Bist du ein Schwindler?
Angenommen, du möchtest ein Buch schreiben, obwohl das Schreiben nicht unbedingt zu deinen Kernkompetenzen gehört. Aber du hast viel erlebt und weißt eine Menge. Genug für ein Buch, sagen auch deine Freundinnen und Kolleginnen. Du beginnst zu recherchieren und das Buch zu schreiben. Schließlich findest du sogar einen Verlag, der dein Buch veröffentlichen möchte. Ein professioneller Lektor oder eine professionelle Lektorin überprüft dein Manuskript und gibt Verbesserungsvorschläge, macht es zugänglicher und lesbarer. Zusammen schleift ihr am Werk, bis es tatsächlich veröffentlicht wird.
Ein weiteres Beispiel: Du hast ein kleines Unternehmen und bietest eine Dienstleistung an. Ein Werkstudent oder eine Werkstudentin mit Fachkenntnissen in diesem Bereich unterstützt dich seit einem halben Jahr. Er oder sie ist ein Gewinn, trägt maßgeblich zum Erfolg des Unternehmens bei. Du zahlst ihm oder ihr ein angemessenes Gehalt, aber es ist nicht viel. Dein Geschäft floriert. Niemand weiß, dass hinter der Arbeit eine günstige studentische Hilfskraft mit fachlichen Superkräften steckt.
Fühlst du dich nun wie ein Pfuscher oder bist du einfach glücklich über deine Auswahl an Studierenden und dass deine Kundschaft zufrieden ist?
Der Wert des Sichtbaren und Unsichtbaren
Wenn du künstliche Intelligenz wie ein Werkzeug einsetzt und das Beste herausholst, weil du sie nicht einfach halluzinieren lässt, sondern sie von Anfang an mit deinen Gedanken, Texten und Ideen fütterst, sie straff und sachgemäß an der Leine führst: Bist du ein Pfuscher, wenn du bessere Texte lieferst? Und: Solltest du sagen, dass du KI benutzt hast? Oder ist das einfach egal, weil nur das Ergebnis zählt?
Ich finde, du solltest dich nicht als Pfuscher, sondern einfach nur als intelligente*r Knowledge-Worker fühlen. Vorsprung durch Wissen und Erfahrung. Wer pfuscht, gibt den Befehl “Schreibe etwas zum Thema X (von dem ich keine Ahnung habe)” ein.
Wer aber versteht, dass KI nichts anderes als ein intelligenter Praktikant oder eine intelligente Praktikantin ist, sollte sich schnell einen solchen aussuchen und genau überlegen, wie man ihn sie gewinn- und genussbringend einsetzt.
Dabei gilt: Du wirst auch weiterhin denken müssen, vielleicht sogar noch mehr als jemals zuvor. Vielleicht wirst du etwas weniger schreiben (ich meine das physikalische Tippen von vielen Buchstaben), dafür musst du genauer lesen, kritischer mit dem Text umgehen können und unbedingt das Umschreiben nicht verlernen. Wenn du deine Stärken mit den Stärken der KI verbindest, dann kannst auch du die Superpower nutzen und brauchst dich dafür auch nicht zu schämen. Pfuscher, Schummler? Wer zu spät kommt und den nächsten Schritt nicht mitmacht, wird abgehängt.