Daten von einer Website, die eine Liste von aktuellen Erdbeben ausgibt, auf Google-Maps visualisieren. Die so erstellten Ansichten lassen sich dann im „Sparschwein“ sammeln und Benutzergruppen zugänglich gemacht werden.

Darüber freuen werden sich die Anbieter, die Daten im Web visuell aufarbeiten und natürlich die Suchmaschinen. Eigentlich geht es mehr um semantische Suchmaschinen. Das Web wird nicht intelligenter, sondern definierter und für Maschinen verständlicher. Davon profitieren vor allem die Suchmaschinen, die dann trotzdem nicht denken, sondern nur mechanisch auf niedrigstem Niveau Milchmädchenrechnungen durchführen können. Ob die Daten- und Inhaltsanbieter – mal angesehen von den Bloggern, die sich ja schon per RSS dem semantischen Web annähern – das semantische Web ähnlich beglückt begrüßen, bleibt abzuwarten.

Schließlich müssten den Daten noch Metadaten angefügt werden und die kommerziellen Inhaltsanbieter werden sich ganz genau überlegen, ob es ihnen etwas bringt oder nicht. Bei Anwendungen wie Flickr funktioniert das Tagging schon jetzt. Die Mitglieder markieren die Bilder freiwillig mit Metatags, um die Bilder später wiederzufinden. Das hat einen klaren Nutzen.

Shirky, der mittlerweile endlich zum Ende seiner Ausführungen gekommen ist, glaubt daran, dass in Zukunft die Webuser auch Textinhalte mit Metatags versehen werden. Ich werde mitmachen, aber wie ich mich kenne nur ein paar Tage, denn dann wird wieder das Chaos und die Faulheit das Kommando übernehmen.

Geodaten. Geocodierte Bilder sind der neueste Trend im Web. Doch es gibt noch viel mehr Anwendungsmöglichkeiten für geocodierte Inhalte im Web. Das war mal ein Treffer, oder?

Kollege Damaschke hört jede Viertelstunde das Glockenläuten der St. Franziskus-Kirche – so wie ich. Wir wohnen nun schon seit ein paar Monate in derselben Nachbarschaft – ohne es zu wissen. Einmal, so schien mir, fuhr er mit seinem Fahrrad an mir vorbei. Da dachte ich noch: Das ist doch der Giesbert – aber ist der wirklich so grau geworden? Vor ein paar Wochen entdeckte ich dann einen Kommentar auf meinem Flickr-Fotolog: „Wir wohnen in derselben Nachbarschaft, lass uns mal ein Bierchen trinken gehen.“ Das kam von Damaschke, der im Flickr-Album seiner Kontakte surfte und so das von mir hochgeladene Satellitenbild meiner Nachbarschaft sah.

Über Flickr bekomme ich ein Fenster in sein Leben. Aber nicht nur in seins: Ich beobachte die Flickr-Bilder von mehreren Freunden, die regelmäßig Bilder hochladen. Schon das verbindet.Flickr macht süchtig: Ich schaue auf meine Flickr-Seite mindestens so oft wie auf Spiegel Online – und das ist sehr oft, denn ich bekomme alle gelb unterlegten „Eilmeldungen“ von Spiegel Online mit.

Mein RSS-Reader signalisiert mir sofort, wann ein Freund ein neues Bild in Flickr gestellt hat. Dann ist nichts mehr wichtig. Ich muss mir das Bild angucken. Vielleicht kommentiere ich es auch. Seit Ende des Jahres befülle ich nun Flickr, während ich meinen Blog völlig vernachlässige. Damit bin ich nicht der einzige: Ich beobachte bei vielen Blogkollegen eine zunehmende Blogfaulheit. Ich kann hier nur für mich sprechen: Ich sitze den ganzen Tag vor dieser Kiste, da will ich mich in meiner Freizeit nicht auch noch hier hinhocken und meinen Blog mit wirren Gedanken zumüllen.

Ich will raus, mich bewegen. Fotografieren. Seit Mitte Mai laufe ich mit einem Handy durch die Straßen, das recht passable 2-Megapixel-Bilder macht. Das reicht für Schnappschüsse aus der Hüfte. Für >Flickr allemal. Die Bilder übertrage ich über einen freien MMS-Server und per WAP-Flatrate direkt in mein Flickr-Album. Hätte ich mich früher damit mehr als zufrieden gegeben, fehlt jetzt nur noch ein weiteres Element meiner „virtuellen Nomaden-Strategie“: die Geocodierung der Bilder. Schon jetzt fügen immer mehr Flickr-Benutzer die genauen Geodaten als Tags an die Bilder. Auf diese Art markierte Bilder lassen sich dann auf Google maps geografisch zuordnen.

Ein interessantes Projekt ist beispielsweise „Mappr“, das Flickr und Google Maps so verbindet, dass Sie nach Schlagworten suchen können und Mappr auf einer Landkarte zeigt, wo die Bilder geschossen wurden. Ein solches System macht natürlich nur dann Sinn, wenn neben der Geocodierung weitere Tags die Bilder beschreiben. Die Anwendungsmöglichkeiten einer solchen Kombination sind riesig: Bilder vom Urlaub werden plötzlich noch greifbarer, weil die Betrachter auf einer Karte sehen, wo genau die Fotos entstanden sind; auch kommerzielle Lösungen wie ein Gebrauchtwagenmarkt oder Immobilienmarkt bekommen durch die Kombination von „Bild“ und „Ort“ eine neue Dimension und wirklichen Nutzen.

Die Zukunft gehört den Geobloggern

Kein Wunder, dass nicht nur Google, sondern auch Yahoo die APIs der Web-Landkarten öffnen. Überhaupt, Yahoo gewinnt seit Monaten wieder zunehmend an Profil: Zuerst schnappte sich Yahoo Flickr, das sich schon allein durch sein Layout als Google-Aufkaufobjekt positionierte. Dann startete Yahoo in den USA einen Musikdienst, mit dem man für 6,99 Dollar im Monat so viel Musik wie möglich hören kann.

Aber was hat jetzt Musik mit Geoblogging zu tun? Mal abgesehen von der ewig gleich klingenden Pop-Soße, die aus jedem Radio der Welt klingen könnte, hat jede Region auf der Welt besondere Musik zu bieten. Ich verbinde Musik auch mit Orten, an denen ich gelebt habe. Aus jedem Urlaub bringe ich mindestens eine CD mit, die ich sonst niemals gefunden hätte. Überall gibt es gute Bands, die in der Region Helden sind, aber die Plattenfirma ist zu klein für eine weltweite Präsenz.

Wie wäre es, wenn Musik ebenfalls geocodiert auffindbar wäre? Da Flickr auch eine Art „Geschmacksnetzwerk“ ist, ließe sich auf diese Weise Musik finden, die wir niemals in iTunes oder auf Amazon gefunden hätten. Als erstes wird es wohl geocodierte Podcasts geben. Dann sehen wir auf einer Web-Straßenkarte, wo in der Nähe jemand in ein Mikrofon spricht. Hoffentlich fällt das nicht dem Damaschke ein, denn dann hat er wohl erst Recht keine Zeit mehr für ein Bierchen im Biergarten nebenan.

Trotz günstiger DSL-Flatrate und billiger Internet-Telefonie: Wer sich von der Telekom loslösen will, muss in der richtigen Stadt leben und einige Kompromisse eingehen – und selbst dann wird es schwierig. Und das gilt auch heute noch.

Es bewegt sich etwas im DSL-Geschäft: Seit Monaten unterbieten sich die DSL-Platzhirsche mit immer günstigeren DSL-Flatrate-Tarifen. Eine DSL-Flatrate für unter fünf Euro – Hätten Sie es noch Ende des Jahres geglaubt? Angestachelt von immer sensationelleren Angeboten stellt sich für die DSL-Preistänzer schnell die alte Limbofrage: Geht´s noch tiefer?

Wer sich noch vor ein paar Monaten zu Volumen- oder Zeittarifen über einen längeren Zeitraum verpflichtet hat, um die Einrichtungsgebühr und die Anschaffungskosten für das Modem zu sparen, wird sich nicht besonders freuen. Ich hatte vor kurzem das Glück, in eine andere Wohnung zu ziehen. Und weil ich bislang ohne einen Festnetzanschluss von der Telekom auskam – mit O2 Genion und angezapftes WLAN vom Nachbarn – und ich in der neuen Wohnung nur ein kennwortgeschütztes WLAN mit dem Namen „Asteroids“ erschnüffelte, begab ich mich in einen intensiven Recherchemodus. Schließlich wollte ich auch weiterhin unabhängig vom rosafarbenen Riesen bleiben.

Meine O2-Homezone begleitet mich bis an die Isar, wozu benötige ich da einen teuren Telekom-Festnetzanschluss? Und da Fern- und Auslandsgespräche mit O2 noch immer recht teuer sind, war ich fest entschlossen, diese Gespräche per Skype oder mit anderen auf SIP basierenden Providern wie Nikotel oder Sipgate zu erledigen – wenngleich ich mit der Sprachqualität der IP-Telefonie noch immer nicht zufrieden bin.

Ich benötigte also lediglich eine DSL-Leitung, mehr nicht. Meine erste Wahl fiel auf M-Net, einen lokalen Anbieter in Bayern. M-Net bot eine DSL-Flatrate für 9,90 Euro. Zusätzlich kostet der dazu gehörige ISDN-Telefonanschluss gute 20 Euro im Monat. Das ist im Vergleich zur günstigsten Kombination von T-DSL 1000 für 17 Euro, Call Plus-Festnetz für 16 Euro und der GMX-Flatrate für 5 Euro um einiges günstiger.

Doch haben die Konkurrenten von der Telekom einen für mich entscheidenden Nachteil: Auslandsgespräche sind erheblich teurer. Der günstigste Call-by-Call-Anbieter verlangt bei Gesprächen beispielsweise nach Australien gerade mal 1,9 Cent pro Minute. Da wollen oder können Arcor, M-Net und co. einfach nicht mithalten. Skype verlangt 1,7 Cent pro Minute für den Anruf ins australische Festnetz. Interessanterweise kostet der Anruf nach Australien mit dem Internet-Telefonangebot von 1&1 und GMX satte 69 Cent pro Minute.

Wir wechseln für eine neue Telefonanlage

Dennoch, viele Kunden werden zu den neuen VoIP-Angeboten wechseln, um die günstige IP-Telefonanlage abzugreifen. Schließlich lässt sich daran das alte ISDN-Telefon anschließen und damit zumindest die 8 Euro für den ISDN-Anschluss sparen. Wirklich attraktiv ist die monatliche VoIP-Flatrate, die momentan von den DSL-Providern angeboten wird und etwa 10 Euro kostet. Haben Sie mitgerechnet? Allein die Fixkosten dafür betragen insgesamt fast 50 Euro. Um das wieder hereinzubekommen, müssen Sie schon ganz schön kommunikationsgierig sein.

Momentan sind die angebotenen VoIP-Flatrates nur mit den entsprechenden DSL-Flatrates der DSL-Unternehmen einsetzbar. Wer also in einem Vertrag geknebelt ist, hat nichts von der rasanten Entwicklung im VoIP-Flatratemarkt. Schon bald werden einige Provider solche VoIP-Flatrates auch als Einzellösungen anbieten. Wer oft und viel telefoniert, wird zugreifen – und die schwankende Sprachqualität in Kauf nehmen.

Richtig spannend wird es aber erst, wenn der DSL-Anschluss eines Tages vom Telefonanschluss entkoppelt wird. Erst dann können die DSL-Reseller wirklich attraktive Angebote schnüren. Denn selbst eine DSL-Flatrate von 1,95 Euro bedeutet Gesamtkosten von etwa 35 Euro für das Netzwerk und die DSL-Bereitstellung, sei es durch die Telekom oder durch einen der Reseller.

Überlegen Sie es sich gut, wenn Sie sich von der Telekom loseisen wollen: Wenn Sie viel surfen, wenig telefonieren, niemanden im Ausland kennen und Ihre ISDN-Geräte weiterbenutzen wollen, dann sparen Sie mit den lokalen Anbietern möglicherweise einige Euros. Allen anderen rate ich, möglichst schnell den bestehenden DSL-Volumen- oder Zeittarif zu kündigen und eine Flatrate zu bestellen – denn die DSL-Limbotänzer müssen sich schon jetzt ganz schön ins Hohlkreuz legen, um die Latte nicht zu reißen.

Kleinkunst trifft Schmalspur: Sind die Videologger im Netz wirklich die Vorboten eines wahrlich interaktiven Fernsehformats? Hmm, geht so. Es tauchen immer mehr solcher Videos auf, aber Fernsehen? Ich weiß nicht. Da müssen wir noch etwas warten, denke ich. Aber es gibt zum Beispiel Ice bucket challenges. Wer nicht mehr weiß, was das war, sollte den Begriff mal in Youtube suchen.

Zunächst war es eher dummer Zufall, ein Missgeschick. Eigentlich wollte ich Freunde von mir fotografieren, doch dann schob ich den Schalter meiner Digitalkamera nicht auf „Fotografieren“, sondern auf „Filmen“. Mal wieder merkte ich es nicht, fuchtelte weiter mit meiner Kamera herum, suchte nach einem richtigen Winkel und als ich dann endgültig auslösen wollte, speicherte die Kamera auch schon einen 17 Sekunden langen Kurzfilm auf meine Flashkarte.

Früher hätte ich mich fürchterlich geärgert, den Film sofort gelöscht. Doch inzwischen gehe ich anders mit den Filmen um: Ich sammle sie. Denn die Kurzfilme vor dem eigentlichen „Schuss“ haben immer eine gewisse Komik: Jeder will cool und locker zugleich wirken. Das will auch der Fotograf und ruft „Lächeln“ oder „cheese“. Meistens reicht das nicht.

Haben Sie schon einmal bemerkt, dass die meisten Fotoobjekte kurz vorher auch noch mal einen dummen Spruch loslassen müssen? Da werden selbst verkrampfte Typen noch zu Jokusbrüdern. Genau das will ich einfangen. Mich interessiert nicht das Bild, sondern wie es entstanden ist und was danach kommt. Ein Bild sagt mehr als Tausend Worte. Aber ein Video zeigt mehr als Tausend Bilder.

Nach den mobilen Blogs und Audio-Podcasting war es doch nur noch eine Frage der Zeit, bis Videologger – auch „Vlogger“ genannt – täglich Kurzfilme ins Netz hochladen würden. Dass gerade jetzt das Thema „Vlogging“ aufkommt, ist auch nicht überraschend. Bandbreite scheint tatsächlich kein Thema mehr zu sein und wer einen DSL-Flatratetarif hat, der schiebt auch schnell mal einen 4 MB-Film ins Netz oder guckt sich Filme über das Web an.

Bei vielen hat es einige Monate gedauert, bis sie überhaupt die Filmfunktion in ihrer Kamera gefunden haben. Auch ich wäre zunächst nicht auf die Idee gekommen, ausgerechnet mit meiner Digitalkamera Filme fürs Web zu produzieren. Doch gerade das macht den Charme des Vlogging aus – noch. Die meisten der Vlogs sind hemmungslos verwackelt, mit der stumpfen Schere zusammen geschnitten und werden in einem kleinen Fensterchen abgespielt. Aber das macht nichts, denn die Filmchen sind echt und persönlich.

Vlogging überholt Podcasting

Auch Podcasts sind authentisch. Aber weil wir uns nur auf die Stimme und damit auch klarer auf den Inhalt der Aussage konzentrieren können, merken wir schnell, dass die meisten Podcasts langweiliger Schrott sind. Die Ohren mögen keinen Schrott, die Augen lieben es. Talk-Shows, Kochstudios, Ratespiele, Krimis: Die meisten Vlogger sind mit Kassettenrekorder, öffentlichem Fernsehen und dem Traum aufgewachsen, irgendwann mal selber eine Show zu produzieren.

Noch rümpfen viele der „Lasst mich in Ruhe mit Eurer Kleinkunst“-Grantler die Nasen. Doch schon bald werden wir professionell produzierte Sendungen im Web sehen und dafür sogar zahlen wollen.Die Liste der Unternehmen, die eine Art „Flickr für Filme“ sein wollen, ist lang. Letztendlich positionieren sie sich nur als Aufkaufobjekte für Yahoo, Google oder Microsoft. Die Großen werden sich aber auch schon Gedanken über die Schattenseiten der Vlogs machen. Schließlich sind die Vlogs ein ideales Medium, um in geschlossenen Benutzergruppen Kinderpornos oder anderen Dreck zu verteilen.

Momentan gibt es im Netz noch recht wenige Vlogger, die tägliche Videoclips abliefern. Dazu gehört erheblich mehr handwerkliches Geschick und Talent als das Knipsen von Fotos. Die Filmchen müssen geschnitten werden, Übergänge erstellt und für das Web komprimiert werden. Auch hier bieten Webdienste wie beispielsweise vobbo.com Hilfe an: Per Flash können Videobotschaften per Webcam ins Netz gespeist werden. Auf diese Weise dürfen auch weniger technisch versierte Teilnehmer mitmachen.

Interessant wird es, wenn die Vlogs tatsächlich interaktiver werden und ein Videoclip mit einem Videoclip von einem anderen beantwortet wird. Alles nach dem Motto „Du hast in Deinem letzten Clip ein Glas mit 4 rohen Eiern getrunken – schau her, was ich kann: Ich trinke ein Glas mit Olivenöl!“. Wenn das nicht unterhaltsam ist. Viele Vlogs werden da anfangen, wo das Fernsehen aufhört, weil sich zu viele beschweren würden. Sie entscheiden, ob es Ihnen gefällt oder Sie sich etwas anderes angucken. Und denken Sie immer daran, dass Sie gerade nicht fotografiert, sondern gefilmt werden.

Ein Mutstück: Hurrikan Katrina beweist, dass das Netz in Krisenzeiten noch enger zusammenrückt und vor allem nicht nur saugt, sondern auch mitmacht. Interessant, wie wichtig damals Wikipedia zu sein schien.

Kostenlose Hotspots – in anderen Zeiten wäre die Ankündigung von T-Mobile sicherlich mit großer Freude aufgenommen. Doch in New Orleans kam die Nachricht drei Tage nach dem verheerenden Hurrikan weniger enthusiastisch an. Haben die Verantwortlichen nicht die TV-Bilder aus New Orleans gesehen? Da ging es ums Überleben, um Existenzen. Wer braucht da WLAN?

Und mal ehrlich: Wer schwimmt schon gerne zum nächsten Starbucks, um dort einen doppelten Caffe Latte mit Karamellsirup zu trinken und surft im Web, während die Polizei die Auslage mit Schokoladenmuffins vor Plünderer schützt?

New Orleans gehörte nicht zu den Städten mit der höchsten Internet-Bevölkerung der USA. Schließlich galt New Orleans eher als lüsterne Vergnügungsstadt mit hohem Anteil von Bewohnern südamerikanischer und afrikanischer Abstammung. Trotzdem gingen jeden Abend etwa 700.000 Surfer regelmäßig online.

Katrina zerstörte die Kommunikationskanäle weitgehend. Das Handynetz stürzte zusammen, das Stromnetz ebenfalls und auch der Internet Backbone zwischen Houston und Atlanta fiel aus.In den ersten Stunden und in den ersten zwei Tagen mussten wir uns auf das Fernsehen als erste Informationsquelle verlassen. Wir sahen Reporter, die verzweifelte Menschen vor dem Nichts interviewten und Blicke aus dem Hubschrauber auf eine zerstörte und überschwemmte Stadt.

Nur wenige Internetsurfer harrten in ihren Häusern aus und bloggten – so lange der Strom des Notebooks reichte und eine Internetverbindung stand.Nur wenige Tage später explodierte die Anzahl der Blogs und Bilder in Flickr. Fünf Tage später finden sich in Flickr schon 8000 Bilder, die mit „Katrina“ markiert sind.

Die Druckanlagen der ansässigen „New Orleans Times Picayune“ sind zerstört, im Web veröffentlicht die Zeitung seither nur noch Blogbeiträge der Leser – vielleicht ein zukunftsweisendes Modell.

Wikipedia neuer Chef im Ring

Die Hilfskräfte waren nicht nur vor Ort überfordert, auch die Kommunikation an und mit der Öffentlichkeit ging daneben. Fragen wie „Lebt meine Familie noch?“, „Wo ist meine Mutter, mein Hund?“ oder „Meine Freunde sitzen noch auf einem Dach – holt sie da raus“ konnten einfach nicht beantwortet werden. Im Gegensatz zum Terroranschlag in New York vor vier Jahren als viele Familienangehörige per Aushang an Laternenpfählen gesucht wurden, verlagerte sich die Suchaktion komplett ins Web.

Daraufhin wurden in mehr als 15 Foren und lokalen Diensten Suchmeldungen veröffentlicht. Dabei spielten die bekannten Portale um Yahoo! und AOL eine eher untergeordnete Rolle. Vielmehr bedeutete die Katastrophe den endgültigen Durchbruch von Wikipedia als neuer Chef im Ring. Im Katrina-Wiki wurde tagtäglich Geschichte mitgeschrieben, dokumentiert, News veröffentlicht und Hilfsaktionen koordiniert. Keine Nachrichtenorganisation war näher am Geschehen als die Wiki-Autoren aus dem gesamten Netz.

So kopierten unzählige Wiki-Freiwillige die verschiedenen Suchmeldungen aus den verschiedenen Foren in eine Wiki-Datenbank, um die Suche nach Vermissten zu beschleunigen. Wahrscheinlich hätte man das auch mit ein paar Scripts hinbekommen, doch auf diese Weise ging es schneller und unkomplizierter.

Innerhalb weniger Tage konvertierten die Wiki-Datenkopierer mehr als 50.000 Datensätze in die Wiki-Datenbank. Im „Disaster-Wiki“ konnten Suchende auf einer Straßenkarte markieren, wie es in den Nachbarschaften aussieht und ob das Haus noch steht. In nächster Zeit werden sicherlich noch weitere Wiki-Projekte in New Orleans entstehen, darin liegt ja gerade der Charme der Wikis: Die Wikis werden nicht von kommerziellen Unternehmen mit begrenzter Arbeitskraft und Ideen gegründet, sondern von Freiwilligen ins Leben gerufen und kollaborativ gepflegt.

Gerade in Krisenzeiten spielen Wikis den Vorteil der „Kritischen Masse“ aus. Es geht aber auch ohne Hurrikane: Auch Sie können mitmachen, einen Beitrag verfassen oder verbessern. Dazu brauchen Sie noch nicht einmal zum nächsten Starbucks zu schwimmen.

Hand hoch: Wer kennt Sparkle von Microsoft? Ah, keiner? Hier kommt die Auflösung. Und: Flash war damals immer noch Gut.

Geht es Ihnen auch so: Sie hören einen Namen oder Begriff und assoziieren diesen sofort mit etwas aus Ihrem näheren Umfeld, einer Begebenheit oder einem Erlebnis? Fragen Sie mal frisch beschenkte Eltern: Wir können unser Kind doch nicht Anna nennen – so hieß der Hund unserer Nachbarn. Der Hund meiner Nachbarn damals in San Francisco hörte mehr oder weniger gut auf „Sparkles“. Und fürwahr, er hatte ein spielerisches Glitzern in den Augen. Eine Freundin von mir wird auch „Miss Sparkle“ genannt, weil sie sich immer silbernes Glitzerzeugs ins Gesicht schmiert – ziemlich girly.

Sparkles, das sind zunächst silberne Sternchen für 13 jährige Mädchen. Natürlich hatten die Marketingstrategen von Microsoft etwas anderes im Sinn: Es reichte nicht, die Software aus der neuen Microsoft Expressions-Serie einfach „Interactive Designer“ zu nennen. Nein, der Liebling hört auf den Codenamen „Sparkle“ – und Microsoft hofft, dass Sparkle nicht nur Entwicklern ein spielerisches Glitzern in die Augen treibt, sondern langfristig Flash als Lieblingsspielzeug ablöst.

Die Betonung liegt auf langfristig. Sparkle setzt auf die Vista-Plattform von Windows-Longhorn auf, das lange nach der Fußballweltmeisterschaft erscheinen wird. Bis dahin muss Microsoft den „Buzz“ aufrecht erhalten, denn Adobe und Macromedia – oder sagen wir besser „Macrobe“ – schlafen nicht, schrauben weiter Ihre Lösungen zusammen. Im Web kursiert ein einstündiges Video, in dem die neuen Features von Sparkle gezeigt werden. Im Vergleich zu Flash fallen vor allem die 3D-Fähigkeiten auf. Das ist ganz nett, aber wie so oft wird 3D einfach überschätzt. 3D ist wichtig für den Spielebereich, mehr nicht. Und für Adobe sollte es kein Problem sein, 3D-Funktionen aus Adobe After Effects in Flash einzusetzen.

Raus aus dem Sandkasten

Sowohl Vorteil als auch Nachteil von Sparkle ist die enge Integration mit dem Betriebssystem – also mit Windows und vielleicht auch mit MacOS. Sparkle greift tief in die Systemarchitektur ein, Sparkle sitzt nicht wie Flash im Sandkasten, sondern darf den gesamten Windows-Spielplatz benutzen. Voraussetzung dafür ist, dass das neue Windows installiert ist, was nach bisheriger Erfahrung auch einen neuen Rechner erfordert.

Ich glaube aber nicht, dass Microsoft viele Umsteiger ködern wird. Denn selbst meine Eltern wissen inzwischen, dass eine neue Windowsversion die tatsächliche Arbeit am Rechner nicht beschleunigt – eher im Gegenteil.

Genau hier liegt der große Vorteil von Flash: Flash ist inzwischen überall installiert: auf Windowssystemen, MacOS, Linux, Handhelds und Smartphones. Microsoft versucht wieder einmal, mit XAML ein proprietäres Format durchzusetzen. Schließlich will Microsoft Webdienste so eng wie möglich mit oder in Windows integrieren. Deswegen ist Google für Microsoft momentan Staatsfeind Nummer Eins, denn Google könnte Anwendungen im Webbrowser auf jeder Plattform laufen lassen. Ajax-Anwendungen wie Google Maps, Google Map, Flickr oder auch die mit Ajax programmierte Website des Wettanbieters Oddscompany zeigen neue Wege auf, die sich nicht mit Microsoft oder Macromedia kreuzen.

Microsoft wird sich mächtig anstrengen müssen, das Thema „Sparkle“ über einen längeren Zeitpunkt interessant zu halten, um interessierte Entwickler zu ködern. Wer bereits mit Visual Studio arbeitet gehört zur Zielgruppe. Es wird sich zeigen, ob die Entwickler überhaupt so eng mit Designern zusammenarbeiten wollen, die ganz kreativ schrecklich verspielte Benutzeroberflächen basteln.

Immerhin, wir werden wieder mehr „IE only“-Seiten mit dem Zusatz „only Windows“ sehen. Oder eben nicht. Denn ob sich Sparkle durchsetzt, liegt nicht nur an der Verbreitung der neuen Windowsversion. Viel wichtiger ist es, ob mit Sparkle Anwendungen möglich sind, die mit Konkurrenzprodukten nicht umsetzbar wären und vor allem so nützlich sind, dass wir Anwender gar nicht anders können als zu wechseln. Noch ist es müßig und unfair, technische Features zu vergleichen. Ich bin auf die ersten Lösungen mit Sparkle gespannt, die wirklichen Zusatznutzen bringen und nicht nur technische Spielereien von benutzerfremden Programmierern mit glitzernden Augen sind. Wir werden noch einige Zeit warten müssen, um herauszufinden, ob Sparkle langfristig ein funkelnder „Flash-Killer“ oder doch nur belangloses Girly-Glitzerzeugs wird.

2006 wächst endlich zusammen, was zusammen gehört. Ich lieferte einen verschwommenen Blick durch die Glaskugel. Zumindest für mich ging alles auf. Meine erste Tochter wurde geboren und es gab ein Fußball-Sommermärchen. Das ist doch schon was.

Ende des Jahres kriechen die üblichen Verdächtigen wie Trendforscher und Marktbeobachter aus ihren Löchern, um die Vorhersagen für das kommende Jahr kundzutun. Natürlich geschieht dieses nicht ohne Hintergedanken: Schließlich sollen so die druckfrischen Marktforschungsunterlagen verkauft und von potenziellen Kunden Beratung und sündhaft teure Seminare gebucht werden.

Meine Vorhersage für das kommende Jahr ist daher eher eine Art Wunschliste, denn im Jahre 2005 wurden die Samen für verschiedene Entwicklungen gesät, die erst 2006 aufblühen werden. Manches wurde allerdings schon viel früher eingepflanzt: Erinnern Sie sich noch an das Thema „Maßgeschneiderte E-Commerce-Produkte“? Klingt stark nach 1998, aber erst jetzt bekommt es mehr Schwung.

So bestellte ich letzten Monat bei Nike online meine ersten Schuhe, die genau nach meinen Wünschen zusammengenäht wurden. Das dauerte insgesamt drei Wochen, dann kam das Paket mit den Schuhen an. Absender: Nike in China. Willkommen in der globalen Welt. Vielleicht sehen wir schon in diesem Jahr chinesische Hemdennäher, die für einen Spottpreis maßgeschneiderte Hemden online vertreiben. Oder wir stellen uns online eins dieser klapprigen chinesischen Landwind-Autos zusammen und hoffen, dass die Autos nicht schon auf dem langen Weg zum Hamburger Hafen verrosten.

Handy + Kamera + VOIP + GPS

Sollten Sie zu Weihnachten nicht stolzer Besitzer eines neuen Handys geworden sein, dann warten Sie lieber noch eine Weile. Der Grund dafür ist die Erweiterung des UMTS-Standards um eine weitere Buzz-Abkürzung: HSDAP (High Speed Downlink Packet Access). Statt einer UMTS-Downstreamgeschwindigkeit von bisher 384 KBit/s schafft HSDAP theoretisch 14,4 MB/s. Ab dem ersten Quartal sollen zumindest 2MB/s drin sein.

In Kombination mit Voice-over-IP lassen sich dann auch vernünftige Telefonate über das Internet durchführen. Ob da die Mobilfunkunternehmen mitspielen? Die nächste Handygeneration wird zudem WLAN unterstützen. Auch hierauf lassen sich dann interessante Anwendungen wie zum Beispiel Videotelefonie bauen. Mit noch mehr Spannung erwarte ich aber die kommende Verschmelzung vom Handy mit GPS. Motorola bietet bereits ein GPS-Handy an, mit dem Sie sich das klobige GPS-Navigationsgerät sparen können. Auch die kleinen GPS-Bluetooth-Mäuse sind nicht mehr teuer.

Jetzt fehlen dafür nur noch nützliche Anwendungen abseits der Autonavigation wie zum Beispiel interaktive Reiseführer für die Gäste der Fußball-WM. Oder finden Sie beispielsweise per GPS Freunde, die sich in der Nähe aufhalten. Das wäre eine ideale Anwendung für die Navigation durch ein volles Bierzelt während des Oktoberfests. Der Charme dieser GPS-Anwendungen: Die mobilen Kunden würden dafür sogar freimütig zahlen.

Mashups + Clones

Ein weiterer Ansatz der Verknüpfung von Daten mit lokalen Koordinaten zeigen schon jetzt die so genannten „mashups“. Mashups sind letztendlich nichts anderes als verknüpfte Daten, zum Beispiel Google Maps-Koordinaten mit Bildern oder Restaurants, die wiederum mit den jeweiligen Restaurantkritiken verknüpft sind. Solche mashups werden in der Regel nicht nur von einem, sondern gleich von vielen Benutzern gepflegt. Im Jahre 2006 wird es sehr einfach sein, eigene mashups herzustellen. Dabei helfen Online-Programmierumgebungen wie zum Beispiel Ning.com. Hier lassen sich Anwendungen wie Flickr oder Dating-Anwendungen einfach clonen und umändern.

Wahre Programmierer werden die Entwicklung der Ning-Clones eher skeptisch beäugen. Sie werden auch viel zu sehr beschäftigt sein, um sich weiter in AJAX, E4X, JSON und vielleicht auch Ruby on Rails einzuarbeiten. Doch statt sich nur in neue Programmiersprachen zu stürzen – denn das kann die erheblich günstigere Konkurrenz aus Osteuropa und Indien auch – sollten sich Programmierer im Jahre 2006 so aufstellen, dass sie auch weniger technisch versierten Auftraggebern verständlich erklären können, welche Fähigkeiten sie von anderen Programmierern unterscheiden und wie der Auftraggeber davon profitiert.

Ja, das ist verhasstes Marketing, aber ansonsten entdeckt der Auftraggeber eine der Online-Programmiererbörsen und Sie dürfen höchstens später beim Aufräumen des Codes helfen. Aber dazu wird es bestimmt nicht kommen. Alles wird gut und vielleicht werden wir sogar Weltmeister.

Warum mühsam im Web nach Produkten suchen, wenn Sie auch anrufen können? Hört sich nach alter Schule an, ist aber ein Trend. Das gibt es immer noch, aber nur noch selten.

Jedes Jahr das gleiche: Weihnachten steht ganz knapp vor der Tür und ich stürze mich in das Großstadtgetümmel, um noch ein paar Geschenke zu besorgen. Kommt Ihnen das bekannt vor? Oder gehören Sie eher zu den organisierten Geschenkekäufern, die alles fein online rechercheriert haben und zu den besten Preisen bei eBay, Amazon oder in einem anderen Onlineladen zugeschlagen haben?Online kaufen ist weniger das Problem. Schon eher die Recherche. Suchen Sie mal in Google nach einem bestimmten Produkt. Auf den ersten zwei bis drei Trefferseiten erscheinen mittlerweile nur noch die Geizkragen, Idealos und die Amazons. In der Regel gebe ich dann immer noch ein „review“ hinter den Produktnamen ein. Meistens lande ich dann in einem Testbericht von CNET. Die Suche nach einem Produkt mit dem Hinweis „Testbericht“ schleudert mich zuverlässig auf die Site der Stiftung Warentest oder auf testberichte.de.

Schon aus Sportsgeist zahle ich kein Geld für den Testbericht, sondern recherchiere weiter. Die nächste Reihenfolge ist dann vorprogrammiert: Ich schaue auf amazon.de, ob das Produkt dort verfügbar ist und wie es bewertet wurde. Danach Preisvergleich bei eBay und den Preissuchmaschinen. Ab und zu surfe ich zu Ciao und Dooyoo und wundere mich, wer denn so viel Zeit hat, um ständig Testberichte zu schreiben. Oder kommen die Erfahrungsberichte nicht sowieso von den angeheuerten PR-Mitarbeitern?

Zum Schluss scanne ich noch ganz obligatorisch die Newsgroups, die in der Regel meine fast schon ausgereifte Kaufentscheidung gehörig in Frage stellen. Aber ich habe keine Lust mehr zum Basteln und Frickeln an Speziallösungen, die dann doch nicht richtig funktionieren und deswegen bestelle ich dann doch bei Amazon, eBay oder fahre ganz ungeduldig zum nächsten Elektroniksupermarkt.

Zielgruppe: 2,5 Millionen deutsche Unternehmen

Die Google-Textanzeigen rechts neben den Suchergebnissen haben mich jedenfalls noch nie zu einem Kauf bewogen. Vielleicht gehöre ich zu den ganz resistenten und von den Marketingleuten verhassten Nichtanklickern, aber seit Einführung der Textwerbung hat sich bei mir eingebrannt, dass ich dort wohl nie etwas Vernünftiges finden werde. Doch jetzt gibt es etwas Neues von Google: Pay-to-Call. So ganz frisch ist die Idee nicht.

Schließlich bietet AOL schon seit April des vorherigen Jahres seinen Werbekunden die Möglichkeit, statt mit einer Verknüpfung zur Website mit einer kostenfreien Telefonnummer zu werben. Allein in Deutschland sollen von den 3,5 Millionen Unternehmen nur etwa eine Million online sein. Das behauptet jedenfalls das Unternehmen MIVA, das ebenfalls eine Pay-to-Call-Lösung anbietet.Die neue „Pay-to-Call“-Abschöpfstrategie von Google ist raffinierter als die bisherigen Kleinanzeigen mit Telefonnummern von AOL: Angenommen, Sie suchen nach einer Autoversicherung. Die Suche in Google ergibt viel zu viele Treffer und rechts neben der Textwerbung erscheint ein grüner Telefonhörer.

Hurra, Sie werden erhört: Nun brauchen Sie nur noch den Hörer anzuklicken, Ihre Telefonnummer einzugeben und in kürzester Zeit klingelt Ihr Telefon und Sie werden mit Ihrem persönlichen Berater verbunden. Google verspricht, dass Ihre Telefonnummer nicht übermittelt und in kurzer Zeit wieder vom Google-Server gelöscht wird. Unter „kurzer Zeit“ versteht Google vier Monate. Warum müssen die Daten so lange auf dem Server sitzen?Mal abgesehen von den berechtigten Bedenken der Datenschützer: Würden Sie diesen Service nutzen?

In den USA zahlen Werbekunden von „Pay-to-Call“ um die zwei Dollar für jeden vermittelten Interessenten, denn – so die recht windige Argumentation – wer anruft, wird auch kaufen. Und tatsächlich, nach den bisherigen Erfahrungen aus den USA kauft tatsächlich jeder Dritte. Wie wäre es damit: Ich rufe an, es wird ein Taxi geschickt, ich stehe im Laden und kaufe. Oder vielleicht doch nicht.Zur Zielgruppe von Pay-to-Call gehören vor allem kleinere, lokale Unternehmen, die Produkte oder eine Dienstleistung anbieten.

Online recherchieren und offline kaufen? Die Idee hört sich nach 1993 an, scheint aber ein Trend zu sein. Zumindest in den USA, denn dort schießen mit CAIRO.com und Shoplocal.com gleich zwei Websites aus dem Boden, die Online-Surfer mit lokalen Offline-Unternehmen verbinden wollen. Freuen werden sich vor allem die Spammer, die automatisch sämtliche Online-Telefonbücher durchtelefonieren werden: Bald werden wir um 3 Uhr morgens von Telefonspammern angerufen und mit amerikanischen Penisverlängerungsmechanikern verbunden. Wenigstens ist der Anruf kostenlos.

Mittlerweile beschäftige ich mich mehr mit Erneuerbaren Energien, ich absolviere nebenbei eine Ausbildung zur ‘Fachkraft für Solartechnik’ an der Handwerkskammer in München. Kein Wunder, dass es hier in der Kolumne um die Strompreise geht.

Wer etwas erreichen will, die „Öffentlichkeit“ aufwecken und sensibilisieren möchte, muss an die Großen ran. Das dachte sich Ende des vergangenen Jahres auch die Deutsche Umwelthilfe (DUW) und verklagte die beiden großmäuligen Elektronikmärkte Media Markt und Saturn. Der Grund: Die beiden Märkte holen Titel und finden Geiz noch immer geil, doch zeigen sie keinerlei Titelambitionen in der vorgeschriebenen Kennzeichnung des Energieverbrauchs der angepriesenen Elektronikspielzeuge.

Schon Mitte Mai des vergangenen Jahres arbeitete der Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) in einer Studie heraus, dass in privaten Haushalten der Stromverbrauchsanteil der Geräte für Informationen und Kommunikation immer schneller wächst. Die Geräte benötigen zwar individuell immer weniger Strom, doch in der Summe saugen die Rechner, Monitore, Drucker, Hubs, Router, Anrufbeantworter dann doch eine Menge.

Wie so oft steckt der Teufel im Detail: Viele Geräte ziehen Ihnen im Standby-Modus das Geld aus der Tasche. Mein WLAN-Router ist beispielsweise 24 Stunden pro Tag angeschaltet. Geht ja auch nicht anders, schließlich telefoniere ich auch damit. Das Teil leistet durchschnittlich 9 Watt, also pro Tag 0,2 KWh. Das hört sich nach nicht sehr viel an, denn eine KWh kostet um die 17 Cent. Doch bei einem Dauerbetrieb über ein Jahr benötigt der WLAN-Router schon 73 KWh, das sind schon fast 13 Euro. Zugegeben, da gehen Sie einmal nicht zum Italiener und haben die Kosten wieder raus.

Doch sollten Sie die kleinen und großen Stromfresser nicht unterschätzen: Ein PC benötigt 200-300 Watt, der Monitor 150 Watt, Drucker 20 Watt, mitunter im Standby-Modus sogar mehr. Mit der Minimalausstattung und einem WLAN-Router und dem Telefon sind Sie dann schon bei einer Leistung von ca. 450 Watt. Bei durchschnittlich acht Stunden pro Tag Betrieb kommen Sie da schon auf fast 4 KWh, im Jahr bei 250 Tagen auf 1000 KWh. Das sind immerhin 170 Euro an Stromkosten.

Auch das mag Sie noch nicht einschüchtern. Doch wird der Strompreis sicherlich nicht günstiger werden, sondern im Gegenteil zunehmend weiter in astronomische Höhen schießen.

Serverfarmen mästen Energieschweine

Selbst im traditionellen Energieschweineland Amerika wird Energiesparen zunehmend zum Thema: Vor kurzem warnte der Google-Ingenieur Luiz André Barroso vor explodierenden Stromkosten. Während sich die Leistung der Google-Serverfarmen im Laufe der vergangenen drei Generationen verdoppelt habe, sei im gleichen Zeitraum die Leistung pro Watt nahezu unverändert geblieben. Die Rechner verbrauchen eben immer noch mindestens genauso viel Strom wie schon in x86-Zeiten.

Bei Google kommen die Stromkosten inzwischen gleich hinter der Kostenstelle Mitarbeiter. In seinem kleinen Rechenbeispiel rechnet Barroso übrigens mit einem KWh-Preis von 20 US-Cent. Wer hätte gedacht, dass die Amis mal genauso viel pro KWh zahlen wie wir. Der Betrieb von Servern, die 24 Stunden im Betrieb sein müssen, wird zunehmend teurer. Da lohnt es sich bei Neuanschaffungen schon jetzt auf Leistungseffizienz zu achten.

SUN bietet inzwischen Server an, die erheblich weniger Strom fressen. Da rechnen sich die Mehrkosten dafür schon nach wenigen Monaten. Im Privathaushalt sollten Sie nach den versteckten Stromfressern fahnden. Benötigt der Fernseher wirklich 5 Watt, um den Standby-Modus mit einem roten Lämpchen anzuzeigen? Lässt sich Ihre WLAN-VOIP-Lösung in einen energiesparenden Nachtmodus schalten? Die Argumente der Umweltschützer sind ehrenrührig: Rettet die Umwelt, wir müssen die Kioto-Anforderungen einhalten. Und auch ich möchte nicht, dass wir die Atomkraftwerke nun doch länger laufen lassen oder zurück in die alten Kohlezeiten fallen.

Doch letztendlich interessieren die Fakten: Wie können wir Strom und damit Kosten sparen? Bei Kühlschränken, Öfen und Waschmaschinen gibt es bereits die Energieklassen. Ein Kühlschrank in der Energieklasse B lässt sich nur noch zum Schleuderpreis verramschen. In der IT-Branche werben manche Unternehmen schon mit „stromsparenden Geräten“. Was soll das sein? Der Handybereich macht es vor: „Das Handy hält im Standby-Modus etwa 17 Tage“. Das ist doch mal eine Aussage. Wie wäre es mit „Dieser Rechner verbraucht mit 300 Watt in einem Jahr bei 24 Stunden Betrieb 2628 KWh, das sind etwa 446 Euro an Stromkosten.“ Nur zum Vergleich: Unser Kühlschrank zieht pro Jahr schlappe 195 KWh.

Wenn die Elektronikmärkte erst einmal die stromfressenden Plasmas losgeworden sind und sich die Kunden wieder auf Qualität besinnen, dann heißt es vielleicht in ein paar Jahren auch dort: „Wir holen den Titel – der leiseste und stromsparendste Rechner der Welt.“

Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Google versucht den Geist des Guten mit aller Macht weiterleben zu lassen. Ein weiteres Google-Stück. Damals verteidigte ich Google noch vehement. Nun sehe ich das viel kritischer und versuche, Google-frei zu werden.

Mich interessiert schon seit einer Weile, wann eine Meinung von einem Extrem ins andere kippt: Stellen Sie sich vor, jemand eröffnet in Ihrer Gegend ein modernes Kaffeehaus mit Selbstbedienung Kaffee in Pappbechern. Die schwarze Brühe schmeckt gar nicht schlecht und Sie gehen gerne hin, der Laden ist immer voll. Der Inhaber expandiert, eröffnet weitere Kaffeehäuser, die ebenfalls gut gefüllt sind.

Eines Tages wollen Sie sich mit einem Freund im Kaffeehaus treffen, aber der Freund will woanders hin: Nein, zu denen dürfen wir nicht gehen, denn die sind böse. Wie konnte das passieren? Wann kippt eine öffentliche Meinung von Weiß auf Schwarz, von Gut auf Böse? Diesem Thema ist seit einer Weile auch Google ausgesetzt.

Um die Jahrtausendwende und ein paar Jahre danach war allen klar, dass die Gründer von Google wirklich nur gutes im Sinne haben. Ich kann mich noch erinnern, wie mir Ende 1999 Sergey Brin fast gebetsmühlenartig versicherte, dass Google wirklich nur eine Suchmaschine sein will, nichts anderes, auch kein Portal. Wer sich erst einmal einen guten Ruf erarbeitet hat, kann davon eine Weile gut leben.

Wenn ein Gründer sagt, ihm sei alles schnuppe, Hauptsache die Technologie ist immer so weit vorne, dass die Konkurrenten hinterherhinken, dann kommt das im Web an. Das „kleine Google“ in Mitten des Haifischbeckens, in dem Microsoft, AOL und mittlerweile auch Yahoo – immerhin der Liebling der Massen vor der Googlelisierung – schwammen, musste geschützt und durfte gefeiert werden.

Als vor ein paar Jahren eine Bekannte auf mein verwaschenes Google-T-Shirt zeigte, so angewidert guckte als hätte sie eine Spinne gesehen und dann auch noch fragte, ob ich verrückt sei, da markierte ich mir das in meinem Notizbuch. Stichwort: Kippt Google? Meine Bekannte surft nicht groß im Web herum, schon gar nicht in slashdot oder anderen Meinungsforen. Trotzdem hatte sie gehört, dass Google mit Cookies Daten sammelt. Sie sagte, Google sei böse. Ich verteidigte damals Google: Vielleicht sammeln die Daten, aber bestimmt benutzen sie die Daten nicht. Google ist gut.

Google ist noch immer gut – zumindest besser als die Konkurrenten. Aber Google hat ein Problem: den eigenen hohen Standard. Niemand regt sich so richtig auf, wenn AOL, Microsoft oder Yahoo Daten sammeln. Was will man schon erwarten, das sind gesichtslose Unternehmen, die Geld machen wollen. Das sollen sie auch. Aber Google doch nicht. Google macht alles nur, um den Surfern im Web zu gefallen. Oder vielleicht doch nicht? Seit einer Weile versucht das US-Justizministerium die Suchmaschinen dazu zu zwingen, Daten über einschlägige Porno-Seiten im Web herauszurücken. Google weigert sich standhaft. Yahoo, MSN und AOL beugten sich dem Willen. Kein Aufschrei, weil Google standhaft bleibt, der Rest ist uninteressant, weil gewohnt. Doch wenn Google in China kuscht, eine informationskastrierte Suchmaschine anbietet, mal eben angeblich 33 Millionen Seiten zum Thema „Tibet“ aus dem Suchindex rauskippt, dann ist es unwichtig, dass die Konkurrenten es genauso machen.

Google hatte die Wahl: Entweder Seiten aus dem Index löschen und in China vertreten sein oder den riesigen Wachstumsmarkt den Konkurrenten zu überlassen. Im Jahre 2005 lag China mit 28 Millionen Breitbandnutzern noch hinter den USA (42 Mio.), doch bei einem geschätzten Wachstum von 90 Prozent wird es in China Ende des Jahres mehr Breitbandsurfer als in den USA geben. Daraus ergeben sich gleich mehrere Erkenntnisse: Das Internet wird China wohl doch nicht so schnell zur Demokratisierung verhelfen, weil nach den Regeln der chinesischen Regierung gespielt wird. Aber auch das: Google ist halt doch nur ein „normales“ Unternehmen, dass als börsennotiertes Unternehmen kein egoistisches Gründerzicken vertragen kann und auch an die Aktieneigner denken muss.

Ist Google deswegen wirklich „böse“? Ich denke nicht. Wann wird ein Unternehmen als „böse“ oder zumindest nicht mehr als „gut“ wahrgenommen? Meine Theorie zum Kaffeehaus: Die Wahrnehmung kippt, sobald die Eigner, die das Geschäft prägen, nicht mehr an der Theke stehen, sondern nur noch eine Armada von Angestellten die Arbeit austauschbar als „Job“ ansehen und sich nicht mehr mit dem ursprünglichen Geist des Kaffeehauses identifizieren. Bei Google sollten Larry und Sergey die Theke mit aller Gewalt verteidigen, denn das Web vergisst sehr schnell seine Lieblinge von gestern. Oder wer waren noch mal Hotbot und Altavista?

Spammer, die kann man einfach nicht richtig fassen. AOL und Yahoo wollen Spammer zur Kasse bitten – und gleichzeitig mitverdienen. Doch für Spammer ist das nur ein Sturm im Wasserglas und bleibt auch so.

Es gab Zeiten, in denen ich es hasste, E-Mails von meinen Freunden zu bekommen. Das muss so 1994 oder 1995 gewesen sein: Damals konnte man über CompuServe auch E-Mails aus dem Internet erhalten. Bei CompuServe mussten allerdings nicht die Versender, sondern die Empfänger bezahlen. Begründet wurde die E-Mail-Empfangsgebühr damals so: Wir öffnen die Tore zum Internet, die zwei Welten wachsen zusammen, das Internet wird sowieso eines Tages nur noch CompuServe heißen und Qualität hat eben seinen Preis. Also zahlt gefälligst, wenn Ihr E-Mails aus dem Internet bekommen wollt.

Im Nachhinein glaube ich, dass CompuServe die Mitglieder nur mehr oder weniger sensibel abschrecken wollte, bloß nicht zu viele E-Mails aus dem Internet erhalten zu wollen. Vielleicht wusste CompuServe aber auch schon damals, dass es technisch und logistisch unmöglich ist, die Versender mit einer Gebühr zu belasten. Da stellt man doch lieber eine Zollschranke kurz vor dem E-Mail-Postfach des Empfängers auf. Vor gut zehn Jahren verschickten wir wichtige E-Mails nur mit gleichzeitiger Telefonkonferenz: „Kommt die E-Mail durch? Nein, noch nicht, probier es doch noch einmal.“ Das war ein Paradies für notorische Verdrängungskünstler und Verspätete: Wie, Du hast meine E-Mail noch nicht bekommen? Aber die habe ich doch schon vor ein paar Tagen geschickt, muss verloren gegangen sein.Heutzutage kann man das nicht mehr bringen.

Doch die Notlügen leben weiter, nur ausgefeilter und verdammt glaubhaft. Der Klassiker: „Sorry, Deine E-Mail muss automatisch in meinen Spam-Filter geraten sein, habe sie erst jetzt gelesen – und Du kannst froh sein, dass ich sie überhaupt noch gefunden habe.“ Solche Argumente sind derzeit sozial akzeptabel, denn Spam ist böse, jeder ärgert sich darüber und keiner mag sich auch noch durch die schon aussortierten Spam-E-Mails im Spam-Ordner wühlen.

Das Thema begleitet uns seit vielen Jahren, doch selbst Bill Gates beißt sich die Zähne daran aus: Anfang 2004 prophezeite Gates, dass Spam 24 Monate später kein Thema mehr sei. Nun stellen sich AOL und Yahoo in den Ring, doch anstatt die Spammer mit einem gepflegten KO nach Hause zu schicken, treiben sie die Spammer nur in die Ecke und verlangen eine Art Schutzgebühr für die Mitglieder. Und das funktioniert so: Für jede Spamattacke auf AOL-Mitglieder sollen die Spammer pro geschickter E-Mail eine Gebühr an AOL bezahlen. AOL schiebt dafür die E-Mail am Spam-Filter vorbei und die AOL-Mitglieder bekommen die „zertifzierten Werbe-Emails“, ganz kostenlos. Ist das nicht ein wunderbarer Service, den AOL da für seine Mitglieder anbietet? Spammer, die nicht zahlen wollen, werden weiterhin mehr oder weniger zuverlässig gefiltert, doch wer dafür zahlt, darf weiter spammen. Lediglich AOL kommt hier als Gewinner aus dem Ring, zu den Verlierern zählen nicht nur Spammer, sondern auch AOL-Mitglieder und Versender von „guten“ Massen-Emails, die dann entweder im Spam-Filter hängen bleiben oder es sich nicht leisten können, für den E-Mail-Versand an AOL-Mitglieder zu zahlen.

Kein Wunder, dass sich im Web verschiedene Koalitionen gefunden haben, die die „Email-Mautgebühr“ von AOL als einen Angriff auf die E-Mailfreiheit im Internet ansehen.Aber jetzt mal piano. AOL und Yahoo haben nicht mehr die Bedeutung wie von vor zehn Jahren. Damals hätten solche Maßnahmen vielleicht gegriffen, doch die Spam-Mautgebühr wird im Jahre 2006 sicherlich kaum Spammer stoppen, sondern bringen halt ein paar zusätzliche Dollars in die Kassen – warum eigentlich nicht in meine? Meine Aufmerksamkeit kostet Geld, sicherlich mehr als ein Viertel Cent pro Email. Wer mir Spam-Emails schicken will, bekommt dafür mehrere E-Mailadressen, an die sowieso nur noch Spam geht. Die Mautgebühr dafür kann dann meinetwegen in Skype-Guthaben umgewandelt werden.

Was wäre eigentlich, wenn wie vor zehn Jahren bei CompuServe der Empfang von E-Mails Geld kosten würde, so 0,5 Cent pro Email? Niemand zahlt gern, schon gar nicht für Spam, der öffentliche Druck auf Spammer wäre enorm. Gleichzeitig würden wir nur noch E-Mails mit bekannten Absendern durchlassen und uns sehr schnell neue Mechanismen einfallen lassen, um nicht so viel für eingegangene Emails zu zahlen.

Zugegeben, eine solche Lösung bräuchte kreative Durchdringung und technisch ist es utopisch, doch üben Sie doch schon einmal Heute für den Ernstfall: Je weniger Emails Sie bekommen, umso weniger müssen Sie auch beantworten. Und je weniger unnötige Emails Sie verschicken, umso weniger Zeit kostet es Ihre Empfänger.

Die Medien wachsen zusammen, künftig kommt alles nur noch aus einem Kabel. Aber wer zahlt eigentlich den Netzausbau? Ja wer wohl? Erst die anderen, dann aber sicherlich wir!

Erinnern Sie sich noch an die Fußball-Europameisterschaften, die im Jahre 2000 in den Niederlanden und Belgien stattfanden? Wahrscheinlich haben Sie es inzwischen erfolgreich verdrängt und Ihnen steigen höchstens Bilder von gescheiterten Fußballspielern und dem zerknirscht grinsenden Trainer Erich Ribbeck in den Kopf. Ich habe die EM damals nicht im Fernsehen, sondern komplett im Radio verfolgt – und zwar in San Francisco per Webstream.

Das war vor sechs Jahren durchaus eine spannende Angelegenheit: Meine DSL-Leitung war frisch gelegt, die Flatrate kostete ein Heidengeld, aber ich empfand ein triumphales Gefühl als ich mich in den Radiostream von Bayern 1 einklinkte. Ich kann mich noch erinnern, dass es hin und wieder zu Ausfällen im Webstream kam, doch das störte mich nicht, denn meine Erwartungen an Webstreams waren noch nicht so hoch wie sie es jetzt sind.

Es muss das Spiel Deutschland gegen England gewesen sein, an das ich mich selbst sechs Jahre später noch erinnere. Das liegt sicherlich nicht am Spielverlauf oder am Ergebnis, sondern am privaten Halbzeitgespräch der Moderatoren: Die erste Halbzeit wurde abgepfiffen, die Radiozuhörer in Deutschland mit Musik oder den Nachrichten beschallt, doch der Webstream lief einfach weiter: „Deisler, immer wieder Deisler, ich weiß echt nicht, was Du an dem Jungen findest“. Die Moderatoren redeten einfach munter drauf los, tauschten private Geschichten aus und nach vielleicht zehn Minuten sagte der eine Moderator zum anderen: „Du, ich glaube, die haben den Webstream nicht abgeschaltet.“ Die Antwort: „Naja, nicht so schlimm, hört doch sowieso niemand über das Internet zu!“

Wie schnell sich doch die Zeiten und Medienkonsumgewohnheit ändern: Inzwischen empfange ich selbst lokale Radiosender per Webstream, höre täglich meine Radio-Podcasts aus Amerika, Kanada und Australien ab und wenn ich mal wieder vergessen habe, für meine Frau die Lindenstraße mit dem Festplattenrekorder aufzunehmen, dann schauen wir uns halt die aktuelle Folge der Lindenstraße einen Tag später per Webstream an. Seit kurzem gebe ich ohne schlechtes Gewissen nur noch die Telefonnummer meines VoIP-Anschlusses von Sipgate an. Die Sprachqualität ist über meine Fritzbox sehr gut und auch mit Headset über meinen Rechner akzeptabel.

Mit immer höheren Bandbreiten und Zugangsgeschwindigkeit muss man kein großer Visionär sein, um vorauszusagen, dass wir demnächst das Internet, Radio, TV und Filme aus einem Kabel bekommen werden. Und wenn selbst die GEZ ab dem nächsten Jahr Gebühren für PCs mit Fernsehkarte oder Internetzugang verlangen will, dann zeigt das nur, dass es hier um viel Geld geht. In den USA ist die Breitbandpenetration zwar nicht so hoch wie in Deutschland, doch seit einer Weile schwappen aus den USA immer wieder Debatten zur Netzneutralität herüber. Verkürzt geht es dabei um die Frage, wem das Internet gehört, wer es kontrolliert und wer letztendlich für die Ausweitung der Netze zahlt. Das Internet besteht natürlich aus vielen Netzen und niemand gehört das gesamte Internet. Doch stört es die großen Kabel- und Telefongesellschaften, denen große Teile des Netzes gehören, dass sie nicht davon profitieren, wenn sie Datenpakete transportieren, die zusammengesetzt Filme, Telefongespräche oder Musikstreams ergeben.

Wenn sich Benutzer künftig nur noch netzneutral über Skype oder andere SIP-Telefone unterhalten, dann haben die Telefongesellschaften ein Problem. Daher wird in den USA momentan heftig darüber diskutiert, ob nicht auch die „Contentprovider“ wie eBay oder Google mehr zahlen sollten. Die Argumentation: Schließlich verursachen sie mit ihren Datenpaketen den Stau auf der Datenautobahn und sollten dementsprechend auch den weiteren Ausbau des Netzes mittragen. Kippt die Netzneutralität in den USA, dann würden die Datenpakete des Netzbetreibers mit höherer Priorität transportiert werden als die Datenpakete des Konkurrenten, die vielleicht sogar für den angefallenen Datenverkehr durch das jeweilige Netz zahlen müssten.

Die Kabelbetreiber hoffen, dass sie auf diese Weise die Investitionen für die neuen Netze zurückbekommen und das ist auch legitim. Schließlich erfordern die Anforderungen von Morgen erheblich mehr Bandbreite und vor allem ein „Quality of Service“. Das Internet wurde von seinen Entwicklern nie als zuverlässiges Multimediamedium konzipiert, wenngleich es ja entsprechende Protokolle gibt, mit denen eine Priorisierung der Datenpakete möglich wäre.

Die E-Mail kann auch ein paar Sekunden länger im Netz herumschwirren, doch das IP-Telefongespräch verträgt keine Latenzen von über 100 Millisekunden. Mein Tipp für die Fußball-WM 2010 in Südafrika: Wir werden endlich Weltmeister, alle Spiele werden über ein separates, werbefinanziertes Highspeed-Netz gesendet und wer das nicht mag oder nicht finanzieren will, klinkt sich in den chinesischen Piratenstream der Spiele über das weiterhin netzneutrale Internet ein.

Hier kommt mir der Gedanke des Web 0.8 zum ersten Mal und wiederum aus Australien, das uns bald für eine längere Zeit anziehen sollte.

Im australischen Busch ist das Web scheinbar erst vor kurzer Zeit angekommen – zumindest bei meiner Schwiegermutter, die etwa sieben Stunden westlich von Sydney in „Wagga Wagga“ lebt. Die Telefonnummer ihres „IT-Man“ steht ganz oben auf der Schnellwahlliste, doch beschränkt sich dieser nur darauf, der in Computerfragen recht hilflosen Frau möglichst viel Geld aus der Tasche zu ziehen. Ab und zu bekomme ich mit, welchen Schwachsinn der IT-Man verzapft: Das Outlook Express-Adressbuch ist plötzlich verschwunden, muss wohl am DSL-Provider liegen, kann aber auch wegen der letzten Virenprüfung verschwunden sein. Ich habe schon öfter versucht, meiner Schwiegermutter per telefonischer Ferndiagnose zu helfen, doch scheiterte das immer an der unterschiedlichen Sprachversion, meinem Unverständnis, den exakten Menüeintrag zu benennen, am puren Unverständnis meiner Schwiegermutter oder an der verbrauchten Batterie meines Telefonhörers. In solchen Situationen erinnere ich mich gerne an Lösungen aus dem letzten Jahrtausend und wundere mich, ob die noch verfügbar sind.

Im Jahre 2000 hatte ich doch schon einmal eine Online-Fernwartungssoftware ausprobiert, diese dann wieder verworfen und vergessen, weil es nicht funktionierte, zu langsam oder unsicher war. Und tatsächlich, GoToMyPC gibt es noch, sogar in einer aktuellen Version. Einen Tag später habe ich dann mit meiner Schwiegermutter innerhalb von zwei Stunden GoToMyPC auf Ihrem Rechner zum Laufen bekommen und schaffte es sogar, von München aus ihren Rechner mit passabler Geschwindigkeit fernzusteuern. Wir haben das Adressbuch wiedergefunden, es eingebunden und ich habe für sie gleich mal alle Sicherheitsupdates der letzten Jahre heruntergeladen und installiert.

Na also, hat doch nur gute fünf Jahre gedauert, bis eine solche technische Lösung tatsächlich vernünftig einsetzbar ist – mal abgesehen von den weiter bestehenden Sicherheitsbedenken, die ich meiner Schwiegermutter vorsorglich verschwiegen habe.

Was lange währt, wird endlich gut?

Viele Ideen, Konzepte und Versuche der letzten Jahre sind anscheinend mittlerweile vergessen, denn ansonsten würden wir nicht zunehmend Lobeshymnen und Zukunftstheorien über das „Web 2.0“ hören. Ganz ehrlich, ich kann es schon jetzt nicht mehr hören, das Thema ist schon jetzt ausgelutscht und platt getreten von den „Staunern“, die den Aufstieg und Fall von DotCom nicht hautnah miterlebt haben und dementsprechender kritische auf derartige Hypeansagen reagieren. Denn dann hätten sie schnell gemerkt, dass die neuen Anwendungen des Web 2.0 letztendlich nur Weiterentwicklungen von bestehenden Beta-Anwendungen sind.

Alter Wein in neuen Schläuchen

Das war schon clever vom Tim O´Reilly, im Frühjahr 2004 den Begriff „Web 2.0“ ins Rennen zu werfen. Schließlich lassen sich damit viele Veranstaltungen organisieren und Bücher verkaufen. Letztendlich sollen die neuen Web 2.0-Anwendungen mehr „Community“ und „Interaktivität“ bringen, den Geist aus dem Jahre 1996 erwecken: „Wir sind das Netz.“ Erinnern Sie sich noch?

Die Ideen sind tatsächlich aus dem Jahre 1996 oder noch älter, wenn ich mal kurz an den „Network Computer“ von Oracle erinnern darf, der Mitte der 90er dem PC Konkurrenz machen sollte. „Das Netz ist der Computer“, sagte damals Larry Ellison. Es stimmt schon, neue Technologien wie Ruby on Rails oder Ajax schaffen eine verbesserte Interaktion, doch keine der bisherigen Web 2.0 hat bisher mein Leben nachhaltig verändert. Ich habe mich in den letzten Monaten bei vielen Web 2.0-Startups eingeschrieben, um mir die Lösungen im Beta-Stadium anzuschauen. In der Regel spiele ich ein wenig damit herum, schiebe die Webadresse in meine Bookmarkliste und besuche die Site nie wieder.

Jedes zweite Startup präsentiert sich schon allein vom Layout her als potenzielles Yahoo- oder Google-Aufkaufobjekt. Letztendlich geht es nur darum, wer von den beiden Unternehmen als erstes mit einem Network-Computer auf den Markt kommt.Für mich sind die bisherigen Web 2.0-Paradanwendungen wie Flickr oder del-icio.us oder Googlemail nur Weiterentwicklungen im 0.8-Betastadium. Auch Wikipedia, das ebenfalls gerne im Zusammenhang mit Web 2.0 genannt wird, hätte genauso gut aus den „DotCom-Zeiten“ stammen können.

Es ist ja prima, dass die Anwendungen und Lösungen interaktiver und visuell intuitiver werden, aber die neuen nützlichen Anwendungen mit dem „Wow-Effekt“ habe ich bisher noch nicht gefunden. Falls Sie daran arbeiten, dann lassen Sie es mich doch bitte wissen – ganz „old school“ per Email.

Google ist noch immer der unangefochtene Champ im Suchmaschinengeschäft. Also hat es Yahoo und eBay wohl doch nicht geschafft. Ganz am Ende schreibe ich über etwas, das später als iphone oder ipad verkauft wurde…

Seit über zwei Monaten suche ich in Google erfolglos nach einer bestimmten URL. Ich hatte mich platt klopfen lassen und für meine Frau eine kleine Website gebastelt. Vollmundig erklärte ich ihr, dass sie schon bald ganz oben auf der Trefferliste in Google stehen würde, denn die Website meiner Frau spielt in einem weniger umkämpften Interessensgebiet im Web. So dachte ich mir das jedenfalls, versah die Seiten vorsorglich mit guten Keywords, meldete die Website brav bei Google und den entsprechenden Fachverzeichnissen an. Schließlich sollte Google sofort merken, dass es sich hier um eine wirklich interessante, relevante Website handelt. Doch nichts. Google meldet regelmäßig, dass es zur gewünschten URL keine Informationen findet.

Noch nehme ich es nicht persönlich. Kürzlich erzählte ich meine Suchmaschinenerlebnisse meinem Büronachbar, der mir eine völlig neue Welt eröffnete: „Vielleicht solltest Du Dich nicht so exklusiv auf Google versteifen, sondern die Website auch mal bei anderen Suchmaschinen anmelden,“ sagte er. Ja, aber gibt es überhaupt noch andere Suchmaschinen? Wenn ich etwas suchen will, dann tippen meine Finger automatisch und meistens ohne Tippfehler „google.com“.

Wer benutzt denn noch etwas anderes?

Google hat doch bestimmt einen Marktanteil von 80-90 Prozent, wenn sogar meine Eltern mit Google suchen. Oder etwa nicht? Bei Nielsen Netratings sitzt Google auf einem Marktanteil von 49 Prozent, gefolgt von Yahoo, das immerhin noch auf 22,5 Prozent kommt. Schon etwas weiter dahinter: MSN mit 10 Prozent.Also wollte ich die Website meiner Frau bei Yahoo anmelden, doch Yahoo hatte die Website schon längst aufgenommen. Die Website wird immerhin an dritter Stelle unserer gewünschten Suchwortkombination eingereiht.

Das machte Appetit auf mehr und ich suchte eine Woche lang nicht nur in Google, sondern zusätzlich in den beiden Paralleluniversen Yahoo und Live.com. Oft hatte Google die Nase vorn, doch in einigen Fällen fand ich auch in Yahoo für mich relevantere Ergebnisse. Live.com fiel dagegen leicht ab; vor allem, weil es auffallend langsamer war, doch wir sollten Microsoft niemals abschreiben. Probieren Sie aber mal A9.com von Amazon, das ebenfalls die Microsoft-Suchtechnologie einsetzt. Meine Erkenntnis: Wer nur in Google sucht, findet vielleicht nur die halbe Wahrheit.

Web 2.0 mit eigener Suchtechnologie?

Wisenut und Teoma, mein Geheimtipps aus früheren Jahren, haben wohl kaum noch Chancen. Wenngleich Teoma nun von Ask.com betrieben wird und zusammen mit Bloglines eine viel versprechende Blog-Suchmaschinenalternative darstellt, dümpelt Wisenut weiterhin ziemlich unbeachtet herum. Mehr Beachtung finden momentan die Suchmaschinen snap.com und clusty.com. Snap ist eine der ersten AJAX-Suchmaschinen und hat nichts mit dem ehemaligen Suchportal von Cnet zu tun und Clusty.com versucht die Suchergebnisse aus verschiedenen Suchmaschinen intelligent in Cluster aufzuteilen.

Theoretisch macht Inhaltsclustering ja auch Sinn, aber bisher hat das noch keine Suchmaschine wirklich sinnvoll umsetzen können. Neulinge haben allein durch die nötigen technischen Voraussetzungen an Speicherkapazitäten und Bandbreite kaum noch eine Chance, um gegen das Dreigestirn Google, Yahoo und Microsoft anzukommen.

Von Google haben wir in den letzten Monaten viel über Gmail, Gmail-Kalender, Google-Video und Google-Maps gelesen, doch 80 Prozent der Google-Besucher wollen laut Hitwise einfach nur suchen. Gerade der Schulterschluss von Yahoo und eBay, die neben den eigenen und zusammengekauften Technologien wie PayPal, Skype, Flickr auch gleich mehrere Einkaufszentren zusammenlegen könnten, werden Google und natürlich auch Microsoft ganz schön Dampf machen.

Vielleicht sehen wir in Zukunft sogar eine Zuspitzung des Kampfes der Giganten. Google könnte Amazon.com schlucken oder sich mit AOL oder gar Microsoft verbünden. Warum eigentlich nicht? Microsoft hätte endlich eine vernünftige Suchmaschine, ein paar weitere viel versprechende Technologien und Google die geölte Marketingmaschine von Microsoft. Da fällt mir ein: Vielleicht sollte Google eher Apple kaufen. Dann könnte Apple iPods mit WLAN und „Google inside“ anbieten. Dazu noch eine Bluetooth-Verbindung zur Tastatur und ein Kabel zum Monitor und fertig wäre mein favorisierter Mini-Network-Computer.

Bilder, Videos und andere Dokumente mit hohen Datenmengen lassen sich zunehmend schwer per E-Mail verschicken. Gefragt sind intelligente Speicher- und Verteilungstechnologien. Dropbox und co. gab es damals noch nicht!

Fachfremde und vor allem Journalisten sind in Handwerkerkreisen nicht besonders beliebt – vor allem, wenn sich so ein Journalist in einen Ausbildungskurs einschleicht, für den er eigentlich nicht die richtigen Vorqualifikationen hat. Aber nun sitze ich schon seit einigen Monaten in diesem Kurs, der mir viele Abende raubt, die Wochenenden zerklüftet und mir gleichzeitig viele Lektionen in Demut gibt. Meine kleine Welt und bisherigen beruflichen Erfahrungen und Erkenntnisse sind dort nichts wert.

Von Anfang an hielt ich mich äußerst zurück, um mich ja nicht gleich als dummen Schwätzer zu enttarnen. Wahrscheinlich kennen Sie das auch: Solche Kurse bekommen schnell eine vorhersehbare Eigendynamik. Zwei bis drei Teilnehmer sind aktiv dabei, stellen Fragen. Ein weiterer kommt immer zu spät, einer kapiert gar nichts, der Rest versucht dran zu bleiben und es gibt auch immer einen Kümmerer, der mit einer Narrenbimmel versehen zum Fiffi des Dozenten wird.

Ich ahnte übles und hörte schon die mächtigen Glocken des Kölner Doms als mich eines Abends der Dozent zur Seite nahm und mich fragte, ob ich für ihn eine PowerPoint-Datei für alle anderen Teilnehmer online stellen könnte. Nun besteht der Kurs aus 26 Teilnehmern, die nur rudimentäres Wissen zum Thema Internet haben. „Du kannst doch Deine Bilder von deinem auseinander gebauten Polo auf Flickr veröffentlichen,“ riet ich beispielsweise meinem Mitsitzer.

Der Mann ist Meister in seinem Beruf, Flickr kannte er nicht, muss er auch nicht. Schon allein der Name war ihm von Anfang an suspekt, Ende der Unterhaltung, geteiltes Schweigen aus zwei Welten. Wie verteilt man eine 75MB große PowerPoint-Datei an Leute, die ab und zu mal abends online gehen, manchmal auch nur an Wochenenden?

Das Problem stellt sich mir schon seit einer Weile, denn selbst meine Auftraggeber aus dem IT-Bereich lassen mitunter nur 5MB große Emailanhänge durch. Bei Bildern mit hohen Auflösungen oder komplexen Powerpoint-Präsentationen über 10MB stößt man da schnell an Grenzen. Wie verschicke ich eine 15MB große Datei an ein E-Mailpostfach, das zwar mehrere Gigabytes speichern kann, aber nur 5 MB-Pakete rein lässt?

Die einfachste Variante: Schnell alles auf einen Server stellen und die Webadresse per Google Groups-Liste verteilen. Das erschien mir aber zu umständlich und so entschied ich mich, die Dateien auf einen der 1-Click-Hoster hochzuladen. Das läuft alles sehr schnell und anonym: Sie klicken auf „Hochladen“, wählen die Datei, die dann ins Datennirwana geschickt wird. Dann bekommen Sie eine recht kryptische URL, über die Sie wieder an die Datei kommen.Erstes Feedback der Teilnehmer und des Dozenten: Die Website des 1-Click-Hosters sieht aus wie eine illegale Filesharing-Site aus Russland, es gab Probleme mit der Bedienung und außerdem werden die Dateien nur eine Woche dort gehalten. Auch das Aufladen der Dateien war recht umständlich, weil jede Datei einzeln aufgeladen werden musste.

Die Zeiten haben sich geändert: Inzwischen brauchen nicht nur illegale Datentauscher viel Speicherplatz im Netz, sondern auch ganz harmlose Surfer, die einfach nur das Video von der Oma oder einige Bilder in höchster Auflösung verschicken wollen. Selbst mit einem Premiumkonto kommen Sie mit dem Flickr-Upload nicht weit und auch bei YouTube dürfen die Videos nicht größer als 100 MB sein. Wer nicht in der Lage ist, die Videos zu komprimieren, kommt auch hier nicht weit. Für den Austausch von Bildern empfehle ich allyoucanupload.com, das den Upload von Bildern in unbegrenzt hoher Datengröße bietet.

Da Bittorrent es immer noch nicht so richtig in den Mainstream geschafft hat, arbeiten derzeit einige Startups daran, die Bittorrent-Technologie zu nutzen, um eine Art Filesharing per Email anzubieten. Der Versender verschickt die Datei oder den Ordner über die proprietäre Software, der Empfänger bekommt eine Email mit einem kurzen Anhang, den er mit der Software öffnen kann und der Rest wird vom Server heruntergeladen. Das gab es schon einmal vor einigen Jahren, aber jetzt ist die Zeit für eine solche Technologie gekommen – wenn sie kinderleicht bedienbar ist.

Mein bisheriger Favorit ist pando.com, obwohl die Software viral vertrieben wird. Spaßbremse: Wer meine über Pando verschickten Dateien öffnen will, braucht ebenfalls Pando. Ein webbasiertes Pando wäre da sinnvoller, denn der erste, wenig repräsentative Feldversuch mit meinen Handwerkskollegen ergab, dass nur die wenigsten die Pando-Software aus dem Netz saugten, ich letztendlich doch alles auf CDs brennen musste und die Narrenbimmel nicht leiser wird.

Das spanische Unternehmen Fon baut auf unser Vertrauen und will aus uns allen „Foneros“ machen: Teilen Sie Ihr WLAN mit anderen Mitgliedern und surfen Sie dafür weltweit über die WLAN-Wolke anderer Foneros. Schade, das ging auch schief. Das Unternehmen gibt es nicht mehr.

Ich bin zunehmend „unerreichbar“: Ich lasse Telefone klingeln, gehe nicht dran, schaue noch nicht einmal auf die Anrufnummer. Oft höre ich meinen Anrufbeantworter nicht ab, weil ich nicht zurückrufen will. In Skype und im Yahoo-Pager bin ich nur noch unsichtbar angemeldet und die E-Mailbenachrichtung per SMS auf mein Handy habe ich auch abgeschaltet. Ich will einfach meine Ruhe und nicht ständig und überall erreichbar sein. Es gibt aber auch noch eine andere Seite an mir: die Seite des Informationsjunkies, der überall und immer online sein muss, alle paar Minuten nach neuen E-Mails guckt; der auch noch abends mit dem Notebook vor dem Fernseher sitzt, um nebenher noch auf recht zerstreuungswürdigen Websites zu surfen.

Ich bin immer auf der Suche nach einem neuen Café, das kostenlosen WLAN-Zugang anbietet, denn meine E-Mails laufen mittlerweile über Gmail und um auf E-Mails zuzugreifen, muss ich eben online sein. Mobiles Telefonieren ist ja inzwischen sehr günstig geworden, doch träume ich noch immer von einer mobilen VOIP-Lösung die funktioniert: Schon vor drei Jahren erkor ich meinen Pocket PC und eine sehr frühe Skype-Beta als geniales Kommunikationsmultifunktionswerkzeug, um damit im Café mit einem Bluetooth-Headset per Skype zu telefonieren. Das klappte natürlich nicht, die Sprachqualität war indiskutabel, das Gerät zu unzuverlässig und die Batterie zu schlapp.

Vor ein paar Monaten probierte ich das WLAN-Handy von Starcom aus, doch auch das konnte mich nicht überzeugen: Die Sprachqualität war mies und die Batterie hielt gerade mal eine Stunde. Ein Kollege schickte kürzlich das Skype-Handy zurück; nicht, weil die Sprachqualität so schlecht war, sondern weil das Handy gerade mal 3 Stunden im Standby hielt. Gerade für Reisen ins Ausland wäre die WLAN-Handy-Alternative sehr hilfreich und erheblich günstiger als teure Roaming-Gebühren.

Ich bin mir sicher, dass die Batterien der WLAN-Handys stärker werden – wie wäre es mit zusätzlichen Solarzellen am Handy für Notrufe – und wir bis Ende des Jahres 2007 wirklich nutzbare Handy sehen werden. Ich bin gespannt, ob wir bis dann auch alle „Foneros“ sind. Das spanische Unternehmen will ein weltweites WLAN-Communitynetz aufspannen, das nach dem alten Hippie-Spruch: „Du gibst was, Du bekommst was – alles ist frei“ funktioniert.

FON verschickte Ende Oktober kostenlos massenweise Router an mitmachwillige Foneros, die zu Hause den Fonera-Router betreiben, und dafür im Gegenzug bei allen anderen Fonero-Hotspots kostenlos surfen dürfen. Der Start von FON verlief schleppend, doch seit der Routeraktion im Oktober knallt das Geschäft, FON verschickte nach eigenen Angaben etwa 10.000 LA Fonera-Router, alles potenzielle Hotspots. Gerade im deutschsprachigen Netz gibt es immer viele Bedenkenträger, die sich natürlich sofort auf technische und rechtliche Schwierigkeiten stürzten. Das können die sicherlich besser und genussvoller als ich, deswegen konzentriere ich mich hier lieber auf das „Big Picture“ – und das ist ganz interessant, denn sowohl Skype als auch Google investieren in das Unternehmen, das sich bewusst international aufstellt.

Setzt sich das Konzept durch, könnte zumindest in größeren Städten innerhalb kürzester Zeit ein übergreifendes WLAN-Netz entstehen, über das man mit einem Skype-Handy telefonieren kann. Durch die Einwahl in den lokalen Fonera-Knoten kann Google die Anzeigen in den Trefferlisten nicht nur nach Suchwort, sondern auch gleich nach lokaler Relevanz filtern. Skype gehört bekanntlich zu eBay und auch eBay hat ein großes Interesse, dass Kunden vielleicht im Offline-Kaufhaus stehen und dort die Espressomaschine noch vor Ort online bei eBay erstehen oder es zumindest aus strategischen Verhandlungsgründen dem Verkäufer drohen. Für Fonera ist es noch ein weiter Weg und Fonera könnte höchstens über die rechtlichen Aspekte der missbräuchlichen Mitbenutzung der selben IP-Adresse stolpern.

Die momentan düpierten ISPs wollen jedenfalls mitverdienen und signalisieren laut FON Bereitschaft zur Mitarbeit. Noch gibt es zum Beispiel in München nur ein Dutzend grüne Punkte auf der Google-Maps-Mashup-Karte von FON. Wie wäre es da mit einer günstigen Low-Tech-Lösung: Ich würde mir jedenfalls einen kratz- und stoßfesten Schlüsselanhänger aus Aluminium mit einer einzigen grünen LED wünschen, die immer aufleuchtet, wenn ich an einem Fonera-Hotspot vorbeilaufe. Für Impulssurfer wie mich wäre das ideal. Dann könnte ich selbst entscheiden, ob ich für eine Weile online erreichbar bin oder einfach weiterlaufe zum nächsten Park, in dem die LED einfach ausgeschaltet bleibt und ich weiter meine Ruhe genießen kann.

Bewertungssysteme gehören schon immer zum Internet. Doch was sind negative Bewertungen wert, wenn sich keiner mehr traut, negativ zu bewerten? Ich knüpfe hier an eine ältere Kolumne an. Es hat sich doch schon einiges geändert.

Unser Paketzustellmann steht auf der Streichliste. Noch zwei weitere Beschwerden und er ist seinen Job los. Jeder kennt und schätzt ihn hier im Viertel, er ist immer gut gelaunt, hilfsbereit und zuverlässig. Wir freuen uns, wenn er klingelt und die Pakete von eBay oder Amazon hochschleppt. Aber trotzdem haben wir uns beschwert. Wir dachten nicht an unseren Paketmann wir bei der Hotline der Deutschen Post anriefen und die unzuverlässige Briefzustellung anmahnten. Freundlich fragten wir, ob es gerade ein Zustellerproblem geben würde und ob vielleicht ein paar Briefe verloren gegangen wären. Wir konnten nicht ahnen, dass die Beschwerde an den Paketzustelldienst ging, die Frau am Servicetelefon notierte, dass wir „stinksauer“ wären und eine „schriftliche Entschuldigung“ und vielleicht sogar Schadenersatz verlangen würden.

Ein paar Tage später klingelt es wieder an der Tür, unser Paketmann fragt, warum wir uns über ihn beschwert hätten und warum wir es ihm nicht persönlich sagen wollten. Erst dann wurde es uns klar, dass unsere negative Bewertung wirklich Ernst genommen wurde – leider vom falschen Adressaten.Dabei gehört unser Paketmann zu unserem täglichen Leben. Schließlich ersteigert meine Frau bei eBay kistenweise Babyklamotten, die im Laden ein Heidengeld kosten würden. Die Sachen sind meistens nur einmal getragen und meistens tipptopp. Nur letzte Woche fischten wir aus einem Paket völlig verrauchte Babysachen heraus, die auch noch nach zwei Waschgängen wie zwölf besoffene Russen auf der Reise nach Wladiwostok stanken.

Wie soll man so etwas bei eBay bewerten, wenn in der Artikelbeschreibung nicht erwähnt wurde, dass die Babyklamotten aus einem Nichtraucherhaushalt kommen? Meine Frau bewertete die Verkäuferin mit einem „Neutral“, lobte den schnellen Versand und schrieb – auch als Hinweis für alle anderen Mitbietenden – dass die Kleidung nicht rauchfrei war. Daraufhin bekam meine Frau folgende E-Mail von der Verkäuferin: “Hier ein solche Bewertung abzugeben finde ich einfach nur dreckig und gemein. Ich halte Sie für total schlecht. Was sind Sie nur für ein Mensch. Pfui Teufel!“

Hätte die Verkäuferin nicht schon vorher ihre positive Bewertung abgegeben, dann wäre das wohl für meine Frau die erste negative Bewertung bei eBay geworden, die 100 Prozent Bewertungspunkte auf 95 Prozent gesunken. Die E-Mail der Verkäuferin zeigte jedenfalls ihre Wirkung bei meiner Frau. Beim nächsten Mal wird sie in einer ähnlichen Situation den Verkäufer entweder positiv oder überhaupt nicht bewerten, nur aus Angst wieder so beschimpft zu werden. Ich bin mir sicher, dass es bei eBay viele solcher Mitglieder gibt, die aus Angst vor Ärger und der Androhung negativer Bewertungen den Handelspartner zähneknirschend positiv bewerten, um dann die Sache so schnell wie möglich zu vergessen.

Doch wenn selbst ein „Neutral“ zu solchen Wutausbrüchen führt, dann stellt sich schnell die Frage, was denn die Bewertungssysteme und vor allem die negativen Bewertungen noch Wert sind, wenn sich keiner mehr traut, schlecht zu bewerten?Natürlich gibt es immer noch Leute, die genügend Zeit und Nerven haben, um bei der kleinsten Ungerechtigkeit gleich auf die Barrikaden zu steigen. Aber die Masse ist sicherlich dickhäutiger und weniger kritisch geworden. Dabei hat die kritische Masse jetzt endlich den Einfluss, den wir uns seit mindestens zehn Jahren erhoffen. Gleichzeitig lassen wir uns aber auch von der Masse einschüchtern. Wer weniger als 98 Prozent positive Bewertungen hat, wird schon als potenzieller Gauner abgestempelt. Der Supermarkt um die Ecke wäre froh, wenn nur 90 Prozent der Käufer so zufrieden wären.

Auch eBay hat inzwischen gemerkt, dass das Bewertungssystem feiner abgestuft werden muss, um dem Verkäufer und Käufer mehr Transparenz zu geben. Im Oktober gab es Probeläufe für zusätzliche Bewertungsfragen, in denen Mitglieder die Kommunikation, die Qualität der Artikelbeschreibung, die Versandgeschwindigkeit die Höhe der angegebenen Versand- und Verpackungskosten bewerten konnten. Dadurch sollen die Bewertungen weniger emotional, sondern sachlicher, greifbarer werden.

In der Praxis könnte die erhöhte Transparenz auch zu mehr Streit führen. Dann müssten wir uns künftig nicht nur für eine neutrale Bewertung rechtfertigen, sondern dem Verkäufer auch noch erklären, warum wir die Versandgeschwindigkeit als mittelschnell bewertet haben. Ein solches Bewertungssystem wird wahrscheinlich nur funktionieren, wenn die Bewertungen von Käufer und Verkäufer erst sichtbar werden, wenn beide die Bewertungen abgegeben haben und sowohl Käufer als Verkäufer mit ehrlichem Feedback umgehen können.

Unser Paketmann hat das schon richtig gemacht. Er hat uns persönlich angesprochen, sich alles angehört und uns verziehen. Jetzt müssen wir ihn nur noch von der Streichliste herunterbekommen.

Die Volksrepublik China hat einiges vor: Mit dem chinesischen Internet der neuen Generation wollen die Chinesen weltweit Technologieführer werden. Und selbst 2014 hat sich IPV6 noch nicht so richtig durchgesetzt.

Westliche Markennamen funktionieren nicht immer im asiatischen Sprachraum. Als vor vielen Jahren Coca Cola den Schritt nach China wagte, konnten zunächst nur wenige Chinesen vom imperalistischen Süßgetränk überzeugt werden. Der Grund lag nicht etwa am Rezept oder an staatlichen Verboten, sondern schlichtweg in der Übersetzung: Der wörtlich übersetzte Markenname klang in chinesischen Ohren etwa wie „das macht Dich noch durstiger“. Deswegen heißt Amazon in China nicht Amazon, sondern „Yoyo“. Dort recherchierte ich vor kurzem nach einem Handy.

Bei Yoyo kostete das gesuchte Handy etwa 1100 Yuan, also umgerechnet etwa 110 Euro. Sie werden sich jetzt fragen, warum ich ausgerechnet in China nach einem Handy suche, oder? Aus purer Schadenfreude: Kürzlich verschenkte ein Kumpel von mir sein Handy nach China. Warum? Er wollte es bei Amazon.de verkaufen, einige Tage später erhielt er eine recht offiziell aussehende E-Mail von Amazon mit dem Hinweis, sein Handy sei verkauft, das Geld bereits überwiesen. Er wunderte sich zwar über das hohe Porto, doch angeblich wurden auch die Portokosten überwiesen. Also verschickte er ein kleines Päckchen nach China und wunderte sich einige Wochen später, warum auf seinem Bankkonto kein Geld angekommen war und überhaupt, warum das Handy noch immer bei Amazon gelistet war.

Die 110 Euro wirken auf den ersten Blick recht günstig für ein Top-Handy, doch liegt der durchschnittliche Monatslohn in China bei etwa 55 Euro. Wer bei einem ausländischen Arbeitgeber angestellt ist, kann mit durchschnittlich 155 Euro im Monat rechnen. Wahrscheinlich handelt es sich hier um eine organisierte Trickserei und ich möchte Sie an dieser Stelle auch eindringlich warnen, nicht blauäugig ihr Handys oder Navigationsgerät nach China, Russland oder Afrika zu schicken.

Künftig werden wir noch mehr E-Mails aus China erhalten, denn Ende des Jahres dürften mehr Chinesen als Amerikaner über Breitbandleitungen online sein.

Das Netz spricht schon jetzt mehrheitlich chinesisch, nur bekommen wir es nicht mit. Der Internet-Spätstarter China dreht nun richtig auf: Bis zu den Olympischen Spielen 2008 wollen die Chinesen ein schnelleres, sicheres und besseres Internet bauen, das „China´s Next Generation Internet“ (CNGI). Was ist daran neu? Es sieht danach aus als könnten die Chinesen es sogar bis dahin schaffen. Erst kürzlich überholte mich auf der Autobahn ein gar nicht so schlecht aussehendes Fahrzeug mit einem chinesischen Markennamen. Wenn das geht, dann erreichen die Chinesen auch das ehrgeizige Ziel, den Amerikanern die Technologieführerschaft im Internet- und IT-Bereich streitig zu machen.Dabei setzen die Entwickler des CNGI auf einen alten Bekannten, auf das IPv6-Protokoll. Und zwar aus mehreren Gründen: Der Internet-Schlafmütze China wurden damals nur 2 Prozent des IPv4-Adressenraums zugeteilt. Das reicht natürlich gar nicht.

Da sowieso schon knapp zwei Drittel des IPv4-Adressenraums belegt ist, muss China schon allein deswegen auf ein IPv6-Protokoll setzen. Mit IPv6 bekommt jeder PC und jedes Gerät im Netz eine eigene, statische IP-Adresse. Auf diese Weise könnte jedem Quadratmeter der Erde etwa 1500 IP-Adressen zugewiesen werden. Eng wird es nur, wenn die Chinesen jedem Reiskorn eine IP-Adresse zuweisen wollen.Die Kommunikation der olympischen Spiele in China soll komplett über das CNGI abgewickelt werden: Die Veranstaltungen werden zeitgleich im Web übertragen, selbst die Pekinger Taxifahrer sollen mit einer mobilen IP-Adresse versehen werden, damit sie von höherer Stelle besser gesteuert werden können.

In eineinhalb Jahren soll das IPv6-Netz stehen, an dem jetzt schon mehrere Hundert Universitäten und chinesische Technologieunternehmen angeschlossen sind und an Diensten tüfteln. Auch in Japan und vor allem in Korea, wo bereits 96 Prozent der koreanischen IPv4-Adressen vergriffen sind, setzen mit Hochdruck auf IPv6. In den USA und auch in Deutschland wird das alles ein wenig lockerer genommen. Zwar kocht das Thema „Uns fehlen bald IP-Adressen“ immer mal wieder hoch, aber selbst UMTS und GPRS setzen auf IPv4 und nicht IPv6.

Einige Netzbetreiber schon jetzt neben dem IPv4-Netz auch ein IPv6-Netz laufen und von den zweihundert am deutschen Internet-Austauschknoten DE-CIX angeschlossenen Internet-Providern unterstützen bereits mehr als 50 Prozent IPv6. Doch wer etwas über die praktische Anwendungsmöglichkeiten lernen will, bucht besser einen Flug nach Korea und spart sich den Flug nach Peking zu den olympischen Spielen.

Unternehmen versuchen nun verstärkt, Informationen und Meinungen in Wikipedias zu manipulieren. Die Frage bleibt: Wer kümmert sich in den Unternehmen eigentlich um die Wikipedia-Seite?

Die Stimme am anderen Ende der Telefonleitung klang viel zu freundlich und auffällig aufgeregt: „Du kannst hier eine Menge Geld verdienen. Einfach so. Hast Du ein Benutzerkonto bei Wikipedia?“ Meine Antwort: ein skeptisches Schweigen. Doch eigentlich wollte ich nur Zeit gewinnen. Welchen Benutzernamen und welches Kennwort hatte ich damals bei der Anmeldung zum Wikipedia gewählt? „Wichtig ist, dass Du schon lange Mitglied bist und bereits einige Beiträge erstellt oder bearbeitet hast. Das ist wichtig für unseren Kunden“, säuselte die Stimme aus dem Telefonhörer. „Welche Kunden?“, wollte ich wissen. „Naja, wir arbeiten gerade für ein Unternehmen, das sich stark für PR-Maßnahmen in Wikis interessiert.

Das würde doch sofort auffallen, wenn sich jemand neu anmeldet und gleich umfangreiche Beiträge ins Wiki einschleust.“ Darum ging es also: Ich sollte meine Wikipedia-Identität hergeben, damit ein Unternehmen unter meinem Namen Blödsinn veröffentlicht. Aus reiner Neugierde fragte ich weiter: „Und was ist Euch meine Identität Wert? Nun hörte ich ein feines Räuspern: „Je mehr Beiträge Du schon geschrieben hast, desto besser. Wir zahlen Dir für jeden Beitrag, den wir mit Deiner Identität ins Wiki setzen 25 Euro.“ Damit war das Gespräch beendet.

Nicht, weil mir zu wenig angeboten wurde, sondern weil ich solche fragwürdigen Angebote schon aus Prinzip nicht eingehe. Doch ich weiß, dass andere weniger ehrwürdig sind und das Wikipedia ganz gezielt nutzen wollen, um damit die öffentliche Meinung zu manipulieren oder um damit Geld zu verdienen. Ein Beispiel: Kürzlich flogen Siemens-Mitarbeiter auf, die einen Wikipedia-Eintrag über ihren Chef manipulierten und alle kritischen Absätze löschten. Das ist nicht nur peinlich, sondern beschädigt letztendlich auch die Marke. Denn auch für die Unternehmen steht viel auf dem Spiel: Wikipedia-Einträge tauchen derzeit recht oben in den Trefferlisten der Suchmaschinen auf. Da helfen alle Suchmaschinenoptimierungsstrategien nichts, wenn direkt unter der eigenen Website ein kritischer Eintrag im Wiki gefunden wird.

Die Unternehmen gehen damit unterschiedlich um: Manche weniger technisch affine Unternehmen sind sich der möglichen Markenbeschädigung gar nicht bewusst und schauen vielleicht jedes halbe Jahr in den Wikipedia-Eintrag. Andere Unternehmen beobachten die Änderungen ganz genau, verstehen die Blogs noch immer als Klowände des Internets und Wikis als wenig ernstzunehmende Spielwiese für Computer-Geeks mit gesteigertem Geltungsdrang. Große, multinationale Unternehmen beäugen die Aktivitäten im Wikipedia ganz genau.

Stellen Sie sich vor, ein Blogger behauptet auf seiner wenig besuchten Website, dass MC Donalds Gammelfleisch verkauft habe. Das würde das Unternehmen ärgern, aber letztendlich wenig kratzen. Wenn aber diese Meldung in einem Halbsatz im Wiki zu MC Donalds versteckt wird, dann kann das schon weit reichendere Folgen haben. Statt solche geschäftsschädigenden Meldungen zu bekämpfen, versuchen Unternehmen nun auch zunehmend, die Kontrolle über die wortwörtliche kritische Masse zu bekommen. Das ist nicht neu, funktioniert aber subtiler als bisher. So bietet zum Beispiel das amerikanische Mywikibiz interessierten Unternehmen eine Art „Wiki-Schreibdienst“ an. Das Wiki zum Unternehmen wird immer aktuell gehalten und sofort gesäubert. Das steht zwar nicht in der Angebotsliste, aber davon können wir ausgehen.

Auch Marketing- und PR-Agenturen sehen in der versteckten Manipulation der Massen neue Einnahmequellen und beauftragen Studenten, die ganz gezielt Diskussionen anheizen und Meinung machen.In der Wikipedia-Gemeinde werden diese Entwicklungen argwöhnisch beobachtet: Wie kann die Qualität der Beiträge hoch gehalten werden, wenn praktisch jeder im Vorbeigehen Missinformationen eingeben kann? Und: Funktioniert das Korrektiv der Masse auch bei Themen, die weniger technisch angelegt sind? Gleichzeitig werden immer mehr Unternehmen die Wikipedia-Seite zu ihrem Unternehmen als „Eigentum“ betrachten und Einfluss darauf nehmen wollen. Sollen sie doch, wenn das entsprechend gekennzeichnet ist. Ich bin mal gespannt, ob unter dem Eintrag „Kompromiss“ demnächst auch „Wikipedia“ aufgeführt wird.

Ein deutscher Jungunternehmer wetzt seine Hörner zunächst an Google. Danach ist dann die Deutsche Post dran. So richtig geklappt hat das dann noch nicht.

Auf viele Geschichten und Marktentwicklungen stößt man nur per Zufall: Ein Kollege beschwert sich, dass ich auf seine E-Mails einfach nicht antworte. Ich habe aber nie E-Mails von ihm bekommen. Die Lösung: Er hat die E-Mails zwar an meine Gmail-Adresse geschickt, aber statt @gmail.com die Domain @gmail.de gewählt. Nanu, dahinter verbirgt sich ja gar kein Google-Mail.

Offensichtlich hat es Google bei der Markteinführung von Gmail versäumt, auch gleich die deutsche Domain für den E-Maildienst zu bestellen – oder jemand war einfach schneller. In diesem Falle läuft die deutsche gmail-Domain schon seit über sieben Jahren unter der Flagge von Daniel Giersch. Der wollte sein Produkt zunächst „Giersch-Mail“ nennen, doch wer in China oder in den USA sollte sich einen solchen Namen merken, geschweige denn fehlerfrei schreiben? Es musste also ein anderer Name her, der auch schnell gefunden war, denn die europäischen Markenrechte sowie die Domains dafür waren noch frei: G-mail.

Giersch soll ganz schön empört darüber gewesen sein als Google Gmail vorstellte. Er wird sich aber auch die Hände gerieben haben: David gegen Goliath, in diesem Falle Googliath, das bringt die wertvolle „Öffentlichkeit“ für eine geräuschvolle Markteinführung. Und wer noch nicht mit einem ausgereiften Produkt konkurrieren kann, hetzt eben erstmal die Anwälte auf alle, die mit Gmail gleich das Produkt von Google in Verbindung bringen. Das erinnert mich an die weltfremden Abmahnungswellen gegen deep links, das fehlende Online-Impressum oder jetzt Abmahnungen gegen unvollständige Angaben in der Signatur von geschäftlichen E-Mails. Arbeitsbeschäftigung für gehorsame Juristen.

Auch bei G-mail gibt es für Juristen eine Menge zu tun. Schließlich will Google die Marke Gmail europaweit schützen, hat aber bisher schon zwei Niederlagen gegen Giersch kassieren müssen: zunächst vor dem Hamburger Landgericht und danach beim europäischen Harmonisierungsamt.

Wer steckt nun hinter dem deutschen G-mail? Ein findiger Geschäftsmann, der einen Rechtsstreit mit Google provoziert, um dann mit ein paar Milliönchen ruhig gestellt in die Frührente zu gehen – oder doch mehr? Das Unternehmen hat sich durchaus viel vorgenommen: G-mail will der erste hybride E-Mailtransporteur werden, der Briefe sowohl digital als auch in Papierform übermittelt. Die Zeit dafür ist günstig. 2008 soll das Briefmonopol der Deutschen Post fallen, die noch immer die Exklusivrechte für den Transport von Briefsendungen unter 50 Gramm hält.

Zusammen mit G-mail stehen viele in den Startlöchern. Schließlich ist der Markt lukrativ: Etwa 90 Prozent der Briefsendungen wiegen weniger als 20 Gramm, die Deutsche Post soll pro Woche etwa 300 Millionen Briefe versenden. Und ich dachte, niemand verschickt mehr Briefe. Der Trend geht weiter zur E-Mail, na klar, doch Papierbriefe wird es auch noch in 30 Jahren geben. Genau dort positioniert sich G-mail. Weltweit schwirren pro Tag etwa 60 Milliarden E-Mails durch die Kabel. Da könnte man doch auch Briefe per E-Mail losschicken und, falls gewünscht, dann am Zielort als Postbrief oder Fax ausliefern. Das spart nicht nur Zeit und Geld, sondern vor allem auch – für mich momentan das Totschlagargument – eine Menge Kerosin und Benzin.

Vor einigen Jahren war ich noch ein großer Freund von Konvergenz und von pfiffigen „All-in-one“-Lösungen in einem Gerät oder in einem Dienst. Doch mittlerweile bin ich da skeptisch: Wer alle bedienen will, wird seine Kunden letztendlich an die Spezialisten verlieren. Natürlich wäre es hilfreich, selber entscheiden zu können, mit welchem Medium ich meine Nachrichten in Papier-, Fax- und E-Mailform empfangen will. Ich würde mich für den E-Mail-Empfang entscheiden. Doch manches würde ich gerne auch weiterhin in Papierform bekommen. Zum Beispiel Rechnungen. In ziemlicher Regelmäßigkeit vergesse ich Online-Rechnungen auszudrucken, finde sie dann nicht mehr im Online-Archiv und bekomme Ärger von meiner Steuerberaterin.

In den USA findet die Seniorenmail „Presto“ regen Absatz: Da wird den Rentnern ein Drucker von HP ins Altenheimzimmer gestellt. Der Drucker wählt sich über ein eingebautes Modem automatisch ins Netz, zieht die E-Mails herunter und druckt sie dann auf Papier. Da kann man nur hoffen, dass die Senioren nicht zu viel Spam bekommen.

Früher waren die Wege klar: Eine E-Mail dauert ein paar Sekunden, ein Brief ein bis mehrere Tage und wer Faxe verschickt, ist sowieso ein Spießer. Wer mir einen Brief schreibt, erwartet nicht sofort eine Antwort. Bei E-Mails aber schon. In Zukunft wird jeder von Ihnen erwarten, dass Sie selbst auf Briefe innerhalb von wenigen Stunden antworten. Dann fällt nicht nur das Briefmonopol, sondern auch die letzte Bastion der Entschleunigung – wer dann auch immer den Brief in den Briefkasten wirft. Würde mich nicht wundern, wenn dann ein Briefträger mit einer farbigen Google-Uniform vor der Tür stehen würde.

Ein russischer Musikdienst vertrieb MP3s zu Schleuderpreisen. Der amerikanischen Musikindustrie gefiel das gar nicht.

Weihnachten bei 36 Grad unter einem Zitronenbaum: Im australischen Busch bei meiner Schwiegermutter kommt der Weihnachtsmann in kurzen Hosen und mit einem luftdurchlässigen Bart aus Synthetik. Alle haben die Verpackungen der Geschenke aufgerissen, spielen im Garten mit den neuen Cricket-Stöcken, stülpen sich die geschenkten Pyjamas über und tragen die neuen Schwimmbrillen. Nur ich sitze noch faul im Sessel und schaue mir etwas unterfordert meine 20-Dollar-iTunes-Geschenkkarte an.

Die Karte bringt mir hier gar nichts, denn ich bin wieder einmal offline. Und selbst wenn ich hier online wäre, wie bekomme ich die in iTunes herunter geladenen Songs vom Rechner meiner Schwiegermutter auf den heimischen Rechner in Deutschland? Gutscheine sind fast noch langweiliger als Socken. Doch die iTunes-Gutscheine sind zumindest in Australien der große Renner: Selbst der kleine Buchladen auf der einzigen Einkaufsstraße des verschlafenen und ziemlich ausgedörrten Ortes verkauft iTunes-Gutscheine. Mich würde es nicht wundern, wenn der Buchladen nächstes Jahr auch Gutscheine für andere MP3-Musikdienste vertreibt – vor allem Gutscheine aus Russland. Die Dienste versprechen eine riesige Auswahl an MP3s, superbillig und natürlich völlig legal.

Russland gegen Amerika: Da kommen mir Bilder von Astronauten und Kosmonauten in den Sinn, das rote Telefon, kilometerlange Militärparaden in Moskau; Rocky läuft boxend mit einem halben Baum durch den Schnee, um den fiesen Russen zu schlagen. Nun lässt die amerikanische Musikindustrie den kalten Krieg wieder aufleben und erklärt den russischen Musikdienst allofmp3.com zum Ivan Drago der globalen Musikwelt. Der Auftrag: Ivan Drago-allofmp3 muss zerstört werden, um den Musikrechtsweltfrieden zu erhalten.

Die amerikanische Musikindustrie fordert von allofmp3.com 1,65 Milliarden Dollar Schadenersatz. Was war passiert? Allofmp3.com wagte es, MP3s zu Schleuderpreisen zu verkaufen. Statt 99 Cents pro Song kosteten bei allofmp3.com die meisten MP3s gerade mal 12 Cents, komplette CDs konnten schon für knapp 2,50 Euro herunter geladen werden. Da die Website auf den ersten und zweiten Blick nicht wie eine russische Hackersite aussieht, sondern im Gegenteil ziemlich professionell und benutzerfreundlich erscheint, mauserte sich allofmp3 schnell vom Geheimtipp zum billigen iTunes-Herausforderer. Man überweist einen Betrag mit seiner Kreditkarte und darf dafür MP3s herunterladen. Was soll daran schon illegal sein, dachten sich die Surfer.

Wir leben in einer globalen Welt – und genau das macht vieles komplizierter: Nach russischer Gesetzgebung darf allofmp3.com ohne Zustimmung der Musikverlage MP3s an den Rest der Welt verkaufen. Angeblich führt allofmp3.com sogar 15 Prozent der Einnahmen an die russische „Multimedia-Agentur“ ab. Nur gehen dabei die Musikverlage und damit letztendlich auch die Künstler leer aus.

Ob nun allofmp3 aus urheberrechtlichen Gründen MP3s für deutsche Surfer anbieten darf oder nicht und ob die herunter geladenen MP3s illegal sind, das müssen andere entscheiden. Für die Surfer ist es jedenfalls schwer nachvollziehbar, dass sie als kosteneffiziente und globale Kunden etwas zu einem günstigeren Preis erstehen und dann die gekaufte Ware plötzlich illegal sein soll. Hier in Australien kümmert sich bislang niemand um allofmp3. Was passiert also, wenn ich mit meinem Notebook hier die Musik scheinbar legal auf meine Festplatte herunterlade und dann damit zurück nach Deutschland reise? Und wie finde ich heraus, aus welchem Land die nächsten MP3-Schnäppchen angeboten werden und ob die Betreiber erstens nach ihrer lokalen Gesetzgebung legal handeln und das dann auch noch im Einklang steht mit der deutschen und mit der Gesetzgebung der Musikindustrie?

Musikindustrie-Rocky und Ivan Drago kämpfen jedenfalls weiter. In der ersten Runde bekam Ivan eine Abmahnung, in der zweiten Runde fing sich Ivan einen fiesen Leberhaken ein, weil die amerikanischen Kreditkartenunternehmen einfach keine Zahlungen mehr nach Russland zustellten. Ivan taumelte, aber kam zurück. Allofmp3-Ivan stellte für kurze Zeit einfach alle MP3s kostenlos zur Verfügung. Die vierte Runde ging mit der 1,65 Milliarden-Schadenersatzforderung klar an Rocky. Aber Ivan wird weiter klammern, den Knockout herauszögern und sich bis in die neunte Runde retten.

Ich denke, Musikindustrie-Rocky wird letztendlich gewinnen. Doch bald wird Rocky mit indischen Schlangenmenschen, chinesischen QiGong-Meistern, thailändischen Messerwerfern und weiteren russischen Bullen im Ring stehen und möglicherweise gegen alle gleichzeitig kämpfen müssen. Denn andere globale MP3-Dienste aus Russland und Asien stehen schon in den Startlöchern. Gefragt sind klare rechtliche Ansagen.

Hier im australischen Busch ist nur wenig von der bedrohlichen Globalität der Musikindustrie zu spüren. Und ich habe hier wahrlich andere Sorgen. Es ist heiß, ich bin offline, komme nicht an meine E-Mails. Nur mein Schwager neben mir guckt noch trauriger: Er hat eine Best-of-Country-CD zu Weihnachten bekommen.

Bilderdienste und Gesichtserkennung brachten neuen Mehrwert – aber auch eine Menge Datenschutzbedenken.

Vor etwa vier Jahren traf ich auf einer Networking-Party in Vancouver bleichgesichtige Typen, die mal wieder von dem „Next big thing“ erzählten. Ich konnte es schon damals nicht mehr hören und wäre am liebsten entkommen. Doch das ging nicht. Mister Wong, ein sorgsamer Kollege der lokalen Tageszeitung Vancouver Sun wollte weiter über deutsches Bier, Autos und blonde Frauen aus Leipzig reden. Da kam ich also auch nicht weg, nicht einmal mit einer geschickten Körperdrehung zum Büffet oder einem hektischen Ausfallschritt in Richtung Toilette. Die Bleichgesichter belagerten Mister Wong, den lokalen Pressemann und passionierten Fotografen. Da waren sie an der richtigen Stelle. Das nächste große Ding sollte ausgerechnet ein Fotodienst sein? Flickr? Nie gehört. Ich dachte mir nur: Wie einfallslos und langweilig.

Die Bleichgesichter zeigten mir Flickr auf einem Rechner am Eingang. Ist doch klar, Ihr wollt das Ding an Google verkaufen und dann ab nach Hawaii in die Sonne, sagte ich. Das war ja mehr als offensichtlich. Schaut euch nur das Logo an. Die Bleichgesichter grinsten vielsagend. Wer hätte gedacht, dass zwei Jahre später ausgerechnet Yahoo zuschlug und Google nur mit einer Picasa-Notlösung im Web online ist.

Google wird sich noch immer ärgern, denn der Aufkauf von Flickr bescherte Yahoo nicht nur einen guten Fotodienst mit aktiver Community, sondern eben auch zusätzliche Mitglieder für die eigenen Dienste. Eine Weile durften sich die Flickr-Pioniere, bei Yahoo liebevoll „Old School Members“ genannt, noch mit ihrem Flickr-Namen anmelden. Doch seit Mitte März ist die alte Schule nichts mehr wert, Flickr benötigt nun eine Yahoo-ID.

Mein Pro-Account war mal wieder abgelaufen und ich konnte keine weiteren Bilder mehr aufladen, obwohl das monatliche Upload-Volumen sicherlich noch nicht ausgeschöpft war. Mittlerweile müsste es doch Alternativen zu Flickr geben, dachte ich mir und klapperte alte und neue Konkurrenten ab. Picasa Web-Alben kam schon gar nicht in Frage, weil man hier keine Bilder taggen kann und ich nicht mein komplettes Leben in Hände von Google geben will. Also lieber verteilen.

Zoomr kann mich überhaupt nicht überzeugen. Ich gehöre wahrscheinlich auch nicht zur Zielgruppe, denn ich bevorzuge ein schlichtes, übersichtliches Layout und keine schreiend farbigen, mit Werbung zugeknallten Seiten. Eine Weile spielte ich mit Sharpcast herum. Der Dienst hat Potenzial, doch fehlten mir auch hier die Tagging- und Bildbearbeitungsmöglichkeiten. Auch 23hq wird nicht mein Favorit.

Ein Gesicht sagt mehr als tausend Daten

Tagging ist mir wichtig, doch gleichzeitig bin ich ziemlich faul, vergesse oft, meine Bilder noch zu beschriften. Vielleicht deswegen begeisterte mich zunächst das Konzept von Riya, auch ein alter Bekannter, der seit ewiger Zeit „Beta“ ist. Hört sich doch verführerisch an: Sie laden Ihre Bilder auf Riya, das sofort Gesichter in ihren Fotos erkennt und nach einer Weile und reichlich manuellem Training Gesichter automatisch erkennt und markiert. Ich habe also einige Bilder hochgeladen und mir nichts dabei gedacht. Erst dann wurde mir klar: Riya ist böse. Mit der eingebauten Suchmaschine können sie nach Klarnamen suchen und finden die Bilder dazu. Einmal trainierte Gesichter könnten auch in anderen Bildern im Web gefunden werden. Ich bin nicht paranoid, aber das geht eindeutig zu weit.

Also versuchte ich, mein Konto bei Riya zu löschen. Geht nicht. Ich schickte Riya eine E-Mail, niemand meldet sich. Meine Bilder und Alben kann ich auch nicht löschen, nur privat stellen. So werden die Bilder wenigstens nicht mehr gefunden. Riya ist übrigens nicht das einzige Startup, das mit Gesichtserkennung in Bildern experimentiert. Polar Rose arbeitet an einer ähnlichen Lösung und auch Google wird mitmischen. Das Unternehmen kaufte vor einem halben Jahr das schwedische Startup Neven Vision, das ebenfalls Gesichtserkennung anbietet.

Wohin soll das führen? Eine Google-Fotosuche mit Gesichtserkennung wäre wohl der Horror nicht nur für Datenschützer. Aber zunächst mal müssten die Gesichter auf den Bilder getagged werden. Was wäre, wenn Ihr Privatfeind von nebenan das Bild eines Terroristen mit ihrem Namen versieht? Oder unverfänglicher: Wenn Bilder mit ihrem Gesicht von der „Web 2.0-Community“ automatisch getagged werden und Sie es nicht wissen, weil Sie nicht jeden Tag danach fahnden? Da werden Sie sich aber ganz genau überlegen, welches Bild sie hochladen und welches nicht.

Die Technologien sind noch nicht so weit. Doch das wird kommen. Den Bleichgesichtern von damals hätte ich noch mehr getraut als den großen Web-Medienunternehmen, die vor allem ein wollen: Daten sammeln und damit Geld verdienen. Ich bin zurück bei Flickr, aber meine Bilder sind auch auf meiner Festplatte und ich kann jederzeit umziehen.