Buchnotiz: 'The Art & Science of Facilitation: How to Lead Effective Collaboration with Agile Teams' von Marsha Acker

Es gibt englische Worte, die lassen sich kaum in die deutsche Sprache bringen. „Facilitation“ ist so eins. In der deutschen Sprache kommt wohl „Moderation“ am nächsten. Aber eben nicht ganz. Vielleicht stößt sich aber auch nur mein sprachlicher Geschmackssinn daran. Denn wenn ich an einen „Moderator“ denke, dann sehe ich vor meinem geistigen Auge einen Journalisten, der eine Politikerrunde zu Themen befragt und mehr oder weniger gelungene Übergänge zum neuen Thema findet. Vielleicht schneidet er Politikern mit besonders langen und nervigen Wortbeiträgen das Wort ab; oft haben Moderatoren eine eigene Meinung, die sie auch publikumswirksam kundtun.

Ein solcher Moderator will ich nicht sein. Deswegen benutze ich ab sofort das englische Wort „Facilitator“. Ein Facilitator ist neutral, trifft keine Entscheidungen für die Gruppe und leitet nur minimal. Es geht nur um Menschen und Prozesse. Idealerweise „liest“ der Facilitator den Raum und hört, was gesagt und was nicht gesagt wird und fördert die Magie, die in der Zusammenarbeit von schlauen, kooperativen und entspannten Menschen entsteht. Ein Facilitator schafft eine Atmosphäre, in der sich jeder wohlfühlt und ein wenig die Maske lösen kann.

Als Scrum Master habe ich verschiedene Aufgaben. Da gibt es die Aufgabe als Ratgeber, als Anleiter für die verschiedenen Scrum-Events wie Sprint Planning, Daily Scrum, Sprint, Sprint Review und Retrospektive – und darauf konzentrieren sich die meisten Scrum Master. Eine wichtige Rolle ist die des Facilitator. Leider wird die Rolle missverstanden. Alle lehnen sich zurück und lassen den Scrum Master animieren. Dabei geht es nie um den Scrum Master, sondern immer um die Gruppe.

Wer nach Facilitation-Methoden sucht, findet im Buch „The Art & Science of Facilitation: How to Lead Effective Collaboration with Agile Teams“ von Marsha Acker wenig. Es geht hier nicht um Methoden, sondern um die Einstellung, die man als Facilitator mitbringen muss, um die Gruppe wirklich weiterzubringen. Und es geht nicht nur um die Einstellung, sondern um die „soft skills“ (ich hasse dieses Wort, warum sollen das „weiche“ Fähigkeiten sein?).

Was ich aus dem Buch gelernt habe: Vertrauen schaffen, mit gutem Beispiel vorangehen, neugierig, aber neutral bleiben und vor allem, mutig im Sturm stehen bleiben und Konflikte gemeinsam aushalten und moderieren können, ohne dabei selbst vor die Hunde zu gehen. Leseempfehlung!

Meine Notizen:

  • Klare Aufgabenverteilung beachten: Facilitator bestimmt den Prozess, das Team den Inhalt.
  • Fest im Sturm stehen: Bei Konflikten oder abweichenden Meinungen dranbleiben und nicht ablenken oder das Thema wechseln. Auf der anderen Seite des Konflikts entstehen mehr Klarheit im Denken und neue Ideen und Impulse.
  • Viele Meinungen sind wertvoll: Unterschiedliche Standpunkte sorgen für Klarheit, Unterscheidungsvermögen, tieferes Verständnis und Energie. Ohne diese Dinge wird die Zusammenarbeit weniger effektiv sein.
  • Vertrauen schaffen und Raum geben: Die Gruppe hat eigene Weisheit und alles andere hat, was sie benötigt, um kreativ und innovativ zu sein und ihre eigenen Probleme zu lösen. Die Gruppenmitglieder brauchen nur den Raum, um auf das zuzugreifen, was sie brauchen.
  • Der Gruppe helfen: Facilitatoren sollten sich ständig fragen: „Wie kann ich der Gruppe am besten dienen, was benötigt diese Gruppe jetzt wirklich?“
  • Innehalten, wenn man nicht weiß wie es weitergeht: Füße fest auf den Boden stellen, tief einatmen, langsam und bedächtig sagen: „Darf ich Ihnen eine Frage stellen? Was passiert hier jetzt gerade?“
  • Neutral sein, aber nicht passiv: eigenen Standpunkt vertreten, Perspektive nutzen, um neugierige Fragen zu stellen, die der Gruppe Denkanstöße geben. Neutralität bietet das Geschenk des „Nichtwissens“. „Ich bin dein Sherpa. Ich werde dich auf diesen Berg führen. Es gibt einen bestimmten Prozess, dem wir folgen werden, aber musst du die Arbeit selbst machen.“
  • Unterschied zwischen Prozess und Inhalt nicht vergessen: Facilitator bietet den Prozess und Raum, damit die Gruppe ihre beste Arbeit mit dem Inhalt machen kann.
  • Faustregel für die Vorbereitung: 2,5-fache der Sitzungsdauer für die Planung und Gestaltung aufwenden. Beispiel: zweistündige Sitzung = 5 Stunden für die Planung und Gestaltung.
  • Im Sturm stehen bleiben: Stürme sind Orte der Energie. Wenn die Emotionen (vielleicht sogar die eigenen) hoch sind, ist der Sturm da. Konflikten und Unterschieden herausarbeiten, unterschiedliche Standpunkte sorgen für Klarheit, Unterscheidungsvermögen und ein tieferes Verständnis. Wenn die Gruppe einen Sturm übersteht, gewinnt sie ein kollektives Gefühl des Vertrauens und der Zuversicht ineinander. Im Sturm zu stehen, ist also ein Ort der inneren Arbeit. Man muss sich selbst beherrschen können, damit die Gruppe auf der anderen Seite in einem kollektivieren, produktiveren Zustand auftauchen kann. Wenn man selbst fliehen oder das Thema wechseln will, sollte man stattdessen neugierig sein. Wirklich gute Ideen befinden sich oft nur auf der anderen Seite von Pannen, Frustration und Verwirrung.
  • Der Weisheit der Gruppe trauen: Gruppe muss nicht belehrt werden. Es lohnt sich, eine kollektive Intelligenz zu schaffen und anzuzapfen. Dazu wird die volle Aufmerksamkeit auf die Bedürfnisse der Gruppe gerichtet, eigene Bedürfnisse nach hinten schieben. Fragen: „Was ist der höchste und beste Nutzen unserer gemeinsamen Zeit?“
  • Es geht nicht nur um das Ergebnis, sondern auch um die persönliche Weiterentwicklung des Teams: Wie schnell ein Team auf seiner agilen Reise vorankommt oder zu einem produktiven Ergebnis kommt, ist nicht unbedingt ein Hinweis auf Ihren Wert und Ihre Fähigkeiten als agiler Moderator. Manchmal besteht der bessere Weg zur Effizienz darin, eine Pause einzulegen. Die Aktion zu verlangsamen, um den Schwung zu erhalten.
  • Unterschied zwischen agilem Handeln und agilem Sein beachten: An ihren Taten wirst du sie erkennen… Beobachtung: insbesondere Top-Führungsteams sind oft unfähig über sinnvolle Themen zu sprechen und neue Gedanken und Ideen zu entwickeln, es ist das größte Hindernis für Agilität, anpassungsfähige Unternehmen und innovatives Denken.
  • Auf Werte achten, vorleben: Es ist wichtig, Teams, insbesondere Spitzenteams, dazu zu bringen, ehrlich, verletzlich und offen miteinander umzugehen, ist ein großer Fortschritt. Aber auch große Herausforderung für den Facilitator.

Die Buchnotizen schreibe ich nur für mich. Deswegen lesen sie sich vielleicht etwas kryptisch. Lies es doch einfach selbst. Weitere Buchnotizen findest Du hier.